Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Ulrich Wilken in der Debatte zum Europäischen Rechtssystem

Ulrich WilkenEuropaJustiz- und Rechtspolitik

In seiner 81. Plenarsitzung am 8. Juli 2021 diskutierte der Hessische Landtag auf Antrag der AfD über die Rolle des Bundesverfassungsgerichts im europäischen Rechtssystem. Dazu die Rede unseres rechtspolitischen Sprechers Ulrich Wilken.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Da haben die Herren von der AfD wieder ein beliebtes Thema gefunden, um ihr nationalistisches Süppchen zu kochen und so ganz nebenbei unsere demokratischen Institutionen lächerlich zu machen und zu schwächen. Unsere Kompetenz als hessischer Gesetzgeber ist bei diesem Thema allerdings übersichtlich, sprich: nicht vorhanden. Aber wir sind dennoch diskussionsbereit und, wie immer, diskussionsfreudig.

Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend eine Demokratisierung der EU und der EU-Institutionen. Diese Auseinandersetzung müssen wir politisch im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern führen, aber nicht über diese oder jene Bundesverfassungsgerichtsentscheidung.

(Beifall DIE LINKE)

Auch wir haben durchaus Kritik an der EZB-Politik, auch ganz konkret an dem PSPP-Anleihekaufprogramm, allerdings nicht, weil wir Anleihekäufe prinzipiell ablehnen – nein, Anleihekäufe gehören zum Instrument der Geldpolitik von Zentralbanken –, sondern weil das PSPP an Auflagen der Finanzhilfeprogramme des Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, und des Internationalen Währungsfonds, IWF, geknüpft wurde. Diese Auflagen beinhalten jene Kürzungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Renten und Löhne, die in viel zu vielen Volkswirtschaften für die Krisen und deren desaströse Auswirkungen für die Menschen verantwortlich sind.

(Beifall DIE LINKE)

Zu der Facette „Vertragsverletzungsverfahren“ will ich hier gar nicht mehr Stellung nehmen. Dazu wurde alles gesagt. Das muss ich nicht wiederholen. Aber ich will noch einen Gedanken zum politischen Umgang mit der Rechtsprechung bzw. dem Umgang der Rechtsprechung mit einer sich ändernden Welt anführen. Wir wissen alle, dass bei aller Bindung an Gesetzesrecht Gerichte durchaus in veränderten gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen zu veränderten Urteilen kommen. Das mag uns nicht immer passen, aber es ist aus gutem Grunde so. In diesem konkreten Fall ist es also einfach Unsinn, dass es der EZB laut Verträgen verwehrt sei, diese Staatsfinanzierung zu ermöglichen. Auch in dieser Facette müssen EU-Verträge verändert werden. Sie müssen viel mehr demokratische Entscheidungen ermöglichen; und sie müssen es der EZB offiziell ermöglichen, ihren Job zu tun. Und sie müssen uns ermöglichen, die demokratische Kontrolle über die Institutionen der EU, inklusive der EZB, deutlich zu verbessern.

(Beifall DIE LINKE)

Denn Unabhängigkeit, wie bei der EZB, heißt nicht, auf jedwede demokratische Kontrolle zu verzichten.

(Beifall DIE LINKE)

So, meine Damen und Herren, jetzt habe ich einen unsinnigen Antrag dazu genutzt, ein paar sinnvolle Dinge zu sagen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)