Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen - Videoüberwachung schafft keine Sicherheit

Torsten FelstehausenDaten- und VerbraucherschutzInnenpolitik

In seiner 114. Plenarsitzung am 22. September 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Videoüberwachung in Hessen. Dazu die Rede unseres datenschutzpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren der demokratischen Parteien! Das vorgelegte Gesetz mit dem Namen „Gesetz zur Änderung sicherheitsrechtlicher Vorschriften und zur Umorganisation der hessischen Bereitschaftspolizei“ kann wohl mit Recht als eines der schlechtesten Gesetze dieser Wahlperiode bezeichnet werden.

(René Rock (Freie Demokraten): Da bin ich mir nicht sicher!)

Es ist tatsächlich eine einzige Bewerbung für den jährlich verliehenen Big Brother Award.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Minister Beuth, Sie hätten tatsächlich gut daran getan, die Regierungsfraktionen nicht dafür zu missbrauchen, ein Gesetz einzubringen, um sich eine Regierungsanhörung zu ersparen;

(Günter Rudolph (SPD): Der wusste ja, was kam!)

denn spätestens mit einer Regierungsanhörung wäre Ihnen klar geworden, dass weite Teile Ihres Gesetzes mit unserer Verfassung schlicht nicht vereinbar sind. Dies haben Sie – Herr Hahn und Herr Rudolph haben es deutlich gemacht – in der öffentlichen Landtagsanhörung zu hören bekommen. Was wir dort gehört haben, ist für einen Verfassungsminister tatsächlich eine einzige Blamage.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Aber Sie ziehen ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz nicht zurück; denn Sie wollen weiterhin mit dem gleichen Kopf durch die gleiche Wand. Für die Fraktion DIE LINKE kann ich daher schon heute ankündigen: Kommen Sie nicht zur Einsicht, werden dies die Gerichte klären müssen. Dies hat viele Gründe; und ich möchte sie am Beispiel der grenzenlosen Videoüberwachung noch einmal erklären. Videoüberwachung soll also pauschal – ohne Anlass und ohne Prüfung – an allen Einkaufszentren, Flughäfen, Personenbahnhöfen, Sportstätten und Packstationen in Hessen möglich sein. In den städtischen Gebieten liegen diese Bereiche derart nah beieinander, dass eine fast lückenlose Überwachung möglich ist. Meine Damen und Herren, das ist ein ganz erheblicher Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger; und das ist es, was uns dabei so empört.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Bisher ist im öffentlichen Raum die Videoüberwachung nur möglich, wenn es tatsächlich Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten gibt oder eine Gefahr vorliegt. Nach dem Gesetzesvorschlag der Regierungsfraktionen wäre eine solche Prüfung nun nicht mehr erforderlich. Als Begründung wird genannt, dass diese Orte „erfahrungsgemäß“ besondere Gefahrenpunkte darstellen würden. Welche Erfahrungen dies sind und wer sie gemacht hat, wird jedoch nicht ausgeführt. Sie versuchen noch nicht einmal, einen eklatanten Grundrechtseingriff ordentlich zu begründen. Sie können auf Anfrage unserer Fraktion noch nicht einmal erklären, Herr Beuth, wie viele dieser Orte es in Hessen überhaupt gibt. Sie liefern weder eine Definition von dem Begriff „Sportstätten“, noch können Sie erklären, was Sie unter einem „Einkaufszentrum“ verstehen. Ist es denn schon die Metzgerei, die Bäckerei oder die Schusterei am Dorfplatz, die Sie zum Einkaufszentrum erklären, oder ist es vielleicht die Kegelbahn im Gasthaus zum goldenen Hirschen, den Sie als „Sportstätte“ bezeichnen? All dies lassen Sie völlig offen.

(Beifall DIE LINKE)

Am eklatantesten waren jedoch die Aussagen der Sachverständigen in der Anhörung: Es gibt schlicht und ergreifend keinen Beweis dafür, dass eine grenzenlose Videoüberwachung überhaupt Kriminalität verhindert. Sicherlich, Videoüberwachung kann bei der Aufklärung von Straftaten hilfreich sein. Was wir aber wollen, ist eine Verhinderung der Straftaten an sich. Gerade in Wiesbaden haben wir feststellen müssen, dass Videoüberwachung zu einer Verlagerung der Kriminalitätsschwerpunkte, nicht zu einer Reduzierung der Kriminalität führt.

(Robert Lambrou (AfD): Das stimmt so nicht!)

Videoüberwachung wird von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, als Allheilmittel gepriesen, gegen Gewalt und Straßenkriminalität, gegen Vandalismus und Graffiti. Es wird immer wieder gesagt, man wolle Straftaten verhindern; und Sie gehen davon aus, wer gefilmt würde, begehe keine Straftaten mehr. Das versprechen Sie uns immer wieder. Aber die Sachverständigen haben uns während der Anhörung etwas anderes berichtet. Es gibt – ich wiederhole, was die Sachverständigen sagten – keinen wissenschaftlich evidenten Beweis dafür, dass Straftaten aufgrund der Videoüberwachung abnehmen.

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Und wen stört das?)

In Hessen ist schon jetzt eine umfangreiche Videoüberwachung möglich; trotzdem haben wir die genannten Straftaten zu verzeichnen. Sie verdrängen die Kriminalität, statt sich den Ursachen zuzuwenden. Sie verbannen die Polizei vor Monitore, statt sie vor Ort helfen zu lassen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, dazu kann ich nur sagen: Dieses Konzept von Sicherheit wird niemals die Zustimmung der LINKEN erhalten.

(Beifall DIE LINKE)

Als Letztes möchte ich, es ist zwar schon gesagt worden, noch einmal das Zitat von Benjamin Franklin in den Raum stellen: Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren. Meine Damen und Herren, hierüber sollten wir noch einmal nachdenken. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)