23. Prozesstag: Vernehmung der Linguistin Dr. Eilika Fobbe

NSU 2.0

An diesem Verhandlungstag wird die Zeugin Dr. Eilika Fobbe vernommen. Sie arbeitet im Bereich der Autorenerkennung für das Bundeskriminalamt (BKA), welche Polizeibehörden bei der linguistischen Textanalyse im Rahmen ihrer Ermittlungen unterstützt. Die Ermittler:innen des Hessischen Landeskriminalamts (LKA) haben insgesamt neun Gutachten beim BKA zur NSU 2.0-Drohschreibenserie in Auftrag gegeben.

Bei ihrer Vernehmung gibt Dr. Fobbe an, insgesamt acht dieser Gutachten seit Juli 2020 erstellt zu haben. Zunächst stellt die Linguistin die Arbeitsmethoden für ihre Arbeit vor. Vorliegende Texte werden systematisch miteinander verglichen. Dabei stehen sprachliche Erscheinung und Merkmale im Mittelpunkt, darunter die Wortwahl, der Satzbau, der Stil, Rechtschreibfehler und vieles weitere. Anhand einer Skala wird dann festgehalten, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine gleiche Autor:innenschaft bei den verglichenen Texten vorliegt. In ihrer Aussage bestätigt Dr. Fobbe, dass sie durch eine einfache Suche auf Google mit Textstellen aus den NSU 2.0-Drohschreiben im September 2020 auf das Nutzerkonto „Elefant im Porzellanladen” beim extrem rechten Portal PI-News gestoßen ist, welches die Ermittler:innen später Alexander M. zuordneten.  In weiteren Gutachten ordnete Dr. Fobbe auch die Profile „Obserimulant” und „Sudeedel” auf PI-News der gleichen Person zu.


Bei der Befragung stand insbesondere ein Gutachten von Dr. Fobbe im Fokus, in dem sie die NSU 2.0-Drohschreiben mit drei Texten des Angeklagten Alexander M. auf Übereinstimmungen untersuchte. Bei den Texten handelte es sich um Mails und Briefe, die M. an Behörden versendet hatte. Neben häufig wiederholten Begriffen wie „Kakerlake” oder „Qualitätsjournalismus”, sowie aufgrund von Rechtschreibfehlern, darunter Wortdoppelungen wie „auch auch”, „sich sich” oder „linksverversifft” und letztlich durch die gleiche Verwendung von Quellenverweisen und Zitaten kam Dr. Fobbe zu dem Ergebnis, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den gleichen Autor bei allen Texten handelt.

 

Die Nebenklageanwältin Antonia von der Behrens betonte bei ihrer Befragung, dass die Erkenntnis zu den Profilen bei PI-News von Dr. Fobbe stammte und nicht von den Ermittler:innen des LKA. Nebenklageanwältin Kristin Pietrzyk fragte, ob Dr. Fobbe auch mit anderen rechten Drohschreiben in ihrer bisherigen Arbeit beim BKA befasst war, was die Zeugin bejahte. Die Verteidigung fragte die Zeugin, welche Erkenntnisse sie über die urhebende Person der Drohschreiben aufgrund ihrer Textanalyse für wahrscheinlich hält. Hier betonte Dr. Fobbe, dass keinerlei definitive Aussagen möglich seien, aber einiges für eine Person über 30 Jahren spreche. Der Angeklagte übernahm die weitere Befragung und betonte dabei (vermeintliche) Widersprüche zwischen den Bewertungen der Gutachten und seiner Person. In einem Gutachten wurde etwa von einer vermutlich westdeutschen, studierten Person als Urheber:in gesprochen. Er sei hingegen in der DDR sozialisiert und habe nicht studiert. Er fragte noch, ob mehrere Urheber:innen in Frage kämen für die Schreiben, was Dr. Fobbe verneinte. Sie gab noch an, dass es sich aufgrund der vielen frauenfeindlichen Beleidigungen in den Texten wahrscheinlich um einen männlichen Autor handele. M. gab noch an, beweisen zu wollen, dass er keine Wörter beim Schreiben doppele. Die Zeugin gab aber an, dass dieses Vorgehen keine Aussagekraft habe.

 

Zuletzt gab der Angeklagte eine Erklärung zum vorangegangenen Verhandlungstag ab, da er alle Vorwürfe entkräften wolle. Hierzu gab er eine langatmige und zum Teil schwer verständliche Erklärung ab. Laut M. seien die sichergestellten Beweise auf seinem PC nicht beweiskräftig und die pagifle.sys-Datei auf dem PC stamme nicht von ihm. Er gab an, dass das erste Drohschreiben nicht von ihm stamme. Da er regelmäßig Dateien auf seinem PC gelöscht und überschrieben hätte, sei es unmöglich, ihm irgendetwas auf dem PC zuzuordnen. Mit seiner Erklärung endete die Verhandlung. Der nächste Sitzungstermin ist am 5.9. um 9:15.