Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen zum Recht auf mobiles Arbeiten im öffentlichen Dienst

Torsten FelstehausenInnenpolitikWirtschaft und Arbeit

In seiner 97. Plenarsitzung am 23. Februar 2023 diskutierte der Hessische Landtag über das Recht auf mobiles Arbeiten für Landesbeamte. Dazu die Rede unseres innenpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Hofmann hat es gerade schon ausgeführt: Intensiv haben wir uns in den Sitzungen des Digitalausschusses und des Innenausschusses mit dem Gesetzentwurf beschäftigt. Wir haben diskutiert, in Anhörungen dazu haben wir mit elf Sachverständigen diskutiert und haben ihre Positionen wahrgenommen und, so hoffe ich, auch verstanden.

Nicht ganz mitgehen kann ich bei den Ausführungen von Herrn Müller an der Stelle, wenn er sagt, man habe alle Anmerkungen der Sachverständigen aufgegriffen und in den vorliegenden Gesetzentwurf eingefügt. Ich glaube, Frau Hofmann hat gerade sehr deutlich gemacht, an welchen vielen Stellen Ihr Gesetzentwurf doch noch Lücken hat.

(Zuruf Stefan Müller (Heidenrod) (Freie Demokraten))

Aber wir waren uns einig, dass wir von der Möglichkeit des mobilen Arbeitens mehr Gebrauch machen müssen. Wir waren uns einig, dass es den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, den Dienststellen und letztendlich auch dem Umwelt- und Klimaschutz hilft, wenn wir hier viel mehr Möglichkeiten schaffen als bisher.

Insofern – hier möchte ich mich dem Dank von Frau Hofmann anschließen – haben Sie ein wichtiges Thema auf die Tagesordnung gesetzt, was uns, so glaube ich, in der Diskussion auch tatsächlich vorangebracht hat, weil wir die unterschiedlichen Positionen noch einmal sehr gut abgewogen haben, weil wir Sachverständige angehört haben, weil wir uns dazu verschiedene Bereich angeschaut haben. Das ist unzweifelhaft Ihr Verdienst. Das möchte ich Ihnen auch überhaupt nicht streitig machen.

Aber in der Gesamtbetrachtung dessen, was Sie jetzt auch mit Ihrem Änderungsantrag vorgelegt haben, muss man sagen: Gut gemeint ist eben noch nicht gut gemacht. Darauf möchte ich jetzt im Folgenden eingehen.

Wir alle wissen – und ich glaube, das streitet auch keiner ab –, dass der öffentliche Dienst seit Jahren bei der Digitalisierung im Vergleich zur Wirtschaft deutlich zurückhängt. Der Amtsschimmel – um einmal das Bild zu benutzen – wiehert immer noch zwischen verstaubten Aktendeckeln. Meine Damen und Herren, in der Corona-Krise haben wir erleben müssen, welch großer Schaden durch die unzureichende Ausstattung im IT-Bereich auch im Gesundheitssektor entstehen kann – Stichwort: Faxgeräte, Informationsübermittlung und Ähnliches.

Insofern wird es sicherlich höchste Zeit, hier nicht weiter in Trippelschritten voranzuschreiten. Für die mangelnde Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung der letzten Jahre – man muss fast sagen: Jahrzehnte –, die unzureichende IT-Ausstattung, das zu geringe Budget für Fortbildung und vieles mehr trägt unzweifelhaft die Hessische Landesregierung die Verantwortung. Das muss man an dieser Stelle auch sehr deutlich sagen.

Die Corona-Krise hat uns zum Umdenken gezwungen. – Wenigstens etwas, möchte man an der Stelle sagen, was da an positiven Dingen herausgekommen ist. Wir haben nämlich erkannt, dass wir auf diesem Weg so nicht weitermachen können.

Aber Sie kommen jetzt mit Ihrem Antrag zum Thema Homeoffice und mobiles Arbeiten unter dem Motto: „Digitalisierung first. Bedenken second“. Uns haben viele Sachverständige viele unterschiedliche Themen ins Stammbuch geschrieben, was man zu bedenken hat, wenn man sich auf einen guten Weg machen will. Aber Ihr Gesetzentwurf klärt mit keinem Wort die Frage: Worüber reden wir jetzt eigentlich – Telearbeit, Heimarbeit, Homeoffice? Das sind Begriffe, worüber wir erst einmal Klarheit bräuchten. Die haben Sie nicht geliefert.

(Stefan Müller (Heidenrod) (Freie Demokraten): Doch! Wir wollen mobiles Arbeiten! Genau das steht da drin! – Unruhe – Glockenzeichen)

Wollen Sie gute digitale Arbeit, die die Beschäftigten von zu Hause aus erledigen können? Oder sollen sie irgendwo mit dem Laptop auf dem Schoß zwischen Busbahnhof und Bahnstation arbeiten?

(Stefan Müller (Heidenrod) (Freie Demokraten): Genau!)

Das sind zwei unterschiedliche Bereiche. Als LINKE haben wir eine klare Haltung. Ein gutes Gesetz muss klar regeln, dass der Arbeitsschutz und auch die Arbeitszeitverordnung in der digitalen Welt selbstverständlich weiter fortgelten müssen.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe Freie Demokraten)

Es muss klar geregelt werden, wer für die Kosten der ITAusstattung, für die Endgeräte, für die Anschlüsse, für die Kosten des Arbeitsplatzes und vieles mehr Sorge zu tragen hat. Dies darf nicht einfach auf die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen abgewälzt werden.

