Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen zu Beteiligungsmöglichkeiten in den Kommunen

Fraktion im Hessischen LandtagAbgeordneteTorsten FelstehausenThemenKommunales

In seiner 134. Plenarsitzung am 24.05.2023 diskutiert der Hessische Landtag zu einem Gesetzentwurf der SPD zur Stärkung der

Beteiligungsmöglichkeiten auf Gemeindeebene. Dazu spricht unser kommunalpolitischer Sprecher Torsten Felstehausen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Die Kommunen sind das Fundament unseres Staates und unserer Demokratie. Diesen Satz hört man immer und immer öfter, wenn es um die Städte und Gemeinden in unserem Land geht, auch gerne in diesem Haus. Damit ist nicht nur gemeint, dass die Bürgerinnen und Bürger vor Ort unmittelbar mit dem Staat in Berührung kommen, sondern auch, dass sie die direkte Möglichkeit haben, sich aktiv einzubringen und politische Prozesse zu beeinflussen und damit die Demokratie in der Praxis schätzen und kennenzulernen.

Leider beschreibt dieses Bild vielfach nur einen abstrakten Anspruch und keine gelebte Realität. Tatsächlich sind die Möglichkeiten demokratischer Beteiligung für die Bürgerinnen und Bürger in unseren Städten und Gemeinden nicht so besonders gut ausgeprägt. Das hat teilweise zur Folge, dass das Interesse und die Bereitschaft zur aktiven Partizipation nachlässt – abzulesen etwa an schwacher Wahlbeteiligung oder an den Problemen, engagierte Kandidatinnen und Kandidaten für kommunale Ämter zu finden. Sie kennen alle das Problem, wenn es wieder auf die Kommunalwahl zugeht.

Meine Damen und Herren, diese Entwicklung hat viel mit den finanziellen und politischen Rahmenbedingungen zu tun. Wo Kommunen strukturell unterfinanziert sind und man nur noch entscheiden kann, ob man entweder die Steuern erhöht oder freiwillige Leistungen kürzt, leidet lokale Demokratie. Dort, wo kommunalpolitisch engagierte Bürgerinnen und Bürger von Rechten, von Rassisten und von Reichsbürgern bedroht und attackiert werden, dort leidet unsere lokale Demokratie.

(Tobias Eckert (SPD): Ihr müsst jetzt wieder rufen!)

Dort, wo zivilgesellschaftliche Initiativen und die Proteste von sozialen Bewegungen übergangen, ausgebremst und kriminalisiert werden, dort leidet unsere lokale Demokratie.

(Beifall DIE LINKE)

All das findet täglich statt, auch hier in Hessen. Erst heute mussten wir feststellen, dass eben auch in Hessen die Kriminalisierung der Klimabewegung, in diesem Fall der „Letzten Generation“, keinen Halt macht. Der Vorwurf der kriminellen Vereinigung nach § 129a ist maß- und haltlos.

(Robert Lambrou (AfD): Überfällig!)

Die organisierte Kriminalität sitzt eben nicht mit Sekundenklebern auf der Straße,

(Robert Lambrou (AfD): Doch!)

sondern in Konzern- und Parteizentralen, die unsere Zukunft dem Profit opfern.

(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Ui, ui, ui!)

Meine Damen und Herren, das schädigt das Fundament unserer Demokratie. Deshalb kämpfen wir als LINKE dafür, dass sich die Rahmenbedingungen demokratischer Teilhabe schnellstmöglich zum Positiven verändern. Es ist notwendig, dass die formalen demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten und – auch das ist mir wichtig – die Beteiligungsrechte massiv ausgebaut werden. Diesbezüglich hinkt Hessen vielen anderen Bundesländern leider ziemlich weit hinterher.

Deshalb bin ich der SPD-Fraktion wirklich dankbar, dass sie dieses Thema mit ihrem Gesetzentwurf erneut auf die Tagesordnung gebracht hat.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD – Tobias Eckert (SPD): Gerne!)

