Pressemitteilung

Mord an Dr. Walter Lübcke: Anklage-Erhebung muss auch Startschuss für die dringend nötige parlamentarische und gesellschaftliche Aufarbeitung sein

Hermann SchausAntifaschismusInnenpolitikLübcke-Mord

Zur Klageerhebung gegen Stephan Ernst und Markus Hartmann beim Oberlandesgericht Frankfurt zu unterschiedlichen Aspekten des Strafverfahrens sowie zur notwendigen parlamentarischen Aufklärung durch einen Untersuchungsausschuss erklärt Hermann Schaus, innenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag und ehemaliger Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss:

„Der Mord an Dr. Walter Lübcke, mutmaßlich durch jahrzehntelang aktive Neonazis, hat unser Land zutiefst erschüttert. Mit der Anklageerhebung können nun die strafrechtlichen Aspekte des Mordes sowie des Mordversuchs am irakischen Flüchtling Ahmed I. im Jahr 2016 öffentlich verhandelt werden. Wir erwarten umfassende Aufklärung der Hintergründe dieser Taten."

Der Prozessbeginn markiere zudem den Startschuss für die parlamentarische Aufarbeitung des Mordes am ehemaligen Kasseler Regierungspräsidenten, so Schaus. Die Kontinuität behördlicher Fehleinschätzungen oder Falschdarstellungen - nach der es sich bei Ernst und Hartmann angeblich um ‚abgekühlte‘ Rechtsextremisten handelte - bedürften dringend der Klärung. Es müsse auch darum gehen, die politische Verantwortung für diese Fehler zu übernehmen.

Wegen der Verbindungen der mutmaßlichen Mörder zum AfD- und Neonazi-Spektrum, dem Zusammenhang zwischen Internet-Hetze und rechter Gewalt und der großen Bedrohung durch rechten Terror, ergebe sich außerdem ein gesellschaftspolitischer Auftrag zur Aufarbeitung.

„Mehr noch als strafrechtliche und parlamentarische Aufarbeitung des Mordes an Dr. Walter Lübcke bedarf es gesellschaftspolitischer Gegenwehr, wenn wir nicht weitere Opfer rechter Gewalt beklagen müssen und Untersuchungsausschüsse dazu einrichten - so als hätte man zuvor wieder einmal von nichts gewusst.

Fakt ist: Ernst und Hartmann waren über Jahrzehnte - auch nach 2009 - im rechten Spektrum verankert und im Umgang mit Waffen geübt. Sie waren schon lang als hoch gefährlich bekannt und hatten diverse Bezüge zum NSU-Komplex. Hinweise dazu lagen bei Behörden vor. Vor dem Hintergrund einer Hetzkampagne gegen Walter Lübcke im Netz, die maßgeblich von Hartmann initiiert wurde, einer Bewaffnung mit Wissen der Behörden und Aktivitäten von Ernst und Hartmann im AfD- und Neonazi-Spektrum ist die Einschätzung, dass es sich um ‚abgekühlte Rechtsextremisten‘ gehandelt habe, völlig unbegreiflich.

Unsere Fraktion hat bereits 2015 im hessischen NSU-Untersuchungsausschuss versucht, exakte Informationen zu Ernst und Hartmann zu erfragen. Leider konnten wir damals die Mauer des Schweigens - auch der Behörden - nicht überwinden. Jetzt müssen endlich alle Akten und Informationen auf den Tisch."