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Rede

Torsten Felstehausen zur Atommüllendlager-Suche

Torsten Felstehausen
Torsten FelstehausenUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 55. Plenarsitzung am 1. Oktober 2020 diskutierte der hessische Landtag über die Atommüllendlager-Suche. Dazu die Rede unseres umweltpolitischen Sprechers Torsten Felstehausen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!

Diese Rede zum Stand der Endlagersuche für Atommüll möchte ich Adi Lamke widmen. Adi war Gründungsmitglied der Bäuerlichen Notgemeinschaft in Gorleben. Ohne seinen klaren und sehr konsequenten Protest wäre Gorleben sicherlich schon ausgebaut worden, trotz aller bekannten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass es geologisch ungeeignet ist. Danke Adi, danke dem Widerstand in Gorleben.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

40 Jahre Widerstand gegen das Endlager in Gorleben zeigen aber auch, dass Widerstand erfolgreich sein kann, auch wenn alle Planfeststellungsbeschlüsse durch Gerichte bestätigt werden und Bestandskraft haben. Widerstand lohnt sich. Deshalb gehen von hier aus auch herzliche Grüße an den Danni.

(Beifall DIE LINKE)

– Danke schön. – Jetzt ist Gorleben vom Tisch, dafür gibt es nun einen ersten Aufschlag für mögliche Standorte. Die üblichen Verdächtigen – Mathias Wagner hat es gerade gesagt – rufen schon wieder: „Not in my backyard“. Das war zu erwarten. Sie waren gerne dabei, als es um Steuereinnahmen und Megawattstunden ging; aber jetzt, wo es um die Hinterlassenschaften geht, wird schnell klar: Es handelt sich um üble Zechpreller.

Aber auch der heutige Stand ist alles andere als ein Grund zum Jubeln. Wieder besteht die Gefahr, dass hinter verschlossenen Türen gedealt wird, wieder liegen nicht alle Daten offen, und wieder ist die Beteiligung der Öffentlichkeit nur mangelhaft. Um diesen Konflikt, der schon über 50 Jahre lang durch dieses Land geistert, gesellschaftlich zu befrieden, braucht es mehr als eine politische Entscheidung. Es braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens in der Bevölkerung. Dafür braucht es zuallererst vor allem Zeit; denn Druck führt zu Gegendruck, und damit wird Zeitdruck das entscheidende Moment für den Widerstand.

Es braucht umfassende Transparenz, d. h., alle entscheidungsrelevanten Informationen müssen öffentlich zugänglich gemacht werden. Es muss jederzeit die Möglichkeit der Kontrolle und der Überprüfbarkeit gegeben sein. Es braucht Mitwirkung mit klaren Rechten. Beteiligungsverfahren sind nur dann wirklich sinnvoll, wenn auf Augenhöhe sachorientiert verhandelt werden kann. Wer dagegen ohnmächtig ist, muss seinen Einfluss über den Protest auf der Straße oder auf der Schiene sichern.

Es braucht Mitwirkung an der Entwicklung des Suchverfahrens. Davon darf niemand ausgeschlossen werden, und alle, die mitwirken wollen, müssen dazu auch das Recht haben. Als Letztes braucht es Mitwirkung bei allen grundsätzlichen Weichenstellungen: Beteiligung von Anfang an. Diese Forderung wird durch die gebetsmühlenartige Wiederholung von Mitgliedern des Nationalen Begleitgremiums nicht besser. Es bleibt die zentrale Forderung: Die Beteiligung muss von Anfang an erfolgen. Wenn das nicht der Fall ist, wenn nicht alle einbezogen werden, wird diese Suche nicht erfolgreich sein.

(Beifall DIE LINKE)

Ich hoffe, dass unter diesen Bedingungen die Suche tatsächlich erfolgreich werden kann, dass sich niemand pauschal seiner Verantwortung entzieht und dass es tatsächlich noch ein Überdenken gibt, ob das jetzt gewählte Topdown-Verfahren wirklich zum Gelingen beitragen kann.

Aber ich möchte auch noch auf etwas anderes hinweisen, und ich weiß, dass das die GRÜNEN jetzt nicht gerne hören werden. Das, was vielleicht einmal in 30 oder in 50 Jahren irgendwo in der Republik eingelagert werden soll, rollt jetzt wieder auf Hessen zu: die Castoren aus Sellafield.

Um es klar zu sagen: Es ist unser Müll, und wir tragen die Verantwortung für die Rücknahme. Aber wir tragen eben auch die Verantwortung für die Sicherheit bei der Rücknahme. „Wir“, das ist in diesem Fall die Hessische Landesregierung, und hier gibt es erhebliche und berechtigte Zweifel.

Die jetzt zu liefernden Castor-HAW28M-Behälter dürfen nämlich nur – das ist eigentlich selbstverständlich – mit einem absolut dichten Primärdeckel transportiert werden. Im Falle einer nicht auszuschließenden Havarie besteht jedoch im Zwischenlager Biblis noch nicht einmal die theoretische Möglichkeit einer Reparatur. Für das Konzept einer Reparatur mit einem sogenannten Flügeldeckel fehlt jeder technische Nachweis. Vor allem gibt es keine sogenannte Heiße Zelle, in der ein Wechsel dieser Deckel möglich wäre.

(Beifall DIE LINKE und Stephan Grüger (SPD))

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Herr Felstehausen, kommen Sie bitte zum Schluss.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Ja, Herr Präsident, letzter Satz. – Voraussetzung für die Zwischenlagerung ist aber der Nachweis, dass nicht nur eingelagert, sondern eben auch wieder abtransportiert werden können muss. Hier hat es Frau Ministerin Hinz schlicht und ergreifend unterlassen, im Rahmen der Beteiligung am Genehmigungsverfahren die erforderlichen Vorkehrungen für den Einbau einer Heißen Zelle im Zwischenlager zu fordern und durchzusetzen.

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Bitte sagen Sie wirklich Ihren letzten Satz.

Torsten Felstehausen (DIE LINKE):

Ja. – Deshalb fordern wir den sofortigen Stopp der Einlagerung, bis diese Voraussetzungen erfüllt sind. Wir begrüßen den breiten gesellschaftlichen Protest gegen die Castor-Transporte nach Biblis. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)