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Reden

Jan Schalauske zum Hessischen Corona-Hilfegesetz

Jan Schalauske
CoronaJan SchalauskeHaushalt und FinanzenWirtschaft und Arbeit

In seiner 39. Plenarsitzung am 6. Mai diskutierte der Hessische Landtag über die finanziellen Hilfen für Unternehmen in der Corona-Krise. Dazu die Rede unseres finanzpolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Vielen Dank im Übrigen auch an die Kolleginnen und Kollegen, die immer das Pult sauber machen. Ich finde, die haben auch ein großes Dankeschön verdient.

(Allgemeiner Beifall)

Ich finde, da kann man ruhig klatschen, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind.

Der Gesetzentwurf der FDP ist von einigen Rednerinnen und Rednern schon diskutiert worden. Die FDP wünscht sich weitere Soforthilfen für Unternehmen und auch für Selbstständige, insbesondere für diejenigen, denen durch notwendige staatliche Maßnahmen zum Gesundheitsschutz finanzielle und materielle Schäden entstanden sind.

Natürlich ist das richtig – wir haben das heute Morgen schon beim aktuellen Setzpunkt der GRÜNEN diskutiert –: In der Krise trifft es einige Bereiche besonders hart. Auch hier sind Solidarität und Unterstützung gefragt. So weit zu den Gemeinsamkeiten.

Es gibt einen Punkt, den die FDP in ihrem Gesetzentwurf behandelt, der uns auch sehr umtreibt und in dem wir auch eine gravierende Schieflage sehen. Das ist die Lage der Solo-Selbstständigen und der kleinen Unternehmen. Im Moment fallen nämlich gerade diejenigen durch das Raster, denen zwar massiv Aufträge entgehen, für die das aber vor allem einen Verlust von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit bedeutet. Wir haben das Problem, dass Lebenshaltungskosten nicht berücksichtigt werden. Deswegen sind wir, gerade was die Situation von Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmen betrifft, mit dem Vorschlag einverstanden. Natürlich wird der Vorschlag noch detaillierter im Ausschuss zu beraten sein.

Wir sehen im Grundsatz aber ein Problem, das bisher weder Bund noch Land berücksichtigt haben. So verlief dann auch die Debatte heute Morgen. Sowohl die Große Koalition im Bund als auch Schwarz-Grün in Hessen verweisen die Betroffenen sofort auf die Grundsicherung. Wer als Selbstständiger kein Unternehmen hat, das unmittelbare Zahlungspflichten nicht erfüllen kann, steht damit also ziemlich im Regen. Wenn es hart auf hart kommt, dann bleibt am Ende nichts anderes als der Weg ins Hartz-IVSystem, und das finden wir sehr ungerecht. Wir finden, das muss geändert werden.

(Beifall DIE LINKE)

Dabei reicht es nicht, die Verantwortlichkeiten ständig hinund herzuspielen. Wenn die Bundesregierung in dem Bereich nicht zu Nachbesserungen bereit ist, was wir bedauern würden, dann sehen wir das Land in der Verantwortung,

(Zuruf Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten)) selbst und eigenständig tätig zu werden. Das Land muss insbesondere für Solo-Selbstständige, aber auch für kleine Unternehmen mehr tun. Gleichzeitig haben wir – ich will es zu fortgeschrittener Zeit etwas diplomatischer und freundlicher formulieren – Beratungsbedarf, was den Aspekt der größeren Unternehmen angeht, die die FDP jetzt auch mit zusätzlichem Geld beglücken will.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Das ist doch zu wenig, hat der Herr Kaufmann gesagt!)

Natürlich kann man feststellen, dass hier Notwendigkeiten bestehen und der Staat Hilfe leisten kann. Ob die Hilfen von maximal 50.000 €, die Sie vorsehen, bei Unternehmen mit bis zu 200 Beschäftigten allerdings überhaupt mehr als einen ganz minimalen Effekt bewirken würden, wage ich schon sehr bezweifeln. Da muss ich ausnahmsweise den Überlegungen des Kollegen Kaufmann recht geben.

Ich glaube, da ist der Wunsch der FDP, ein bisschen für die eigene Klientel, die eigenen Leute zu tun, ein wenig mit ihnen durchgegangen. In diesem Bereich werden die genannten Summen nicht reichen, um eine wirkliche, substanzielle Hilfe für diese Unternehmen darzustellen. Aus meiner und unserer Sicht sind bei größeren Unternehmen Bürgschaften, Darlehen und durchaus auch – jetzt kommt vielleicht ein Aufschrei, wobei wir dabei auch zu den Bedingungen kommen – staatliche Beteiligung das geeignetere Mittel.

