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Rede

Torsten Felstehausen - Staatsvertrag zur Kaliförderung: Wir dürfen keine zweite Asse riskieren

Torsten Felstehausen
Torsten FelstehausenUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 57. Plenarsitzung am 10. November 2020 diskutierte der Hessische Landtag über einen neuen Staatsvertrag zwischen hessen und Thüringen, der die Kaliförderung durch K+S regeln soll. Dazu die Rede unseres umweltpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste!

Es hört sich in der Tat gut an, was hier vorgelegt worden ist: Damit könnte man viele Probleme auf einen Schlag lösen. An dieser Stelle möchte ich aber – das Wortspiel sei mir erlaubt – etwas Salz in die Suppe kippen.

DIE LINKE fordert seit 2010, dass die salzhaltigen Abfälle aus der Kaliindustrie nicht mehr in das Grundwasser verpresst, in die Werra eingeleitet oder auf Halden gekippt werden. Die umweltschonendste Entsorgung dieser Abfälle ist es, nach einer stofflichen Rückgewinnung der wertvollen Salze diese wieder in die Hohlräume unter Tage zu bringen. Nur durch diesen festen Versatz, wie es bergmännisch heißt, können die Grubengebäude tatsächlich optimal gesichert werden.

Der Versuch, eine dauerhafte Entsorgung für Abfälle zu etablieren, ist 2010 am runden Tisch Werraversalzung gescheitert, und dies auch mit tatkräftiger Unterstützung der damaligen Hessischen Landesregierung.

Jetzt beantragt K+S selbst eine Lagerung von Abfällen unter Tage, und jetzt soll es auf einmal ganz schnell gehen. Der zentrale Unterschied: K+S möchte in der Grube Springen keine festen Abfälle, sondern eine konzentrierte Salzlauge einstapeln, welche sich vermutlich über Jahrhunderte nicht verfestigen wird.

Deshalb melden wir aus drei Gründen Bedenken an, und ich hoffe, dass wir das auch im Ausschuss noch einmal thematisieren. Da gibt es mit Sicherheit im Rahmen der Anhörung das eine oder andere, was tatsächlich ernsthaft geprüft werden soll.

Erstens. Es ist bis dato ungeklärt, ob die Einstapelung der vorgesehenen Magnesiumchloridlösung den Süßwasserzustrom in der Grube Springen wirklich stoppen kann. Sie wissen, das Land Thüringen musste über Jahrzehnte schon mehrere Millionen Euro einsetzen, um das eindringende Süßwasser abzupumpen, weil es die Standsicherheit der Grube gefährdet. Ein fester Versatz – meine Damen und Herren, das ist sicher – würde den Zufluss stoppen und die Standsicherheit der Grube tatsächlich erhöhen.

Zweitens. Auch wenn der Süßwasserzufluss gestoppt würde, bleibt das Problem, dass die eingestapelte Lauge immer noch ungesättigtes Wasser enthält. Solange Wasser im Spiel ist, können Umlösungsprozesse die tragenden Pfeiler schwächen, und es ist nicht ausgeschlossen, dass dies so weit geht, dass es zu einem Bergsturz kommt. Meine Damen und Herren, dieser Erkenntnis ist bis heute nicht widersprochen worden: Ein Bergsturz mit verheerenden Folgen, gleich ob er nach Jahrzehnten oder nach Jahrhunderten eintritt, kann nicht ausgeschlossen werden. Aber nach dem Berggesetz muss dies zweifelsfrei nachgewiesen und belegt werden.

Kali + Salz selbst legt 2018 dar – da zitiere ich –:

Für den gesamten Prozess der Einstapelung von mineralisierten Lösungen in Kalibergwerke sowie für die daraus resultierenden langfristigen Auswirkungen liegen bisher keine ausreichenden Erfahrungen vor.

So Kali + Salz 2018. Zwei Jahre später soll genau dieses Verfahren für die Änderung des Staatsvertrags notwendig sein und angewandt werden. Warum die Landesregierung ohne ausreichende Erfahrung jetzt sicher sein soll, müssen uns Kali + Salz und die Landesregierung im Ausschuss zweifelsfrei darlegen.

Jetzt könnten ignorante Gemüter wie bei der Schwermetallbelastung durch die K+S-Rückstände in Hattorf sagen, dass es das Problem der Thüringer sei. Thüringen müsse sicherstellen, dass die Grube für immer hält.

Das lässt mich zu meinem dritten Punkt kommen. 1993 argumentierte K+S für die Erhaltung des Grubenverbundes des Werrawerkes – da zitiere ich wieder einmal –:

Die Grubenbaue der Kaliwerke Springen, Merkers und Unterbreizbach stehen unter Tage mehrfach in einem Verbund. Dieser Grubenverbund stellt hydrologisch eine Einheit dar und muss bei der Planung zukünftiger Bergwerkaktivitäten als ungeteiltes Ganzes berücksichtigt werden. Das heißt, eine Abschätzung der gesamten geologischen Risiken kann nicht für Teilfelder allein vorgenommen werden.

So sagt es K+S.

Um das ungeteilte Ganze nicht noch größer zu machen, wurde die Beschädigung dieses 200 m starken Sicherheitspfeilers der Markscheide zwischen Thüringen und Hessen durch den Staatsvertrag untersagt. Zu dem Plan von K+S, kurz nach der Wende eine solche Verbindung zwischen dem Bergwerk Unterbreizbach und Hessen herzustellen, wird in dem zentralen Gutachten für die Treuhand ausgeführt – ich zitiere jetzt aus der Zusammenfassung für den Treuhandausschuss –:

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Felstehausen, aber bitte sehr kurz.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Jawohl.

Von der Rolllochverbindung zum Kernstück des Werrakonzeptes geht eine latente Gefährdung der Untertagedeponie in Herfa-Neurode aus.

Meine Damen und Herren, das ist das zentrale Problem; die Frau Ministerin hat darauf hingewiesen: Dort lagert Europas gesammelter Giftmüll. Wir müssen verhindern, dass diese Giftmülldeponie irgendwann, und sei es in 100 oder 200 Jahren, tatsächlich durch einen Bergschlag und dann austretende Wässer in Mitleidenschaft gezogen wird. Dort ist die Landesregierung uns den Beweis bisher schuldig geblieben. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)