Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen - Skandale in der Frankfurter Polizei sind ein Fass ohne Boden

Torsten FelstehausenInnenpolitik

In seiner 129. Plenarsitzung am 16. Februar 2023 debattierte der Hessische Landtag zur Situation im Frankfurter Polizeipräsidium. Dazu die Rede von Torsten Felstehausen, Parlamentarischer Geschäftsführer und innenpolitischer Sprecher.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

In der Tat ist es skurril. Hanspeter M., der damals zum Sonderermittler NSU 2.0 gemacht wurde, weil man im Innenministerium mit der Zusammenarbeit mit der LKA-Führung und dem Landespolizeipräsidenten unzufrieden war, ist jetzt selbst in Ungnade gefallen und muss seinen Hut nehmen. Zuerst das jahrelange Ringen mit der ehemaligen LKA-Präsidentin Thurau, das darin gipfelte, dass das LKA nun von einem politischen Beamten besetzt wird; dann der Rausschmiss des Landespolizeipräsidenten Udo Münch, unter anderem, weil er Beuth im NSU-2.0-Komplex unzureichend informierte; und jetzt Hanspeter M. Anscheinend fällt es Herrn Staatsminister Beuth sehr schwer, Spitzenpersonal zu finden, das vernünftig mit ihm zusammenarbeitet.

(Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die neuerliche Diskussion, die wir auch im Innenausschuss geführt haben, macht doch sehr deutlich: Die hessische Polizei hat ein Problem mit der Führungs- und Fehlerkultur, und dieses Problem hat einen Namen. Es heißt: Peter Beuth.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Der Innenminister umgibt sich mit immer mehr politischen Beamten, die auf Gedeih und Verderb seinem guten Willen ausgeliefert sind. Diese wissen genau, was auf sie zukommt, wenn sie nicht unverzüglich seine Weisungen umsetzen. So entsteht eben eine Kultur von Befehl und Gehorsam, die anscheinend gute Personalführung ersetzen soll.

Meine Damen und Herren, jetzt können Sie sagen: Na ja, das ist das Geschwätz eines LINKEN, der hat ja keine Ahnung. – Wenn ich aber einmal schaue, was zu diesem Sachverhalt, der jetzt diskutiert wird, der Bund Deutscher Kriminalbeamter sagt, dann formuliert dieser seine Kritik so: Diese Personalentscheidung hat „zu großer Verunsicherung“ innerhalb der hessischen Polizei geführt. Es herrsche – ich zitiere – „ein Klima von Misstrauen und Angst“. Meine Damen und Herren, das sind nicht meine Worte, sondern die des Bundes Deutscher Kriminalbeamter.

(Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD): Hört, hört!)

Die Aktuelle Stunde beschäftigt sich also mit den Fragen der FDP zu den Verwerfungen im Polizeipräsidium Frankfurt. Auch wir LINKE haben noch Fragen zum Polizeipräsidium Frankfurt, und zwar über die Personalfrage Hanspeter M. hinaus. Wir hatten in der jüngsten Zeit zahlreiche Polizeiskandale, genau in der Behörde, genau in dem Polizeipräsidium, das Herr Bauer hier gerade als „Vorbildbehörde“ bezeichnet hat.

(Alexander Bauer (CDU): Ja, ich war schon mehrfach dort! Ich habe es mir angeschaut! Wann waren Sie denn mal in Frankfurt? – Unruhe – Glockenzeichen)

Ich will einmal aufzählen – Herr Bauer, bevor Sie hier ganz aus dem Hemd springen –, was Ihre „Vorbildbehörde“ so abgeliefert hat, angefangen bei dem bereits erwähnten NSU-2.0-Skandal. Inzwischen ist ein Mann für das Verfassen von 81 Drohschreiben verurteilt worden. Das Gericht konnte nicht abschließend klären, wie der Drohbriefeschreiber an die privaten Daten der Betroffenen kam, die kurz vorher auf einem Computer des Polizeipräsidiums Frankfurt abgerufen wurden. Nach dem Auffliegen dieses NSU-Skandals gab es rechte Chatgruppen, in denen Polizeiangehörige rechtsradikale Inhalte austauschten. Insgesamt sind 67 solcher Chatgruppen aufgeflogen. Insgesamt waren 110 Polizeibeamtinnen und -beamte daran beteiligt. Das schiere Ausmaß ist noch immer erschreckend, ebenso wie die Widerwärtigkeit der Inhalte, die dort gepostet worden sind.

(Beifall DIE LINKE – Alexander Bauer (CDU): Deshalb darf man niemanden versetzen, oder was?)

Dann gab es in Ihrer „Vorbildbehörde“ noch den Fall von Thomas S., der ohne Erlaubnis seines Dienstherrn für die paramilitärische und dubiose Sicherheitsfirma Asgaard arbeitete, unter anderem auch im Irak.

(Zuruf Alexander Bauer (CDU))

Das Unternehmen ist verantwortlich für fragwürdige Einsätze im Ausland, und gleichzeitig hat dieses Unternehmen eindeutige Bezüge in das Neonazimilieu. Meine Damen und Herren, wenn Sie an dieser Stelle von „Vorbildbehörde“ reden: Ich glaube, wenn das das Vorbild für die hessische Polizei ist, dann darf es so nicht weitergehen.

(Beifall DIE LINKE)

Es geht also um mehr als „nur“ um diese eine Personalie. Jetzt wird wahrscheinlich wieder auf die Expertenkommission verwiesen. Aber wir als LINKE sagen: Papier ist geduldig. Entscheidend ist doch, was nachher für die Polizei tatsächlich umgesetzt wird; und da wird der hessische Innenminister seinem eigenen Anspruch nicht gerecht.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einfach einmal lesen!)

Vielleicht ist es ja ein Zeichen, dass heute Staatssekretär Sauer hier ist.

(Alexander Bauer (CDU): Das ist eine Frechheit! Sie wissen genau, wo der Innenminister ist! Frau Faeser hat ihn zur Konferenz eingeladen! Das ist unredlich! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen)

– Herr Bauer, denken Sie doch einmal an Ihren Blutdruck; das ist doch nicht gut.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)

Zusammenfassend können wir doch feststellen: Wir können und wollen uns nicht einlassen auf ein weiteres Jahr mit Innenminister Peter Beuth. Wir wollen und können nicht weiter tatenlos zusehen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei Ihrer Argumentation merkt man, wie dünn die Hülle ist! – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen)

Der Innenminister hat sein Amtsende bereits angekündigt. Wir fordern diesen Innenminister auf: Machen Sie Platz für einen Neuanfang, der diesen Namen verdient hat. Ich glaube, das wäre der größte Dienst, den dieser Innenminister der hessischen Polizei tun könnte. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall DIE LINKE)