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Rede

Torsten Felstehausen zum Haushalt 2021 - Bereich Umweltschutz

Torsten Felstehausen
Torsten FelstehausenHaushalt und FinanzenUmwelt- und Klimaschutz

In der 61. Plenarsitzung am 9. Dezember 2020 diskutierte der Hessische Landtag über den Haushalt des Landes Hessen für das Jahr 2021. Für den umwelt- und klimaschutzpolitischen bereich sprach unser umweltpolitischer Sprecher Torsten Felstehausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Ministerin Hinz!

Vielleicht darf ich einmal ganz kurz auf das eingehen, was Herr Grumbholz gesagt hat. Da waren einige Sachen dabei, die Sie wirklich zum Nachdenken bringen müssten. Das möchte ich noch einmal vertiefen.

Er hat den Verbraucherschutz angesprochen. Er hat darauf hingewiesen, dass es zwar einen Stellenaufbau geben soll – –

(Zuruf)

– Grumbholz. Was habe ich gesagt? Habe ich mich versprochen?

Präsident Boris Rhein:

Es war Herr Kollege Grumbach.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Sie wissen, wen ich gemeint habe. Ich habe mich versprochen.

(Vereinzelte Heiterkeit – Jan Schalauske (DIE LINKE): Das passt zum Thema Umwelt, ob Bach oder Holz!)

Angesprochen war der Verbraucherschutz. Da soll es, was die Stellen angeht, einen Zuwachs im Ministerium geben. Dabei wird aber verschwiegen – das ist gesagt worden –, dass es keinen Zuwachs vor Ort geben wird, also dort, wo wirklich kontrolliert wird.

Was noch viel gravierender ist: In Ihre Verantwortung fällt die Absenkung der Standards der Kontrollen im letzten Jahr. Das ist der eigentliche Skandal. Die Menge der Kontrollen, die vor Ort stattfinden, wurde reduziert. Die reguläre Dichte der Prüfungen hat abgenommen. So kann ich auch zu dem Ergebnis kommen, dass genug da war. Im Endeffekt leiden darunter die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Ich komme jetzt zu dem Thema, das uns hinsichtlich des Einzelplans 09 beschäftigt. Da geht es um den Umweltschutz. Da geht es um den Klimaschutz. Wir müssen konstatieren, dass es bisher weltweit nicht gelungen ist, den Klimawandel auch nur abzubremsen. Es ist völlig richtig, dass wir deshalb etwas hinsichtlich unserer Infrastruktur machen müssen. Wir müssen die Infrastruktur dem Klimawandel anpassen.

Was das bedeutet und welche Auswirkungen das hat, wurde uns in den letzten Sommern immer klarer. Es gab Asphaltblasen auf den Autobahnen, Bahngleise, die sich verziehen, und Innenstädte, in denen man sich im Sommer kaum noch aufhalten kann, weil es so unerträglich heiß ist. Der Wald wurde bereits angesprochen. So erleben wir den Klimawandel. Diese Phänomene sind völlig unbestritten.

Wenn wir dem etwas entgegensetzen wollen, dann müssen wir das lokal, auf Landesebene und auf Bundesebene tun. Das muss aber auch global geschehen. Denn ansonsten wird es teuer. Deswegen müssen wir heute in unsere Zukunft investieren. Wenn es uns nicht gelingt, den Klimawandel zu begrenzen, wird es unbezahlbar. Es wird dann Leben kosten, im Süden genauso wie hier.

Deshalb müssen wir anfangen, den Umbau in allen Sektoren zu gestalten. Das darf nicht nur in Trippelschritten geschehen. Wir müssen grundlegende Änderungen herbeiführen. Wir werden dabei in Kauf nehmen müssen, dass es uns alle in allen Lebensbereichen betrifft. Deswegen sagen wir: System Change, not Climate Change.

(Beifall DIE LINKE)

Die Aufgabe der Umweltministerin wäre es, den notwendigen Umbau jetzt einzuleiten. Ich zeige einmal beispielhaft an drei Punkten, was erforderlich wäre.

Die Wasserver- und -entsorgung ist eine grundsätzliche und grundlegende Aufgabe der öffentlichen Hand. Da hat die Hessische Landesregierung in den letzten Jahren entscheidend zu wenig investiert. Die meisten Klärwerke verbrauchen viel zu viel Energie. Sie verfügen über keine vierte Reinigungsstufe. Sie verteilen multiresistente Keime in unseren Flüssen. Sie leisten vor allen Dingen auch keinen Beitrag zur Rohstoffrückgewinnung.

Anstatt die Kommunen flächendeckend bei der Modernisierung zu unterstützen, fördert die Hessische Landesregierung nur ausgewählte einzelne Projekte. Es ist richtig: Für die Klärwerke sind die Kommunen zuständig. Frau Ministerin Hinz, das könnten Sie jetzt entgegnen. Aber angesichts der kommunalen Budgets, die derzeit vorhanden sind, werden wir, die wir gemeinsam in diesem Raum sitzen, es wahrscheinlich nicht mehr erleben, dass die Modernisierung der Klärwerke tatsächlich umgesetzt wird.

Für den Gewässerschutz, den Gesundheitsschutz und für unser Trinkwasser ist diese Aufgabe von existenzieller Bedeutung. Deswegen fordern wir ein Landesprogramm zur Modernisierung der Klärwerke und zum Aufbau der Brauchwassernetze.

(Beifall DIE LINKE)

Ein Charakteristikum der Umweltpolitik der schwarz-grünen Landesregierung ist die Umwidmung gesetzlich festgelegter Aufgaben in freiwillige Mitmachprojekte. „100 Kommunen für den Klimaschutz“ heißt das eine. Es soll Blühstreifen geben, gefolgt von Mitmachprojekten „Unser Wald“. Nicht zu vergessen, der Klassiker ist „100 Wilde Bäche“.

