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Reden

Elisabeth Kula - Corona-Maßnahmen reichen nicht aus, soliarischer Lockdown jetzt!

Elisabeth KulaCoronaGesundheit

In der 92. Plenarsitzung des hessischen Landtags am 14. Dezember 2021 kündigte Ministerpräsident Volker Bouffier neue Corona-Maßnahmen an. Unsere Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kula reagierte darauf.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst zu meinem Vorredner von der Rechtsaußenfraktion hier im Landtag.

(Volker Richter (AfD): Das sagt DIE LINKE!)

Sie können mit Ihrem Gejammer nicht davon ablenken, dass es Ihre Kumpels in Sachsen sind, die mit Fackeln vor den Häusern von Politikern stehen, um sie zu bedrohen. Ihr Gejammer ist doppelzüngig.

(Beifall DIE LINKE, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Freie Demokraten – Zurufe AfD)

Herr Ministerpräsident Bouffier, vielen Dank für die Informationen über die Anpassung der Corona-Verordnung. Aber ich will an dieser Stelle für meine Fraktion auch noch einmal klipp und klar sagen: Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung gehören hier ins Parlament. Und wir diskutieren sie, bevor sie zur Verordnung werden, und nicht erst danach.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist zumindest unsere Position, wie wir mit der Pandemie umgehen sollten.

Herr Bouffier, in der letzten Woche haben Sie hier eine Regierungserklärung zur Corona-Politik gehalten, und die Fraktionen haben darauf geantwortet. Leider scheinen Sie dennoch den Ernst der aktuellen Lage nicht ganz durchdrungen zu haben. Das haben Ihre Ausführungen leider auch gerade eben noch einmal dargelegt.

Ja, aktuell gehen die Inzidenzen leicht zurück, aber die Todesfälle nehmen weiter zu. Im Wochenvergleich hat sich die Zahl der Menschen, die an oder mit dem Virus verstorben sind, damit um 23 % erhöht. Auch die sinkenden Inzidenzen an sich sind leider trügerisch. Reinhold Förster von der Medizinischen Hochschule Hannover wies im WDRFernsehen jüngst darauf hin, dass es zu einer erheblichen Untererhebung der tatsächlichen Fallzahlen komme. Das heißt übersetzt, dass die Testkapazitäten einfach nicht reichen und ausgereizt sind, und ganz viele Corona-Fälle einfach nicht mehr entdeckt und registriert werden können. Die Labore sind schlichtweg überlastet. Da hätte man doch in den vergangenen zwei Jahren der Pandemie dringend aufrüsten müssen. Stattdessen hat man aber noch im Sommer Testkapazitäten abgebaut. Welch ein Desaster, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Die Lage bleibt also dramatisch, und jetzt kommt mit Omikron auch noch eine besorgniserregende Mutation dazu. Sie droht zu einem wirklich großen Problem zu werden. Omikron hat eine deutlich bessere Immunflucht, ist also auch für geimpfte Personen gefährlicher als noch die Delta-Variante. In Südafrika und in England zeigt sich alle vier Tage eine Verdopplung der Omikron-Fälle. Alle vier Tage – das ist wirklich erschreckend, insbesondere weil sich damit auch deutlich mehr Kinder infizieren, da diese Variante einfach viel ansteckender ist. Expertinnen und Experten rechnen damit, dass Omikron Mitte Januar die vorherrschende Variante in Deutschland sein wird. Und nein, bis dahin können wir nicht einfach so tun, als gäbe es Omikron nicht, wie es diese Landesregierung leider aktuell tut. Ich sage Ihnen das Gleiche wie in der letzten Woche: Weitere Einschränkungen für Ungeimpfte, eine Hotspot-Strategie – das alles wird nicht ausreichen, um die vierte Welle zu brechen und unser Gesundheitssystem zu entlasten.

Einige Ihrer Maßnahmen zielen auch auf die Schwächsten in dieser Gesellschaft. Ob ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum auch für die ganz beliebten Weihnachtsmärkte gelten soll oder eben nur für Menschen, die sich kommerzielle Angebote nicht leisten können und sich am Rande der Innenstädte aufhalten, liegt jetzt in der Hand der Kommunen. Was soll das denn zur Pandemiebekämpfung beitragen? Bei frostigen Temperaturen halten sich doch außerhalb der Weihnachtsmärkte kaum Menschen in größeren Gruppen auf, um Alkohol zu konsumieren. Solche Maßnahmen sind viel mehr ein Treten nach unten als wirksame Pandemiebekämpfung.

(Beifall DIE LINKE)

Stattdessen müssen endlich alle Großveranstaltungen abgesagt werden, ja, auch Weihnachtsmärkte und die Ansammlungen auf den Tribünen von Fußballstadien. Es kann doch niemandem vermittelt werden, dass Angebote der Kinderund Jugendverbände abgesagt werden müssen, aber gleichzeitig Tausende gemeinsam feiern und trinken.