(Beifall DIE LINKE – Stefan Müller (Heidenrod) (Freie Demokraten): Wer macht denn das? Das machen wir doch gar nicht!)

Aus Sicht der LINKEN muss klar geregelt werden: Was ist Arbeitszeit, und was ist Freizeit? Ständige Erreichbarkeit und Präsentismus schaden nicht nur dem Einzelnen; es ist doch jetzt schon so, dass die arbeitsbedingten psychischen Belastungen einer der Hauptgründe für Krankschreibungen und Berufsunfähigkeit sind. Schauen Sie sich einmal die Zahlen dazu an. Dazu haben Sie kein Wort gesagt.

Frau Hofmann ist eben noch auf einen wichtigen Punkt eingegangen, und zwar auf die Frage: Laufen wir eventuell auch auf eine digitale Spaltung der Gesellschaft zu – nicht nur in Jung und Alt, weil uns eventuell Fortbildungsangebote fehlen, sondern auch in Land und Stadt? Es ist schön, ein Angebot zu machen, das ich in Frankfurt, das ich in Kassel wahrnehmen kann. Aber das Land besteht aus mehr. Das Land Hessen besteht zu 60 % aus ländlichen Räumen. Dort fällt uns das Versagen der Hessischen Landesregierung im Bereich der Digitalisierung auf die Füße.

(Beifall DIE LINKE)

Weil wir gerade beim Stichwort Busbahnhof und Arbeiten in der Bahn sind, müssen wir natürlich auch die Frage stellen, wer die Verantwortung für den Datenschutz trägt. Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Aufgabenwahrnehmung sehr vertrauliche Daten an: Daten über höchst persönliche Lebensverhältnisse, über den Gesundheitszustand und – hören Sie zu, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP – selbst Steuerdaten sind dabei.

Für uns ist es schlichtweg unvorstellbar, dass diese Daten zu Open Data werden. Das muss ausgeschlossen werden. Deshalb muss klar geregelt werden, wo mit diesen Daten gearbeitet werden darf und wo eben nicht, damit Dritte keine Einsichtnahme in diese Daten haben. Diese sensiblen Daten müssen aus der Bahn und aus den Freibädern – das waren Ihre Beispiele in den Anhörungen – ausgeschlossen sein. Das spricht meiner Meinung nach gegen einen Begriff des mobilen Arbeitens, wie Sie es definiert haben, nämlich irgendwo zu irgendeiner Zeit. Da brauchen wir klare Regelungen.

(Beifall DIE LINKE)

All diese Themen sind sicherlich zu regeln, und da gibt es auch Beispiele für tragfähige Vereinbarungen. Diese Regelungen entstehen im Diskurs zwischen der Dienststelle und den Beschäftigten.

Meine Damen und Herren, dafür brauchen wir die betriebliche Mitbestimmung, dafür haben wir ein Hessisches Personalvertretungsgesetz. Ich bin völlig bei der Argumentation der Kollegin Hofmann: An dieser Stelle müssen wir natürlich ansetzen. Wir brauchen ein Hessisches Personalvertretungsgesetz, nach dem die Personalräte mit den Dienststellenleitungen auf Augenhöhe verhandeln können. Aber das, was hier unter Roland Koch passiert ist – die Schleifung der Mitbestimmungstatbestände –, fällt uns jetzt auf die Füße. Eine einvernehmliche, eine gute Regelung erzielt man auf Augenhöhe oder gar nicht.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Als LINKE fordern wir, dass im Rahmen einer solchen Diskussion für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Regelungen gelten, die sehr unterschiedliche Bereiche mit beinhalten. Das kann man nicht per Gesetz machen; man kann das in den Dienststellen regeln. Man kann schauen, wie weit man hier geht. Da spielt es natürlich auch eine Rolle, was für eine Dienststelle das ist. „One fits all“ passt an dieser Stelle einfach nicht. Wir brauchen klar festgelegt den Schutz der Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenrechte, der in vielen Bereichen selbstverständlich sein muss; denn sie sind hart erkämpft worden. Wir müssen aufpassen, dass es nicht zu einer Spaltung zwischen den Tarifbeschäftigten auf der einen Seite und den Beamtinnen und Beamten auf der anderen Seite kommt. Wir müssen darauf hinwirken, dass es eine tarifvertragliche Regelung gibt, die Rechte und Pflichten des mobilen Arbeitens gleichmäßig verteilt und klar definiert. Da reicht es nicht, nur ein paar Zeilen zu schreiben. All dieses bietet Ihr Gesetzentwurf beim besten Willen nicht; da machen Sie uns kein Angebot.

Deshalb kann ich für DIE LINKE nur sagen: Gut gewollt reicht in einem solchen Fall eben nicht aus. Gut gemacht haben Sie diesen Gesetzentwurf auf jeden Fall nicht. Ihren guten Willen erkennen wir an dieser Stelle an, aber eine Zustimmung ist an der Stelle leider nicht möglich. – Vielen Dank, dass Sie mir so aufmerksam zugehört haben.

(Beifall DIE LINKE)