Es ist schön, dass die Umweltministerin die Menschen und die Kommunen für die anstehenden Aufgaben tatsächlich begeistern will. Die Wasserrahmenrichtlinie ist aber kein Wunschkonzert, sondern ein Gesetz. Wie wir es in der Begründung des Urteils zur letzten Klage des BUND gegen den Weiterbau der A 49 nachlesen können, ist die Wasserrahmenrichtlinie und sind die dort formulierten Pflichten nicht nur – Zitat – „bloße Ziele der Bewirtschaftungsplanung“, sondern haben „verbindlichen Charakter“. „Verbindlicher Charakter“ ist eben mehr als ein Mitmachprogramm oder eine freiwillige Aktion.

(Beifall DIE LINKE)

Die generös erscheinende Auswahl von 100 Bächen zur Renaturierung verschleiert, dass sich in Hessen über 300 Bäche in einem mittelmäßigen bis schlechten ökologischen Zustand befinden. Nach 20 Jahren Umsetzung der EUWasserrahmenrichtlinie haben nur 15 % der Gewässer in Hessen einen guten oder sehr guten ökologischen Zustand. 2015 hätte dieser Zustand für alle Gewässer zutreffen sollen. Für eine Regierung mit acht Jahren unter grüner Beteiligung ist das ein Armutszeugnis.

Ich komme zu meinem zweiten Beispiel. Es betrifft den Bodenschutz. Die Koalition hat sich in ihrem Koalitionsvertrag in besonderem Maß dem Bodenschutz verpflichtet. Man muss sich aber einmal genau anschauen, was das bisherige Ergebnis ist: Das hessische Nachhaltigkeitsziel, bis zum Jahr 2020 nicht mehr als 2,5 ha pro Tag zu versiegeln, wurde, erstens, krachend verfehlt und ist, zweitens, auch gar nicht nachhaltig. Anstelle dass die Hessische Landesregierung gute Ackerböden besonders schützt, verkauft sie die Flächen an ihre Landgesellschaft für die Schaffung von Gewerbegebieten z. B. für Logistikunternehmen. In NeuEichendorf konnten wir das erleben.

(Zuruf: Eichenberg!)

– Eichenberg, richtig. Hier steht Eichendorf. Aber es ist natürlich völlig richtig, Eichenberg heißt der Ort.

Im Zeichen des Artensterbens, des Klimawandels und des drohenden Wassernotstands können wir uns das nicht mehr leisten. Die Antwort muss zukünftig heißen: Der Acker bleibt.

(Beifall DIE LINKE)

Gute Ackerböden in Hessen müssen besser geschützt werden. Im Zeitraum von 1992 bis 2015 sind die landwirtschaftlich genutzten Flächen in Hessen um 40.700 ha geschrumpft. Es gibt 40.700 ha landwirtschaftliche Flächen weniger.

Weder der Ökoaktionsplan noch die Ökomodellregion der Landesregierung hat in den letzten Jahren auch nur einen einzigen Hektar dieses Ackerbodens vor der Versiegelung geschützt. In einem ersten Schritt muss die Hessische Landesregierung aufhören, gute Ackerböden als Land für Gewerbeflächen und Logistikzentren zu verkaufen oder sie für Autobahnen zu versiegeln. Was im letzten Jahrhundert noch eine gute Serviceleistung für die Kommunen gewesen sein mag, muss in Zeiten des Klimawandels sofort gestoppt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme zu meinem dritten und letzten Beispiel.

Präsident Boris Rhein:

Das müssen Sie schnell sagen; denn die acht Minuten Redezeit sind um.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Gut. Wir haben noch ein bisschen auf der Uhr stehen.

Wir wollen nicht nur kritisieren. Zustimmung findet der Umbau bei Hessen-Forst. Das Primat der schnellen Holzerträge ist in Zeiten des Klimawandels nicht mehr haltbar. Das war es noch nie. Wir finden, diese Maßnahmen sind richtig. Da muss noch etwas draufgelegt werden, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Försterinnen und Förster angemessen bezahlt werden. Darüber hinaus müssen die Fahrzeuge und die Werkzeuge von Hessen-Forst zukünftig übernommen werden.

(Beifall DIE LINKE)

Damit komme ich zum Ende meiner Rede. Es wäre jetzt notwendig, die Aufgaben des Klimawandels zu bündeln. Wir brauchen ein Ministerium mit Richtlinienkompetenz zur Bekämpfung des Klimawandels. Alle Sektoren, der Verkehr, das Wohnen, eine nachhaltige Landwirtschaft und die Energiewirtschaft, müssen zusammen gedacht werden. Die Klimaanpassungsmaßnahmen müssen koordiniert werden.

Es kann doch nicht sein, dass die Umweltministerin den Tag des Waldes feiert, während der Ministerkollege aus der gleichen Partei diesen Wald gegenwärtig für den Bau einer Autobahn roden lässt. Das ist ein Unding. Da muss es eine gemeinsame Politik geben. Da kann es nicht die eine so und der andere so machen.

(Beifall DIE LINKE)

Dafür fehlen Ihnen der politische Durchsetzungswille und das Durchsetzungsvermögen. Dafür fehlt Ihnen leider auch der Mut. Deshalb wird es bei diesem Haushalt bei Leuchttürmen, Pilotprojekten und Blühstreifen bleiben. Das reicht nicht mehr aus. Damit halten wir den Klimawandel nicht auf.

Deshalb werden wir diesen Einzelplan ablehnen müssen. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)