Pressemitteilung

Lübcke-Untersuchungsausschuss: Fahrlässige Aktenlöschungen beim Landesamt noch bis 2019

Hermann SchausLübcke-MordAntifaschismusInnenpolitik

In der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Mordfall Dr. Lübcke wurde Dr. Wilhelm Kanther, seit 2013 im Innenministerium der Leiter der Rechtsabteilung und Fachaufsicht des ‚Verfassungsschutzes‘ befragt. Dazu erklärt Hermann Schaus, Obmann im Lübcke-Untersuchungsausschuss für die Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag:

„In den letzten Sitzungen konnten wir herausarbeiten, dass im Landesamt für Verfassungsschutz über Jahre Akten von ‚Rechtsextremisten‘ frühestmöglich intern gelöscht wurden. Dabei fand keine Prüfung ihrer Gefährlichkeit statt. Vielmehr wurden listenweise Akten aussortiert – so auch die von Stephan Ernst und Markus H. Die Begründung des Landesamt für Verfassungsschutz, man habe damit ‚Arbeitsspitzen‘ aufgrund einer Systemumstellung 2015 begegnen wollen, hat sich heute als haltlos erwiesen. Dr. Kanther bestätigte, dass dieses Listensperrverfahren ohne Prüfung bis zum Mord an Walter Lübcke durchgeführt wurde. Erst die tödliche Fehleinschätzung gegenüber Stephan Ernst ermöglichte die Einsicht, dass der Umgang mit ‚Rechtsextremismus‘ im Landesamt für Verfassungsschutz grob fahrlässig ist bzw. war.

Dr. Kanther führte aus, dass das Innenministerium keine Kenntnis vom beschleunigten Verfahren ohne Prüfung bei Aktensperrungen gehabt habe. Als Fachaufsicht kommt diese Nachlässigkeit einer Verweigerung von Verantwortung für untergeordnete Behörden gleich.“

Es sei in der Befragung auch darum gegangen, ob die Akte von Stephan Ernst an den NSU-Untersuchungsausschuss hätte geliefert werden müssen, so Schaus. Hier habe sich Dr. Kanther auf eine juristische Auslegungsdebatte zurückgezogen.

„In einem Ergänzungsbeschluss aus 2014 heißt es unserer Ansicht nach, dass zu Personen mit staatsschutzpolizeilichen Erkenntnissen in Hessen Informationen geliefert werden müssen. Dass sich der Vertreter des Innenministeriums jetzt darauf beruft, es sei anders zu interpretieren, zeigt schlicht die Haltung des Innenministeriums, wenn es um die Aufklärung von Rechtsterrorismus und die Information der Landtagsabgeordneten geht.“