Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Torsten Felstehausen zum Schutz von Einsatzkräften

Torsten FelstehausenInnenpolitik

In seiner 117. Plenarsitzung am 13. Oktober 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum Schutz von Einsatzkräften. Dazu die Rede unseres innenpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Der Beifall geht ja nicht von meiner Redezeit ab. –
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bereits zum dritten Mal debattieren wir in dieser Legislaturperiode auf Antrag der CDU über Gewalt gegen Einsatzkräfte.

(Zuruf CDU: Das ist leider nötig!)

Die letzte Debatte hatten wir gerade erst in der letzten Plenarrunde, und ich kann nur feststellen: Dieses reflexhafte Wiederholen des CDU-Lieblingsthemas kann nur bedeuten: Die CDU hat ihren Wahlkampf begonnen, und sie hat offensichtlich Angst vor einer Bundesinnenministerin aus Hessen.

(Lachen CDU – Zuruf CDU: Das ist unglaublich!)

Eigentlich ist es grotesk, dass sich die CDU ausgerechnet im Bereich der Sicherheitspolitik profilieren möchte, angesichts der nicht abreißenden Skandale, die wir in der letzten Zeit bei der hessischen Polizei hatten. Ich erinnere einmal an rechte Chatgruppen, an das Verschwinden von Waffen aus Asservatenkammern, an unverhältnismäßige Gewaltanwendungen, an Datenlecks und vieles mehr.

(Zuruf Freie Demokraten: Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zur Polizei? – Holger Bellino (CDU): Mann, Mann, Mann!)

Vizepräsidentin Karin Müller:

Ein bisschen mehr Ruhe für den Redner, bitte.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Vielen Dank. – Die hessische Polizei hat vor allem ein Problem auf der Führungsebene. Dort muss man tatsächlich ansetzen. Wenn Sie wollen, dass der hessischen Polizei mit mehr Respekt und Solidarität begegnet wird, dann muss Staatsminister Beuth den Laden endlich in den Griff bekommen und dafür sorgen, dass nicht permanent negative Schlagzeilen über die Polizei durch die Presse gehen. Führungskultur heißt eben nicht, dann, wenn Skandale aufgedeckt werden, sich wegzuducken. Meine Damen und Herren, natürlich muss man schauen, was die Ursache für Missstände bei der Polizei sind.

Neben vielem anderen ist es sicherlich auch der Frust im Job, der zu Fehlverhalten führt, Frust über mangelnde Wertschätzung in Form von Beleidigungen und körperlichen Angriffen. Da sagen wir sehr deutlich: Jeder einzelne Angriff und jede einzelne Beleidigung ist eins zu viel.

Frust produzieren aber auch die Überstunden, die verfassungswidrige Bezahlung, die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch das alles hat nichts mit Solidarität und Respekt gegenüber unseren Einsatzkräften zu tun.

(Beifall DIE LINKE)

Was bei den Pflegekräften gilt, gilt natürlich auch bei der hessischen Polizei: Klatschen alleine reicht nicht. Vernünftig wären bessere Arbeitsbedingungen statt Schutzschleifen. Das wäre wirklich solidarisch und respektvoll.

(Beifall DIE LINKE)

Kommen wir doch konkret zum Thema Schutz der Einsatzkräfte. In der letzten Legislaturperiode wurde auf Initiative Hessens auf Bundesebene das Strafrecht in diesem Bereich verschärft. Argumentiert wurde mit der abschreckenden Wirkung, die ein höherer Strafrahmen mit sich bringe. Jetzt wird beklagt, dass es wieder mehr Angriffe auf Einsatzkräfte gibt. Das heißt doch aber, dass diese Strafverschärfungen gar nichts gebracht haben oder die höheren Fallzahlen eben erst dadurch entstehen, dass wir Strafverschärfungen haben.

(Lachen Eva Goldbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Robert Lambrou (AfD): Ei, ei, ei!)

  • Ja, genau, ich habe auf die Reaktion gewartet, und deshalb möchte ich Ihnen ganz kurz erklären, was ich damit meine.

(Robert Lambrou (AfD): Das schaffen Sie nicht!)

  • Dass ich das bei Ihnen nicht schaffe, da bin ich mir sicher, aber da gebe ich mir auch keine Mühe.

Ich bin bekannterweise kein Freund von Steuerhinterziehern. Wenn Sie aber der Meinung sind, dass es zu viele Steuerhinterziehungen gibt, und als Reaktion darauf zur Abschreckung die Geringfügigkeitsschwelle absenken, dann dürfen Sie sich eben nicht wundern, wenn mehr Delikte angezeigt werden. Was passiert, wenn Sie jetzt mehr Steuerfahnder einstellen? Ja, es werden noch mehr Delikte festgestellt. Diesen Anstieg jetzt als Argument zu nutzen, die Strafbarkeit erneut zu verschärfen, wird doch nicht zu einem Rückgang führen.

(Holger Bellino (CDU): Ihr habt die Aktuelle Stunde nicht verstanden!)

Wenn Sie da noch einmal nachlesen wollen, googeln Sie bitte den Begriff „Lüchow-Dannenberg-Syndrom“. Es bezeichnet nämlich das Phänomen, dass eine Erhöhung der Repressionen eine Erhöhung der statistisch erfassten Vergehen und Verbrechen nach sich zieht.

(Alexander Bauer (CDU): Es geht nicht um die Statistik, sondern um Verletzungen!)

Meine Damen und Herren, Kriminologen kennen diesen Fakt. Was sagen wir also dazu? Statt immer weiter Strafverschärfungen zu fordern, wäre eine Analyse notwendig, ob die bisherigen Strafverschärfungen überhaupt den gewünschten Effekt erzielt haben.

(Zurufe CDU)

Vielleicht sind auch andere Wege zum Schutz von Einsatzkräften sinnvoller, die wir mit Vertreterinnen und Vertretern der Polizei diskutieren müssen, wie z. B. vermehrte Sozialarbeit in den Brennpunkten, die Legalisierung von Cannabis, die Entkriminalisierung von Schwarzfahren oder vielleicht auch mehr Polizei auf der Straße statt hinter Videomonitoren.

Vizepräsidentin Karin Müller:

Herr Abg. Felstehausen, vermehrte Redezeit ist jetzt aber nicht da.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Wunderbar, dann komme ich zum Ende, Frau Präsidentin.

(Unruhe)

Diese und andere Fragen können und müssen wir kriminalpolitisch und lösungsorientiert diskutieren. Die CDU betreibt Populismus auf dem Rücken der Einsatzkräfte.

(Lachen AfD – J. Michael Müller (Lahn-Dill)

(CDU): Ei, ei, ei!)

Solidarität und Respekt sehen anders aus, meine Damen und Herren. Googeln Sie es einfach einmal, lesen Sie es durch, und dann diskutieren wir. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Holger Bellino (CDU))