Dazu hat der Bund auch ein großes Bürgschaftsprogramm auf den Weg gebracht und das Land auch. Ich glaube, wir haben gemeinsam einen Bürgschaftsrahmen von 5 Milliarden € beschlossen. Man kann und sollte die Unternehmen auch auf diese Mittel verweisen. Immerhin muss man auch davon ausgehen, dass viele Unternehmen, die jetzt akut in die Krise geraten sind, in den letzten Jahren durchaus auch gewisse Erträge hatten und Rücklagen bilden konnten. Ich finde, bei dem Vorschlag der FDP besteht die Gefahr, dass nun denjenigen geholfen werden soll – wobei die Hilfe dann auch nicht so groß wäre –, die sich vielleicht auch selbst helfen können.

Ich finde es in dem Zusammenhang, weil das in Ihrem Gesetzentwurf leider nicht vorkommt, wichtig, zu betonen: Es gibt eine riesige Schieflage, wenn in diesem Land Gelder fließen. So gibt es Großkonzerne wie die Lufthansa, denen locker 10 Milliarden € versprochen werden. Der Staat verspricht Milliarden und verzichtet großzügig auf jegliche Mitsprache. Wenn es um diese Unternehmen geht, sitzt das Geld locker, die anderen müssen wiederum in die Röhre gucken. Das ist ziemlich ungerecht. Das darf nicht sein.

(Beifall DIE LINKE)

Um ein anderes Beispiel zu nennen: Wenn der Automobilindustrie Milliarden Euro in Aussicht gestellt werden, obwohl sie die Leute über Jahre systematisch beschissen hat, obwohl sie sich unwillig zeigt, sozial-ökologisch umzusteuern, und sich dann weiterhin damit brüstet, dass sie fette Dividenden auszahlt und Tochterunternehmen in Steueroasen hat, dann kann auch ich jeden Mittelständler verstehen, der ordentlich seine Steuern zahlt und sich dann fragt, ob in diesem Land alles richtig läuft. Über diese Schieflage finden wir leider überhaupt nichts in Ihrem Gesetzentwurf, und das ist ein ziemliches Problem.

(Beifall DIE LINKE)

Was mir in der heutigen Debatte fehlt und was überhaupt viel zu kurz kommt, betrifft die Frage, was das eigentlich für Menschen bedeutet, die ihren Arbeitsplatz verlieren werden, die durch den Verlust von Einkommen in Arbeitslosigkeit, in Grundsicherung, in Hartz IV landen werden und die dann von – wie wir es nennen – Armut per Gesetz betroffen sind.

Es ist richtig, dass wir uns darüber unterhalten, wie man möglichst viele Jobs retten kann. Da sehen wir auch noch Nachbesserungspotenzial. Denken wir an das Kurzarbeitergeld und daran, dass das sofort auf 90 % erhöht werden muss; denn wenn man in einem prekären Arbeitsverhältnis steckt, reicht die jetzige Kurzarbeiterregelung nicht zum Leben. Es ist zu befürchten, dass viele Menschen ihre Arbeit verlieren werden. Das ist weder selbst verschuldet noch ein hinzunehmendes Schicksal. Ich finde, für die, für die es keine staatlichen Hilfen gibt, oder bei denen, bei denen sie nicht ausreichen werden, müssen wir auf mittlere Sicht Einkommen sichern. Wir müssen ein menschenwürdiges Leben sichern. Wir müssen die Menschen von amtlicher Gängelung und von Armut befreien.

(Beifall DIE LINKE)

Wer also heute großzügig Milliarden bereitstellt, um Konzerne zu retten, die teilweise fette Dividenden gezahlt haben, der kann nicht allen Ernstes Selbstständige und Arbeitnehmer in die Armut schicken. Deswegen müssen wir in dieser Krise auch über Hartz IV und darüber reden, wie wir das überwinden können und wie wir am Ende die Menschen und nicht die Konzerne retten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wenn Sie hier großzügig Steuergeld verteilen wollen, dann müssen Sie auch die Frage beantworten, wer das am Ende bezahlen soll.

(Zuruf Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Da unsere Vorschläge für eine gerechte Verteilung der Lasten bei Ihnen normalerweise nur humoristische Wallungen auslösen, haben Sie auch da ein Glaubwürdigkeitsproblem.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe)