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Rede

Ulrich Wilken - Schwarzgrün will absurde Änderungen der Vollzugsgesetze durchziehen

Ulrich Wilken
Ulrich WilkenJustiz- und Rechtspolitik

In seiner 58. Plenarsitzung am 11. November 2020 diskutierte der Hessische Landtag über Änderungen der Justiz-Vollzugsgesetzes. Dazu die Rede unseres rechtspolitischen Sprechers Ulrich Wilken.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Ich mache da weiter, wo mein Vorredner aufgehört hat. Herr Serke, Sie haben auch aus meiner Sicht richtig dargestellt, dass Stärken dieses Artikelgesetzes gelobt worden sind. Das wird aber selbstverständlich ad absurdum geführt, wenn Sie diese Umsetzung der Stärken kostenneutral gestalten wollen; denn kostenneutral wird es nicht funktionieren, mehr Kurse anzubieten und mehr Personal für Besuchszeiten bereitzuhalten. Das kostet Geld oder alternativ Nerven und Belastung der Bediensteten. Das haben Sie hier verschwiegen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben, wie immer oder wie so häufig mit den Artikelgesetzen, das Problem, dass wir durchaus einzelne Maßnahmen, die vorgeschlagen sind, mittragen könnten und auch gerne würden; aber da das Artikelgesetz einmal wieder so viele unterschiedliche Bereiche umfasst, ist es schwierig, eine Abwägung vorzunehmen und zu sagen: Also, das geht nun gerade mal gar nicht, bzw. das ist gut. – Daher stelle ich zum wiederholten Mal den Sinn solcher Artikelgesetze infrage.

Ich will zwei größere Anmerkungen zu Bereichen machen, von denen wir sagen, dass sie inakzeptabel sind.

Der erste Bereich: Wir ermöglichen Besuche per Videotelefonie. Ich habe nicht den Eindruck gehabt, dass wir die Gefahr sehen, dass Videotelefonie reale Besuche irgendwann ersetzen soll. Wir haben eher das Problem, dass wir im 20. Jahr des 21. Jahrhunderts diese Videotelefonie nur in den Besuchsräumen zulassen und deswegen die Videotelefonie auf die normalen Besuchszeiten angerechnet werden muss. Das ist nun wirklich kein Fortschritt.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf die Bodycams. Die Bediensteten haben ganz klar gesagt: Das wollen wir nicht. Das werden wir auch boykottieren. – Das muss gegen deren Willen durchgedrückt werden. Die Bediensteten wie auch die Datenschützer haben grundsätzlich darauf hingewiesen, dass es im Gegensatz zum Einsatz der Bodycams bei der Polizei um den Einsatz in privaten Räumen geht. Bei der Polizei ist deren Einsatz in privaten Räumen ausdrücklich ausgeschlossen. Da hilft dann auch der Hinweis, dass es nur um ein Modellprojekt gehe, nicht weiter. Grundrechtsverletzungen sind auch in einem Modellprojekt nicht zu tolerieren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Werte Justizministerin, da mir von Ihnen oder auch in diesem Haus nicht immer unbedingt geglaubt wird, wenn ich Einschätzungen vortrage, möchte ich mich ausdrücklich der Einschätzung des Hessischen Richterbundes anschließen, der Ihnen in der Anhörung bezüglich der Bodycams zu Protokoll gegeben hat:

… fehlt es im Gesetzentwurf an einer hinreichenden Erörterung der vollzugsfachlichen Grundbedingung, dass ein konkretes Einsatzbedürfnis gegeben ist … (Heike Hofmann (Weiterstadt) (SPD): Hört, hört!)

Das ist eine Versenkung ersten Grades. Der schließen wir uns an und werden den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)