Das ist euer Verdienst. Über einige der hierin enthaltenen Baustellen haben wir auch in der Vergangenheit hier im Haus schon lang und breit diskutiert. Deshalb möchte ich an der Stelle zu einigen Punkten etwas ausführen.

Zunächst ist es richtig und gut, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sowie von Seniorinnen und Senioren zu stärken und auch zu vereinheitlichen. Da können wir gut mitgehen, auch wenn die Einschränkung bei Kindern und Jugendlichen auf „Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren,“ und die etwas schwammigen Formulierungen wie „in angemessener Weise“ und „geeignete Verfahren“ die Gefahr bergen, dass diese Beteiligungen vor Ort ins Leere laufen. Wir können uns hier eine generelle Beteiligungspflicht vorstellen, wir finden die Herangehensweise der SPD an der Stelle trotzdem richtig.

Das Gleiche gilt für die Ausländerbeiräte. Auch hier unterstützen wir das Vorhaben der SPD, die schwarz-grüne Einführung der Integrationskommissionen endlich rückgängig zu machen. Natürlich würden wir dafür plädieren, den Ausländerbeiräten ein generelles Antrags- und Rederecht zuzusprechen, um ihre Positionen noch einmal deutlich zu stärken. Aber darüber müsste man reden. Die Stoßrichtung ist hier richtig, wenn es eigentlich nicht noch viel zielführender wäre, allen Menschen, die hier leben, endlich die Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe und der Wahlbeteiligung zu geben.

(Beifall DIE LINKE und Lisa Gnadl (SPD))

Das Wahlrecht für alle Einwohnerinnen und Einwohner wäre endlich eine demokratische Errungenschaft, auf die wir stolz sein könnten.

(Vereinzelter Beifall DIE LINKE)

Im Großen und Ganzen können wir mit den Vorschlägen in diesem Gesetzentwurf aber gut leben. Das Problem ist eher, was er nicht enthält. Das betrifft zum einen die ganze Frage des Kommunalwahlrechts mit 16. Dort haben sich GRÜNE und CDU ja festgelegt.

(Zurufe SPD)

– Haben wir, ja natürlich. – Ich will nur noch einmal sagen, was zu dem gesamten Programm gehören würde. Es wäre jetzt keine Kritik an eurem Gesetzentwurf. Wir haben es hier auf unseren Antrag und auch noch einmal auf euren Antrag hin lang und breit diskutiert. Leider gibt es keine Bewegung bei den regierungstragenden Fraktionen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Zum anderen müssten wir dringend über direktdemokratische Beteiligungsrechte jenseits der bestehenden repräsentativen Gremien sprechen. Die juristischen Auseinandersetzungen um das Instrument des Bürgerantrags in der Stadt Gießen haben gezeigt, dass man in der HGO dringend etwas tun müsste. Die allermeisten Bundesländer sind da viel weiter als Hessen. Das Gleiche gilt auch für die Themen Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, wo die Hürden nach wie vor viel zu hoch sind und die Kommunen viel zu viele Möglichkeiten haben, entsprechende Initiativen auszubremsen. Meine Damen und Herren, wenn wir Demokratie vor Ort ernst meinen, müssen wir wirklich noch einmal ran.

Alle diese und weitere Fragen müssten wir hier wirklich einmal breit diskutieren. Deshalb bin ich gespannt auf die Anhörung, die Sie zu diesem Gesetzentwurf sicherlich machen werden. Vielleicht ist es etwas, was wir in der nächsten Legislaturperiode ganz am Anfang aufgreifen. Leider ist es in dieser Legislaturperiode mit diesen Mehrheiten nicht mehr möglich, demokratische Strukturen vor Ort zu schaden – ich meinte, zu stärken. Das ist sehr schade.

(Robert Lambrou (AfD): Das war ein freudscher Versprecher!)

Aber am 8. Oktober gibt es die Wahl, sich endlich für mehr Demokratie zu entscheiden. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)