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Rede

Ulrich Wilken: Einsatz- und Rettungskräfte schützen, aber nicht zum unberührbaren Staatssymbol machen

Ulrich WilkenJustiz- und Rechtspolitik

In seiner 84. Plenarsitzung am 30. September 2021 diskutierte der Hessische Landtag zur Aktuellen Stunde der CDU mit dem Titel „Null-Toleranz-Erlass – Wichtiges Signal für Einsatz und Rettungskräfte“. Dazu die Rede unseres rechtspolitischen Sprechers Ulrich Wilken.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nachdem jetzt zeitweise schon das ganz große Geschütz aufgefahren worden ist, möchte ich doch noch einmal einordnen, worum es geht.

Sie führen an: Angriffe gegen Polizeibeamtinnen und -beamte sowie gegen Rettungskräfte sollen verfolgt werden. – Ja, klar, aber das werden sie auch. Es geht an dieser Stelle um ein klein wenig etwas anderes. Es geht vielmehr darum: Falls die ermittelnde Staatsanwaltschaft zu dem Schluss kommt, dass es kein oder kein schwerwiegender Vorfall war, soll die Staatsanwaltschaft trotzdem mit dem ganzen Apparat weiter ermitteln; ja, sogar dann, wenn ein Gericht dafür plädiert, einzustellen, soll weiter verfolgt werden. – Ist das Ihr Verständnis von Rechtsstaat? Hier scheint mir, dass die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt kein Vertrauen in die Einschätzung der unabhängigen Gerichte in Hessen hat. Wir sollten doch davon ausgehen, dass es Staatsanwältinnen und Staatsanwälte einschätzen können, ob eine Tat beispielsweise geringfügig war oder ob mit Auflagen eingestellt werden kann. Das ist doch schlicht der Job dieser Behörde.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, was wir beobachten, ist, dass schon seit geraumer Zeit Verfahren, bei denen Polizistinnen und Polizisten Geschädigte sind, nicht mehr eingestellt werden.

(J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU): Gut so!)

Es ist also fraglich, ob überhaupt der Bedarf für eine solche Rundverfügung bestand.

Aus der Praxis ist uns bekannt, dass aktuell selbst bei versehentlichen Remplern von Beamtinnen und Beamten, beispielsweise auf Demonstrationen, ermittelt wird.

(Zurufe CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Rundverfügung bedeutet nun, dass quasi keine Möglichkeit mehr besteht, in diesen Fällen die Verfahren nach Prüfung durch die Staatsanwaltschaften einzustellen.

Das erinnert mich fatal an die Mindeststraferhöhung bei Angriffen auf Polizeibeamtinnen und -beamte. Herr Heinz, Sie haben den Zusammenhang in Ihrer Rede selbst dargestellt. Mit dieser Mindeststraferhöhung haben Sie eine Einschränkung des richterlichen Ermessensspielraums vorgenommen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlassen. Das ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, Sie erreichen mit dieser Rundverfügung wie mit Ihrem Schutzparagrafen, dass das Verständnis der Polizei in Richtung eines im wahrsten Sinne des Wortes unberührbaren Staatssymbols verschoben wird – ein Staatssymbol, dem der Bürger untertan zu sein hat. Das ist nicht gut, auch nicht für die Polizei.

(J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU): Ach du liebe Zeit!)

Geht man den von Ihnen begonnenen Weg weiter, kann es zu einer Kluft zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Polizei kommen, wie wir sie aus manch anderen Ländern in krasser Form kennen. Das wollen wir ausdrücklich nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Ich hatte die Frau Ministerin nach ihrer Presseerklärung um Übersendung dieser Rundverfügung gebeten. Sie hat geantwortet, dass diese prinzipiell nicht veröffentlicht werden. Gut, dass das jetzt korrigiert ist. Ich finde es richtig, dass die Rundverfügung nun veröffentlicht wurde. Schreiben dieser Art betreffen die Bevölkerung und sollten ihr deshalb auch bekannt sein. Ich bitte deshalb darum, zu prüfen, ob nicht bei jeglichen Rundverfügungen ein öffentliches Interesse besteht und sie deshalb wenigstens uns Abgeordneten bekannt gemacht werden können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)