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Reden

Jan Schalauske - Schutz vor Corona braucht ein Zuhause!

Jan Schalauske
Jan SchalauskeCorona

In seiner 62. Plenarwoche am 10. Dezember diskutierte der Hessische Landtag auf unseren Antrag hin über Soforthilfeprogramm für sicheres Wohnen in der Pandemie. Dazu die zweite Rede unseres wohnungspolitischen Sprechers jan Schalauske.

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Die CoronaPandemie wirkt wie ein Brennglas. Sie macht gesellschaftliche Missstände, die es schon lange vorher gab, sichtbar, und vor allem verschärft sie diese noch weiter. Das gilt insbesondere auch für das Themenfeld Mieten und Wohnen, bei dem wir schon seit Jahren eine massive Krise erleben.

Die Situation hat sich durch die Corona-Pandemie aber noch einmal massiv verschärft. Während die Investoren in der Immobilienwirtschaft weiterhin ihre Profite erwirtschaften – hier kann man eigentlich nicht von einer Krise sprechen –, stehen viele Mieter und Hauseigentümer mit dem Rücken zur Wand. Wer seine Miete oder seinen Kredit schon vorher kaum bezahlen konnte, wer jetzt in Kurzarbeit kommt, seinen Job verliert oder als Selbstständiger Einkommenseinbußen erleidet, der bekommt große Probleme. Es drohen Versorgungssperren, Miet- und Kreditschulden, im schlimmsten Fall droht sogar die Zwangsräumung oder auch der Wohnungsverlust – und das alles inmitten der Corona-Pandemie und ihrer dramatischen Folgen. Meine Damen und Herren, das darf doch nicht sein: Die Lasten der Krise dürfen nicht auch noch den Mietern aufgebürdet werden.

(Beifall DIE LINKE)

Vor dem Szenario, das ich jetzt beschreibe, haben Mietervereine, Initiativen, Sozialverbände und Gewerkschaften – im Übrigen auch unsere Fraktion – bereits seit dem Frühjahr gewarnt. Jetzt gibt es viele Anzeichen, dass genau dieses Szenario eintritt. Das Frankfurter Wohnungsamt berichtet von einer „Antragsflut auf Wohngeld“. Der Mieterbund stellt einen gestiegenen Beratungsbedarf fest. Insgesamt rechnet der Mieterbund für das Frühjahr mit einer Zunahme von Wohnungskündigungen um 15 %. Auch die Mieterinitiativen, mit denen wir Kontakte haben und den Kontakt pflegen, berichten davon, dass sich sehr viele Mieter große Sorgen machen.

Aber nehmen Sie eine andere Umfrage, nämlich die vom Eigentümerverband Haus & Grund, wahrlich unverdächtig, besonders linke Positionen zu vertreten. Dort haben zwar knapp 75 % der teilnehmenden Mieter gesagt, über ausreichend Einkommen und Rücklagen zu verfügen, aber im Umkehrschluss scheint es für ein Viertel der Mieter eng zu werden. 7 % gaben in dieser Umfrage sogar an, schon in konkreten Schwierigkeiten zu stecken. Würde man diese Zahlen auf alle hessischen Haushalte hochrechnen, dann wären es fast 120.000 Haushalte. Das sind doch wirklich bedrohliche Zahlen bei der Mietsituation, und diese bedrohlichen Zahlen dürfen wir nicht ignorieren.

(Beifall DIE LINKE und Nadine Gersberg (SPD) – Unruhe)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Einen Augenblick, Herr Schalauske. – Meine Damen und Herren, es ist sehr unruhig im Saal. Ich bitte, notwendige Gespräche nach draußen zu verlagern.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich gehe davon aus, dass wir uns einig sind, dass die Probleme im Laufe des Winters eher noch zunehmen werden, dass Corona-Maßnahmen fortbestehen, ja, sogar noch verschärft werden, und dass droht, dass sich die wirtschaftliche Situation für viele Menschen noch weiter verschlechtert.

Jetzt haben wir noch nicht über all diejenigen Menschen gesprochen, die gar nicht erst über ein richtiges Zuhause verfügen, das ihnen etwa das Einhalten von Hygienestandards oder Abstandsregeln dauerhaft erlaubt. Wir haben noch nicht über Wohnungs- und Obdachlose, über Geflüchtete, über Saison- und Wanderarbeiter in Sammelunterkünften oder über Schutzsuchende, oder auch über die Situation in Frauenhäusern gesprochen. Sie alle sind durch die Pandemie ganz unmittelbar bedroht, was auch die regelmäßigen Ausbrüche von Corona in Sammelunterkünften beweisen. Gerade in diesen Zeiten braucht es insbesondere auch für diese Menschen ein sicheres Zuhause – es braucht ein sicheres Zuhause für alle Menschen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen muss die Politik endlich konsequent handeln. Die Bundesregierung hat sich leider auch nach heftigem Protest entschlossen, die meisten ihrer Maßnahmen wie das Mietschuldenmoratorium Ende Juni auslaufen zu lassen. Daher ist die Landesregierung nun viel mehr gefordert, selbst tätig zu werden, anstatt sich, wie sie das sonst so gerne in der Wohnungsfrage macht, einfach wegzuducken und so zu tun, als gäbe es viele Probleme gar nicht.

Viele der Maßnahmen, die wir jetzt brauchen, liegen doch längst auf dem Tisch. Unsere Fraktion hat bereits im Frühsommer einen Vorschlag gemacht, wie man all die notwendigen Maßnahmen zu einem hessischen Soforthilfeprogramm für sicheres Wohnen für alle bündeln kann. Diese Maßnahmen will ich hier noch einmal darstellen.

