Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen zu der Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen

Torsten FelstehausenThemenHaushalt und FinanzenKommunales

In seiner 137. Plenarsitzung diskutierte der Hessische Landtag über die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Hessen. Dazu unser kommunalpolitischer Sprecher Torsten Felstehausen

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Herzlich willkommen und vielen Dank, dass wieder all diejenigen da sind, die sich seit Jahren und Jahrzehnten so engagiert für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Hessen einsetzen. Ohne deren Engagement und ohne deren wirklich fundierte Arbeit wäre vieles von dem, was hier heute diskutiert worden ist, gar nicht möglich. Vielen Dank dafür und für diese Arbeit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine Damen und Herren, als Landesregierung, als regierungstragende Fraktionen hat man es tatsächlich nicht immer ganz leicht. Es wird Sie vielleicht überraschen, aber ich meine das sehr ernst und ohne Ironie. Bei vielen unterschiedlichen Themen ist es tatsächlich schwierig, die richtige politische Entscheidung zu treffen. Das kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Die Problemursachen und die Lösungen sind nicht ganz einfach. Die Komplexität ist hoch. Oder Expertinnen und Experten geben unterschiedliche Empfehlungen zum Sachverhalt. Oder es gibt widersprüchliche gesellschaftliche Interessen, die man miteinander in Einklang bringen muss.

All das macht natürlich Regierungspolitik schwierig. Als Opposition haben wir es in der Tat etwas einfacher. Das will ich durchaus anerkennen. Es gibt aber auch Themen – und dazu gehören die Straßenausbaubeiträge –, bei denen ist Politik tatsächlich ganz einfach, nämlich dann, wenn die Sachlage vollkommen klar ist, sich die Expertinnen und Experten einig sind, wenn es nicht um Partikularinteressen von wenigen geht, die es zu berücksichtigen gilt, sondern wenn es um Gleichberechtigung geht, wenn es keine parteipolitischen Hürden gibt – wir haben gehört, wie es in anderen Bundesländern aussieht –, wenn der Bund und die EU auch keine Einwände haben, wenn die rechtliche Situation eindeutig ist, wie hier in dieser Frage zu entscheiden ist, und wenn das Land ausreichende finanzielle Spielräume hat, wenn die Medien überzeugt sind und die Bevölkerung hinter einem solchen Beschluss steht. Dann ist Politik tatsächlich einfach.

Dann fehlen am Ende nur der Mut und die Haltung, einen Fehler einzugestehen, den man einmal gemacht hat, und endlich von einem Dogma abzukehren, das Sie hier vereinbart haben. Das ist das einzige Problem. Alles andere ist in diesem Haus in vielen Diskussionen besprochen worden. Wir haben Anhörungen dazu gemacht. Wir haben die Expertinnen und Experten gefragt. Vor allen Dingen haben wir bei all denjenigen gefragt – bei Ihnen bezweifle ich das ein bisschen, Herr Bauer –, die sich vor Ort tatsächlich einmal umschauen und sich die Problemlage anhören. Dann ist einfach glockenklar: Mit den Straßenausbaubeiträgen in Hessen ist Schwarz-Grün auf einem Holzweg. Es ist höchste Zeit, endlich über den eigenen Schatten zu springen.

(Beifall DIE LINKE)

Hier könnte Politik wirklich ganz einfach sein, weil klar ist, worum es geht und was zu tun ist. Straßen sind Teil öffentlicher Infrastruktur, und die Kosten dürfen eben nicht auf die einzelnen Anwohnerinnen und Anwohner abgewälzt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Straßenbeiträge sind unsozial, ungerecht und aus der Zeit gefallen. Deshalb ist für uns als LINKE völlig klar – wir hatten es auch in unserem Gesetzentwurf drin –, sie gehören endlich abgeschafft. Es wird Zeit.

(Alexander Bauer (CDU): Kann man doch!)

Wenn die Straßenausbaubeiträge mit Ihrer Hilfe nicht abgeschafft werden, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Grün, dann ist es vielleicht Zeit, dass diese Regierung in dieser Form abgeschafft wird.

