Pressemitteilung

Rüstungsatlas Hessen neu aufgelegt: DIE LINKE geht mit friedenspolitischen Positionen in den Landtagswahlkampf

Jan SchalauskeFrieden

Mit dem neu aufgelegten ‚Rüstungsatlas Hessen', der unter anderem viele Informationen zu Rüstungsfirmen in Hessen enthält, will DIE LINKE die Arbeit von Gruppen und Organisationen der Friedensbewegung unterstützen. Dazu erklärt Jan Schalauske, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag:

„Rüstungsexporte und Aufrüstung haben Hochkonjunktur. In Folge des völkerrechtswidrigen Kriegs Russlands um die Ukraine liefert die deutsche Ampel-Regierung, unterstützt von der CDU, erstmals schwere Kampfpanzer direkt in einen Krieg. Die Gefahr einer weiteren Eskalation mit unschätzbaren Folgen steigt. Über Nacht wurde eine 100 Euro milliardenschwere Schuldenaufnahme zur Aufrüstung beschlossen, obwohl der Verteidigungsetat seit 2014 ohnehin bereits um 50 Prozent gestiegen ist.

Bei den Rüstungsunternehmen knallen die Sektkorken. Der Aktienkurs von Rheinmetall hat sich mehr als verdoppelt. Der hessische Ministerpräsident Rhein schüttelt die Hände der Waffenindustrie in Kassel und unterstreicht ihre Bedeutung für den ‚Wirtschaftsstandort‘.

Gerade in einer Zeit, in der sich der Diskurs bis weit in ehemals friedensbewegte Kreise hinein auf einen militärischen Tunnelblick verengt und sich nahezu nur um immer neue Waffenlieferungen dreht, ist es geboten, sicherheitspolitische Alternativen zu Rüstungsexport und Aufrüstung zu formulieren. Als LINKE fordern wir ein Umdenken der Politik. Das Primat muss auf Deeskalation, Diplomatie und Verhandlungen liegen. Kriege werden mit Waffen geführt, mit Verhandlungen aber werden sie beendet. Das sich anbahnende Drehen an der Rüstungsspirale mit einem beispiellosen Sondervermögen und die Fixierung auf möglichst große militärische Schlagkraft ist ein Irrweg.“

Lühr Henken, einer der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag und Autor der Broschüre, ergänzt:

Kassel ist das Zentrum der hessischen Rüstungsproduktion. Dort konzentriert sich schätzungsweise über die Hälfte der Beschäftigten. Krauss-Maffei-Wegmann ist der größte hessische Rüstungsbetrieb und hat allein in Kassel 1.500 Beschäftigte. Dieses Werk lieferte sämtliche Panzertürme für die Leopard 2–Kampfpanzer und für die Panzerhaubitze 2000. Leopard 2 werden aktuell für die Bundeswehr modernisiert, für Ungarn und Norwegen werden neue hergestellt. Die Ukraine erhält von 2024 bis 2025 100 Panzerhaubitzen 2000, Ungarn bis 2025 24 und die Bundeswehr hat jüngst zehn davon nachbestellt.

Der zweitgrößte Rüstungsbetrieb in Hessen ist Rheinmetall in Kassel mit aktuell 1.200 Beschäftigten. In Kassel entstehen unter anderem die Fahrgestelle für die Panzerhaubitze 2000 sowie Bausätze für 1.000 FUCHS 2-Transportpanzer, die in Algerien hergestellt werden. Auch Radpanzer BOXER für Litauen, Polizeipanzer Survivor R für die Bundespolizei und die Polizei der Länder werden in Kassel gefertigt. KMW und Rheinmetall haben in Kassel die Hälfte der 350 Schützenpanzer PUMA hergestellt.

Insgesamt konnten 108 Firmen mit rüstungsrelevanter Produktion und Dienstleistungen in 48 Gemeinden Hessens ausfindig gemacht. 

Von globalstrategischer Bedeutung ist das Europa-Hauptquartier des US-Heeres in Wiesbaden. Zu seinem Verantwortungsbereich des Raums von Lissabon bis Wladiwostok ist Afrika hinzugekommen. US-Heeresaktivitäten in nun 104 Staaten werden potenziell von Wiesbaden aus befehligt, ob diese Staaten das wollen oder nicht.

Von extremer Brisanz und Gefährlichkeit ist die von Wiesbaden aus befehligte Multi Domain Task Force, die das Kommando über US-amerikanische Hyperschallraketen des Typs Dark Eagle ausüben wird, sobald sie irgendwo in Europa aufgestellt werden sollten. Diese sind mit 12-facher Schallgeschwindigkeit unterwegs, sind präzise steuerbar und nicht abfangbar. Ihr Gleitkörper ist mit konventionellem Sprengstoff bestückt und auf zeitkritische hoch gesicherte Ziele ausgerichtet. Deutschland und Europa sehen sich einem Déjà-vu mit den Pershing 2 der 80er Jahre ausgesetzt. Geriet damals die sowjetische Führung ins Visier, ist es diesmal die russische.

