Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Ulrich Wilken zur Änderung des Landtagswahlgesetzes

Ulrich Wilken
Ulrich WilkenRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 54. Plenarsitzung am 30. September 2020 diskutierte der Hessische Landtag über eine Änderung des Landtagswahlgesetzes. Dazu die Rede unseres rechtspolitischen Sprechers Ulrich Wilken.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die Freien Demokraten haben ein Problem. Sie sagen, das Parlament sei zu groß, zu teuer und nicht arbeitsfähig. Ich sage einmal: Wenn ich mich ein Jahr zurückerinnere, habe ich die frisch gewählten Kolleginnen und Kollegen, die in der letzten Reihe gesessen haben, um ihre beengte Arbeitsfähigkeit nicht beneidet. – Aber das Problem haben wir gelöst.

Die FDP sagt, die Ausschüsse seien zu groß und es dauere alles viel länger. – Da verwechseln Sie, glaube ich, zwei Änderungszustände, die wir in diesem 20. Landtag haben. Dass alles viel länger dauert, liegt daran, dass wir eine Fraktion mehr haben. Ich arbeite gern mit an dem Problem, dass wir diese irgendwann nicht mehr haben werden. Da bin ich wieder bei Ihnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Robert Lambrou (AfD): Also sind wir wieder schuld, mal wieder!)

– Nein, ich weise die Schuld jemand ganz anderem zu. Jetzt bleiben wir einmal ganz locker.

Ich bin auch sehr froh, dass es der Direktor des Landtags mit seiner Frau- und Mannschaft geschafft hat, dass wir hier auch mit einer höheren Zahl von Abgeordneten arbeiten können. Dafür noch einmal vielen Dank. Das ist relativ zügig gegangen. Die Ursache, dass wir diese Überhangund Ausgleichsmandate haben, ist die CDU. Ich werde Ihnen nicht helfen, mehr Prozentpunkte über die Liste zu erreichen, aber ich arbeite gern daran mit, dass Sie weniger Direktmandate gewinnen, weil das eine Lösung wäre, bei der ich gern mitgehen würde, um hier wieder zu einer Gleichheit von direkt und über Listen gewählten Abgeordneten zu kommen.

(Beifall DIE LINKE – Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten): Wie kriegen wir das ins Gesetz?)

Jetzt kommen wir zu dem Lösungsvorschlag, den ich habe, Herr Hahn. Es geht doch darum, dass wir als gewählte Abgeordnete, egal, ob direkt oder über die Liste gewählt, nicht nur Volksvertreter sind, sondern den Kontakt, einen unmittelbaren Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern haben müssen, damit wir eine Politik machen, die nicht abgehoben ist, sondern eine echte Volksvertretung ist. Ich glaube daher, dass Ihr Gesetzesvorschlag kontraproduktiv ist, da man nämlich den direkten Kontakt verringern würde.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich weiß nicht, ob Sie es eben gehört haben, Herr Hahn, doch Ihrem letzten Satz habe ich ausdrücklich zugestimmt. Über Ihren Gesetzentwurf rede ich noch. Zu dem anderen werde ich nichts sagen, weil er eindeutig verfassungswidrig ist. Darüber, was Sie vorschlagen, können wir uns hier unterhalten.

Worum geht es denn, wenn wir über das Wahlrecht reden? Wir müssen sicherstellen, jetzt, da wir der Gesetzgeber sind – das gilt für den Bund und die Länder gleichermaßen –, dass wir die Repräsentanz der Bevölkerung sind. Daher sehe ich in unserem Wahlrecht ganz andere Baustellen, wo wir uns Gedanken machen müssen. Da mache ich mir Gedanken darüber, wie wir die Repräsentanz von Frauen in unseren Parlamenten erhöhen. Da mache ich mir Gedanken über eine Herabsetzung des Wahlalters. Und da mache ich mir Gedanken, wie wir es möglich machen – wie in anderen Nationen schon länger üblich –, dass alle Menschen, die hier leben, die ihren Lebensmittelpunkt hier haben, auch in den Parlamenten repräsentiert sind.

(Zuruf)

– Ich rede über das Wahlrecht; das ist noch die Frage. – Wenn wir über das Wahlrecht derjenigen reden, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, aber ohne deutschen Pass sind, reden wir selbstverständlich über Grundgesetzänderungen, das ist mir auch klar.

Ich will Ihnen nur noch einmal vor Augen führen: Wenn wir über das Wahlrecht reden, muss im Kern stehen, dass wir eine Repräsentanz der gesamten Bevölkerung darstellen. Alles, was diese Repräsentanz schwächt – zu diesem Schluss komme ich bei dem Gesetzentwurf der FDP –, ist kontraproduktiv. Auch wenn mir die Mehrheitsverhältnisse in diesem Haus seit geraumer Zeit nicht passen – eigentlich haben Sie mir noch nie gepasst –, bin ich trotzdem aufgerufen, die Akzeptanz von politischen Entscheidungen in diesem Land mit zu verteidigen.

Alle Vorschläge, die in diese Richtung gehen, diskutiere ich gerne mit. Der Vorschlag der FDP ist kontraproduktiv. Wenn wir Geld sparen wollen, streichen wir als Haushaltsgesetzgeber ein paar Hochglanzbroschüren der Landesregierung aus ihrem Werbeetat. Dann haben wir das Geld auch eingespart. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Freie Demokraten)