Für den unmittelbaren Schutz der Mieter in Hessen braucht es einen sofortigen Mietenstopp. Dieser sollte in allen Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt für fünf Jahre, mindestens aber für die Dauer der Corona-Krise gelten. Gemeinsam und auf Initiative von vielen zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Gewerkschaften, dem Mieterbund, der Caritas und der SPD-Fraktion hier im Landtag werben wir aktuell gemeinsam für einen solchen Mietenstopp. Dieser wäre ein erster spürbarer Schritt, auch, um während der Corona-Pandemie die Situation zu verbessern. Aber für uns ist auch klar: Mittelfristig bleibt ein Mietendeckel nach Berliner Vorbild das wirksamste Mittel, um dem Mietenwahnsinn etwas entgegenzusetzen und die Mieten auch hier in Hessen endlich zu deckeln.

(Beifall DIE LINKE)

Gleichzeitig brauchen wir das, was Mieterbund und viele Immobilienverbände schon seit geraumer Zeit fordern, nämlich einen hessischen Mietschuldenfonds. Dieser sollte sicherstellen, dass die Mieter, die auch unter Corona-bedingten Einkommensausfällen leiden, schnell und unbürokratisch finanzielle Hilfen bekommen. Dafür gibt es verschiedene Modelle. Für uns ist aber wichtig – und das unterscheidet unseren Vorschlag von den anderen –, dass solvente Vermieter und insbesondere die großen Wohnungsunternehmen einen Teil der Kosten für diesen Wohnungsbzw. Mietfonds tragen. Schließlich haben sie in den letzten Jahren reichlich Kasse gemacht und müssen jetzt in der Krise auch an der Finanzierung der Krisenkosten beteiligt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Natürlich muss es auch darum gehen, Mieter wirkungsvoll vor Wohnungsverlust zu schützen. Zu diesem Zweck müssen für die gesamte Dauer der Corona-Krise in Hessen Zwangsräumungen ausgesetzt werden. Auch muss sichergestellt werden, dass existenzsichernde Leistungen wie Strom, Gas, Wasser und Telekommunikation nicht wegen Kündigungen gesperrt werden oder Menschen hier die Zugänge verlieren. Auch hier sollte das Land tätig werden. Niemand sollte, gerade in so dramatischen Zeiten wie diesen, auf existenzielle Güter verzichten müssen.

Die aktuelle Krise zeigt auch – das zeigen die Zahlen, die ich am Anfang referiert habe –, wie wichtig ein Beratungsund Unterstützungsangebot ist, von Akteuren wie dem Mieterbund, aber auch von Mietervereinen, von selbst organisierten Mieterinitiativen. Deswegen finden wir es notwendig, dass diese auch finanziell unterstützt werden, so, wie es auch in anderen Bundesländern gemacht wird. Also, stärken und unterstützen wir die wichtige Tätigkeit der Mieterschutzorganisationen.

(Beifall DIE LINKE)

Ein weiterer wichtiger Punkt, bei dem die öffentliche Hand spürbar ihren Einfluss ausüben kann, sind die öffentlichen Wohnungsgesellschaften. Ebenso wie viele private Unternehmen hatten auch sie sich im Frühjahr dankenswerterweise bereit erklärt, auf Mieterhöhungen, auf Kündigungen und auf Zwangsräumungen zu verzichten. Wir haben den Eindruck, dass sie mittlerweile leider davon abrücken. In Frankfurt z. B. sollen Haushalte bei der städtischen ABG zum Jahreswechsel zum Teil über 50 € pro Monat mehr zahlen. Dagegen haben die GRÜNEN im Römer protestiert, während die GRÜNEN hier in der Landesregierung dabei zusehen, wie die Nassauische Heimstätte zum Jahreswechsel die Mieten wieder erhöhen will. Die Nassauische Heimstätte führt in der Adolf-Miersch-Siedlung in Frankfurt während der Corona-Pandemie Modernisierungsmaßnahmen durch, die für die Mieter mit Erhöhungen von 120 € bis 200 € pro Monat verbunden sind. Ich will das für meine Fraktion ganz klar sagen: Beides ist absolut inakzeptabel und einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft unwürdig.

(Beifall DIE LINKE und Nadine Gersberg (SPD))

Gerade jetzt, in einer Corona-Krise, muss doch die Nassauische Heimstätte ein Vorbild sein und auf Mieterhöhungen, auf Kündigungen und auf die Umlage von Modernisierungskosten verzichten.

Stichwort: Vorbild. Besonders gefährdete Personengruppen, wie ich sie am Anfang genannt hatte – wohnungs- und obdachlose Menschen, Geflüchtete, Saison- und Wanderarbeiter, Schutzsuchende in Frauenhäusern –, müssen im Moment raus aus unhaltbaren Zuständen und sollten in Pensions- und Hotelzimmern, in Ferienwohnungen, in Jugendherbergen usw. einziehen können, auch mit Unterstützung der Landesregierung, damit sie in der Krise aus schwierigen Verhältnissen herausgeholt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Abschließend: Wann, wenn nicht jetzt in der Corona-Krise, fangen wir denn endlich an, die Trendwende im sozialen Wohnungsbau einzuleiten? Wir haben gestern die Zahlen noch einmal gehört. Wir haben in Hessen ein Problem, dass wir nach wie vor eine sinkende Zahl an Sozialwohnungen haben. Wir brauchen da ein dauerhaftes öffentliches Wohnungsbauprogramm.

Es mangelt nicht an sinnvollen Maßnahmen, es mangelt auch nicht an dem vorhandenen Geld. Woran es mangelt, ist am Willen der schwarz-grünen Landesregierung. Das muss sich ändern. Schutz vor Corona braucht dringend ein Zuhause. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)