(Beifall DIE LINKE)

Die Anhörung zu dem Gesetzentwurf der SPD hat es doch eindrucksvoll bestätigt. Nicht nur die Anzuhörenden, sondern auch die Bürgerinitiativen und die Betroffenen vor Ort, die mit vollem Einsatz für die Abschaffung kämpfen, sagen seit vielen Jahren, dass dieser Weg, den Hessen gewählt hat, nicht der richtige ist. Das sagen im Übrigen auch die juristischen Expertinnen und Experten. Das sagen die Verbände wie beispielsweise Haus & Grund. Das sagt der Verband der Wohnungseigentümer. Das sagt der Bund der Steuerzahler.

Meine Damen und Herren, bei welcher Anhörung ist schon einmal ein so einheitliches Bild zutage gefördert worden? All diejenigen, die sich aus sehr unterschiedlichen Perspektiven sehr intensiv damit beschäftigen, laufen immer wieder gegen eine Mauer von Schwarz-Grün, weil ein Dogma aufrechterhalten werden soll.

(Alexander Bauer (CDU): Was erzählen Sie für einen Blödsinn!)

  • Herr Bauer, Sie waren gerade dran. Ich habe jetzt dasMikrofon.

(Alexander Bauer (CDU): Die sind doch nicht dümmer als wir!)

  • Herr Bauer, es gibt das Instrument einer Zwischenfrage.Vielleicht sollten Sie das einmal wählen.

Wir sollten nicht über ein Dogma diskutieren, sondern wir sollten tatsächlich schauen, wie lösungsorientierte Politik in Hessen aussehen kann. Das scheint mit Schwarz-Grün an dieser Stelle nicht möglich zu sein.

Vizepräsidentin Heike Hofmann:

Herr Felstehausen, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

(Torsten Felstehausen (DIE LINKE): Gerne, Herr Bauer!)

Alexander Bauer (CDU):

Danke, Herr Kollege. – Sie sagten, es sei ein Dogma von Schwarz-Grün, die Straßenausbaubeiträge nicht abzuschaffen. Wie erklären Sie sich aber, dass im Nachbarland Rheinland-Pfalz eine andere Regierung, nämlich eine SPDgeführte Regierung, mit ähnlichen Argumenten an der Option der Ausbaubeiträge festhält? Insofern kann dies keine parteipolitische Wahrnehmung sein, sondern es muss Gründe dafür geben, dass Länder diese Regelung beibehalten.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Herr Bauer, vielen Dank für die gute Frage, wie das zu erklären ist. – Das ist relativ einfach. Sie haben das vor fünf Jahren in Ihrem Koalitionsvertrag festgelegt. Seit fünf Jahren verschließen Sie sich jedem Argument bei dieser Frage. Das meine ich mit Dogma.

(Eva Goldbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das

ist aber keine Antwort auf die Frage!)

Sie erheben das zu einer Art Religion und sind nicht bereit, sich Sachargumenten zu öffnen.

(Beifall DIE LINKE und SPD – Gerald Kummer (SPD): Das ist Realitätsverweigerung!)

Außer Schwarz-Grün sind sich alle einig, dass die Straßenausbaubeiträge abgeschafft werden müssen, egal in welcher Form, ob einmalig oder wiederkehrend, ob mit Ratenzahlung oder ohne. Sie müssen insgesamt abgeschafft werden. Das muss doch das Ziel sein.

Selbst die Kommunalen Spitzenverbände zeigen sich aufgeschlossen, vorausgesetzt, es gibt eine entsprechende Entschädigung für die Kommunen, wie sie sowohl von der SPD als auch in unserem Gesetzentwurf gefordert worden ist.

Ob Straßenausbaubeiträge abgeschafft werden sollen, ist also gar nicht die Frage. Dass sie problemlos abgeschafft werden können, zeigen die politischen Richtungen in den anderen Bundesländern. Neun Bundesländer haben sie abgeschafft. Nummer 10 wird Nordrhein-Westfalen sein unter der Führung einer schwarz-grünen Koalition. Weitere Länder werden folgen. Ich bin mir vollkommen sicher – daher ist es längst überfällig –, dass sich Hessen endlich ein Beispiel daran nimmt und nachzieht. Im Übrigen sind auch europaweit Straßenausbaubeiträge die allergrößte Ausnahme. Das hat die Bürgerinitiative „Straßenbeitragsfreies Hessen“ herausgearbeitet.