Schon bis Ende September 2023 ist mit der Stationierung des Prototyps der Dark Eagle zu rechnen. Für 2025 ist der Beginn der Serienproduktion vorgesehen. Es muss damit gerechnet werden, dass die Dark Eagle auch nach Europa kommen werden, denn ihre Bedieneinheiten der Multi Domain Task Force sind schon in Deutschland eingetroffen.

In Wiesbaden-Erbenheim befindet sich die 120-köpfige Logistikzentrale, die den Fluss von Rüstungsgütern aus 41 Streitkräften in die Ukraine koordiniert. Sie soll bis zum Sommer auf 300 Personen anwachsen.

An Bundeswehrstandorten in Hessen ist ganz besonders die Garnisonsstadt Stadtallendorf hervorzuheben. Sie ist Standort des Kommandos der ‚Division Schnelle Kräfte‘ (DSK). Als eine der drei Heeresdivisionen erfährt sie eine Aufwertung. Sie bekommt eine Gebirgsjägerbrigade hinzu und soll ab 2030 zu 100 Prozent ausgerüstet sein, so dass sie aus dem ‚Kaltstart‘ heraus blitzschnell weltweit eingesetzt werden kann. Auch Pfungstadt erhält einen starken Bedeutungszuwachs: Zum Kommando über die Material- und Munitionslager Süddeutschlands kommt die bundesweit einzigartige Funktion eines Logistikknotenpunkts hinzu, der den Transport von Soldatinnen und Soldaten und Material in Richtung Osteuropa entscheidend beschleunigen soll. Große Bedeutung hat auch das Munitionslager Köppern Friedrichsdorf im Hochtaunuskreis, das größte der Bundeswehr.

Zur ökonomischen Bedeutung der Rüstungsproduktion: Der Informationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft iwd ermittelte für 2020 einen Rüstungsumsatz Deutschlands von 11,28 Mrd. Euro. Der Anteil am deutschen Bruttoinlandsprodukts von damals 3.405 Mrd. Euro (2020) beträgt damit gerademal 0,33 Prozent. Das ist volkswirtschaftlich gesehen eine zu vernachlässigende Größe, so dass ein Verzicht darauf gesamtgesellschaftlich leicht zu verkraften wäre. An Beschäftigten ermittelte die iwd-Studie bundesweit 55.535.  Bezogen auf die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland - 33,8 Millionen – waren das im Jahr 2020 gerademal 0,16 Prozent. Auch dieser geringe Anteil lässt es volkswirtschaftlich leicht vertretbar erscheinen, diese Menschen durch Konversion in zivile Berufszweige zu überführen.“

Schalauske: „DIE LINKE hatte bereits 2011 und 2018 einen Rüstungsatlas Hessen vorgelegt. Jetzt liegt eine dritte überarbeitete, aktualisierte Auflage vor, die zum einen Gruppen der Friedensbewegung wichtige Informationen an die Hand geben soll. Und zum anderen wollen wir deutlich machen, dass wir den Artikel 69 der Hessischen Verfassung weiterhin als Richtschnur unserer politischen Arbeit ansehen. In dem Verfassungsartikel heißt es, entsprechend einem Artikel im Grundgesetz: ‚Der Krieg ist geächtet. (…) Jede Handlung, die mit der Absicht vorgenommen wird, einen Krieg vorzubereiten, ist verfassungswidrig‘.

Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete zu liefern sowie Despoten und Folter-Regimen Polizei- und Rüstungshilfe zukommen zu lassen, ist mit diesem Verfassungsartikel nicht vereinbar.

DIE LINKE wird in den kommenden Monaten den Druck verstärken, um eine Abkehr vom vorherrschenden Aufrüstungs- und Militarisierungskurs zu erreichen. In Hessen werden wir uns weiter für Programme der Rüstungskonversion einsetzen. Statt Rüstungskonzernen immer weiter Steuergelder in den Rachen zu werfen, wollen wir, dass die Landespolitik ein Programm zur Rüstungskonversion auflegt, damit von militärischen Produkten auf nichtmilitärische Produktion umgestellt wird. Auch für diese Forderungen werden wir bei den kommenden Ostermärschen der Friedensbewegung auf die Straße gehen.“

 

Hinweis:
Den Rüstungsatlas finden Sie unten zum Download.

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