Dort, wo Menschen dennoch zusammenkommen, muss es verpflichtende Tests für alle geben. Es ist doch das vollkommen falsche Signal, jetzt die Menschen mit einer Auffrischungsimpfung von den Tests auszunehmen. Wir brauchen noch einen Überblick über das Pandemiegeschehen, gerade wenn es um die Verbreitung von Omikron geht.

Außerdem mangelt es doch gerade nicht am Willen der bereits vollständig Geimpften, sich jetzt boostern zu lassen. Viele versuchen seit Wochen, einen Booster-Termin zu bekommen, oder sie stehen in langen Schlangen vor den Impfgelegenheiten. Nein, was es jetzt braucht, ist ein Ausbau der Impfangebote im Land, viel mehr mobile Impfteams, niedrigschwellige Angebote und zielgruppenspezifische Ansprachen, um Menschen für die Erstimpfung zu gewinnen.

(Beifall DIE LINKE und Lisa Gnadl (SPD))

Andere Bundesländer reagieren jetzt auch schon auf Omikron. In NRW ist jetzt schon, vier Wochen nach der Zweitimpfung, die Auffrischungsimpfung möglich. Diese schützt nämlich laut aktueller Datenlage gut vor der Omikron-Variante. Warum ist das hier nicht möglich? Wahrscheinlich, weil die hessische Landesregierung es nicht schafft, eine ordentliche Impfinfrastruktur für die Auffrischungsimpfung hinzubekommen. Es ist doch ein politisches Desaster, dass die Impfzentren geschlossen wurden und man jetzt alles mühsam wieder aufbauen muss, meine Damen und Herren. Herr Bouffier, es sei Ihnen auch noch einmal mit auf den Weg gegeben: DIE LINKE hat immer die Schließung der Impfzentren kritisiert und dies als Sparen an der falschen Stelle zurückgewiesen. Leider haben wir recht behalten.

Statt undurchsichtiges Maßnahmen-Bingo brauchen wir endlich klare und einheitliche Regeln. Viele Menschen sehnen sich doch gerade nach einem beherzten Vorgehen, um eine Perspektive für das Frühjahr zu haben. Wenn wir uns so weiter durchdümpeln, kommen wir auch in zwei Jahren nicht aus dieser Pandemie heraus. Wir müssen jetzt die Reißleine ziehen und einen solidarischen Lockdown für alle, leider auch für Geimpfte, durchsetzen. Wir müssen jetzt herunterfahren; wir müssen Schulen und Kitas mit Luftfiltern, Masken und Tests ausstatten, um sie offen zu lassen. Wir müssen betroffene Branchen mit Schutzschirm sichern und die sogenannten systemrelevanten Berufe endlich finanziell und gesamtgesellschaftlich aufwerten.

Daneben gibt es aber auch Maßnahmen, die Sie umsetzen könnten. Die haben Sie aber einfach noch nicht ergriffen, was ich nicht ganz verstehe. Fangen wir einmal mit einem Punkt an, der mich wirklich fassungslos macht: Warum wird in Hessen immer noch nicht flächendeckend in den Kitas getestet?

(Beifall DIE LINKE)

In vielen anderen Bundesländern sind PCR- und LolliTests Standard. Nur bei uns stellt das Land das ins Ermessen der Kommunen. Können Sie mir einmal erklären, warum? Ich habe dazu noch keine gute Erklärung gefunden. Wir haben in dieser Altersgruppe überdurchschnittliche Inzidenzen. Und das ist die einzige Altersgruppe, die nicht geimpft werden kann. Trotzdem sitzen in Kitas und Schulen bis zu 20 Kinder in einem Raum ohne luftreinigungstechnische Anlagen. Finanzieren Sie doch jetzt endlich unbürokratisch flächendeckende Luftfilter in Schulen und Kitas, und sorgen Sie auch dafür, dass sie ankommen und eingesetzt werden. So schwer kann das doch nicht sein.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Und wenn Sie gerade bei der Bestellung von Luftfiltern sind, Herr Klose, dann bestellen Sie doch gleich noch ein paar Luftfilter für Gemeinschaftsräume und Aufenthaltsräume in Pflegeeinrichtungen mit. Es kann doch nicht sein, dass die nicht schon längst angeschafft wurden.

Ich finde, all diese Punkte liegen doch auf der Hand. Sie hätten von Ihnen schon früher angegangen werden können, sogar müssen. Aber handeln Sie wenigstens jetzt, damit nicht der Jahreswechsel zu einem tragischen Höhepunkt für die vierte Welle wird. – Vielen Dank.