Meine Damen und Herren, als LINKE sagen wir deshalb klipp und klar: Schluss mit einem hessischen Sonderweg, Schluss mit der schwarz-grünen Blockadehaltung und Schluss mit den Straßenbaubeiträgen, die endlich auf den Müllhaufen der Finanzgeschichte gehören.

(Beifall DIE LINKE)

Es bleibt noch die Frage, Herr Bauer, die Sie in den Raum gestellt haben: Wie können die Straßenbaubeiträge konkret abgeschafft werden? Wir haben in unserem Gesetzentwurf eine rückwirkende Regelung und einen Härtefallfonds für Betroffene nach bayerischem Vorbild vorgesehen.

(Alexander Bauer (CDU): Wie lange zurück? Zwei, drei, vier Jahre?)

Das fehlt noch im SPD-Entwurf. Aus unserer Sicht ist das ein Problem, weil bislang die Entlastung der Betroffenen zu kurz kommt. Wenn die SPD an dieser Stelle aber noch einmal nachschärft – wir haben ja in der dritten Lesung die Gelegenheit dazu –, dann kommen wir auch an dieser Stelle zusammen.

Völlig unabhängig von solchen Details möchte ich aber deutlich sagen: An uns von den LINKEN wird es nicht scheitern. Alles, was Betroffenen unmittelbar hilft, alles, was in die richtige Richtung weist, werden wir in Sachen Abschaffung der Straßenbaubeiträge mittragen – in diesem und auch im nächsten Parlament.

(Beifall DIE LINKE)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal kurz auf die schwarz-grüne Landesregierung eingehen. Ich habe eingangs gesagt, ich habe ein gewisses Verständnis für die Herausforderungen von Regierungspolitik. Das stimmt. Mein Verständnis endet aber dort, wo man sich jahrelang der naheliegendsten Lösung verweigert und zugleich so tut, als ob es überhaupt keine Probleme gäbe. Meine Damen und Herren, das ist tatsächlich ärgerlich, und das ärgert auch die Menschen draußen. Wenn Sie einmal mit den Menschen sprechen, die von Straßenbaubeiträgen betroffen sind, wenn Sie sich einmal diese Mühe machen würden, dann würden Sie verstehen, warum auf den Straßen eine solche Wut über den hessischen Sonderweg besteht und warum die Menschen so auf die Palme gebracht wurden, als fünfstellige Beträge gefordert wurden. Wenn Sie sich hierhin stellen, Herr Bauer, und sagen, es gebe doch die Möglichkeit der Ratenzahlung, dann muss ich antworten: Herr Bauer, für 85-Jährige ist eine Ratenzahlung kein gutes Argument mehr.

Wenn Sie dann vortragen, es liege aber doch an den Kommunen, dann sind wir bei dem gleichen Thema, das wir vorhin hatten: die Ungleichverteilung von Geld in Hessen, der weite Weg zwischen dem ländlichen Raum und dem urbanen Raum. Das verkennen Sie völlig. Es gibt viele Städte und Gemeinden, die können sich eine Abschaffung der Straßenbaubeiträge unter den Bedingungen, die Schwarz-Grün gesetzt hat, schlicht nicht leisten, weil anderenfalls ihr Haushalt nicht mehr genehmigt würde oder sie – damit sind wir bei dem Thema von eben – in anderen Bereichen kürzen müssten. Sie können sich also nur zwischen Pest und Cholera entscheiden. Aus diesem Dilemma müssen wir die Kommunen gemeinsam befreien. Das ist die Verantwortung des Landes Hessen. Da hilft es nichts, auf die Freiwilligkeit hinzuweisen, auf die Möglichkeiten, die die Kommunen haben.

Vizepräsidentin Heike Hofmann:

Herr Felstehausen, kommen Sie bitte zum Schluss?

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Das tue ich doch gerne. – Herr Bauer, in der Theorie haben Sie recht, im Praxistest versagt Ihre Politik aber leider kläglich.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)