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Rede

Christiane Böhm - Explodierende Energiekosten und liberalisierte Märkte: Hessen muss Sofortmaßnahmen gegen Energiearmut und Stromsperren ergreifen

Christiane BöhmDaten- und VerbraucherschutzEnergieSoziales

In seiner 95. Plenarsitzung am 3. Februar 2022 diskutierte der Hessische Landtag unsere Aktuelle Stunde zu hohen Energiekosten und -abschaltungen. Dazu die ergänzende Rede unserer sozial- und gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Bei so viel Marktradikalismus muss ich doch noch einmal auf die sozialpolitische Komponente dieses Themas eingehen.

(Zuruf AfD: Oh Gott!)

Ich kann mich gut an meine Situation erinnern, als ich als Betreuerin gearbeitet habe und eine alte Dame in Betreuung hatte, die nur morgens, wenn es einigermaßen hell war, ihre Post lesen konnte, weil schon mehrere Wochen der Strom und auch die Heizung abgestellt waren. Sie hat sich über den Baum vor ihrer Küche beschwert, der es ihr nicht mehr ermöglicht hat, in diesen Morgenstunden noch ihre Post zu lesen.

Ich denke, wenn Sie das erlebten – und das erleben Sie nicht selten in diesem Land, wenn Sie in der sozialen Arbeit tätig sind; es sind nicht nur die Grundsicherungsempfängerinnen und -empfänger, die in diese Situation kommen, dass ihnen der Stromversorger radikal den Strom oder die Heizung abgestellt hat –, dann würden Sie mit mehr Sensibilität an dieses Thema herangehen.

(Beifall DIE LINKE)

Ich denke, das hat wirklich auch eine bundespolitische Komponente. Wir müssen uns nämlich hier noch einmal mit Hartz IV beschäftigen, zumal das einige von Ihnen ja richtig gut finden und auch beschlossen haben. Wenn Sie sich einmal anschauen, wie der Anteil für Strom im Regelsatz aussieht, dann sehen Sie, das sind 36,44 € in Stufe 1. Die rund 1.500 kWh, die ein Alleinstehender normalerweise verbraucht, kosten aber schon 48 €. Das sind fast 12 € Unterschied pro Monat. Ja, was mache ich denn als Grundsicherungsempfängerin, wenn ich diese 12 € nicht zur Verfügung habe? Die fehlen mir bei allen anderen Dingen, die sowieso schon zu gering bemessen werden. Und wenn ich auch noch Warmwasser mit Strom erhitze, dann ist dieses Gap noch größer.

Es ist so, dass seit Einführung von Harz IV der Regelsatz um ca. 30 %, der Strompreis aber um 85 % gestiegen ist. Die Menschen leben darüber hinaus noch in alten, nicht gedämmten Wohnungen. Das heißt, die Situation mit der Strom- und Heizkostenerhöhung und der unzureichenden Versorgung mit dem Regelsatz entwickelt sich für die Menschen zu einer immer größeren Lücke, die sie finanziell nicht mehr ausgleichen können.

Natürlich sind gerade Arme auf Billigenergieanbieter angewiesen. Es bleibt denen ja nichts anderes übrig. Wenn sie so wenig Geld für Strom und Heizung zur Verfügung haben, müssen sie natürlich dem billigsten Anbieter folgen. Das haben ihnen auch oft genug die Jobcenter aufgetragen, dass sie das so machen müssen.

Vizepräsident Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn:

Bitte an die Zeit denken.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Ich denke, es ist ein Skandal in diesem Land, dass diese Situation bei vielen Leuten zu Stromsperren führt.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsident Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn:

Bitte an die Zeit denken.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Ich bin sofort fertig. – Wir als LINKE haben einen Energiefonds in diesem Haushalt gefordert; denn das Problem ist nicht mit einer Telefonhotline zu lösen. Die zahlt ihnen aber nicht die Energiekosten; denn die müssen sie weiter abstottern, und sie haben das Geld nicht dafür. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)