Jan Schalauske - Ein soziales, ökologisches und gerechtes Hessen ist finanzierbar

Jan Schalauske
Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 34. Plenarsitzung am 19. Februar 2020 verabschiedete der Hessische Landtag in dritter Lesung des Haushalt für das jahr 2020. Dazu die Rede unseres haushaltspolitischen Sprechers Jan Schalauske.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Die dritte Lesung zum diesjährigen Landeshaushalt findet dieses Mal erst im Februar statt. Ich glaube, darauf hat noch keine Rednerin und noch kein Redner hingewiesen. Damit befinden wir uns einige Wochen in einem Zustand der vorläufigen Haushaltsführung. Ich finde, diesen Zustand sollten wir nicht noch unnötig weiter in die Länge ziehen. Trotzdem beraten wir den Landeshaushalt noch einmal.

Ich will die dritte Lesung für unsere Fraktion auch dafür nutzen, zu unterstreichen und anzumelden, dass wir einen grundsätzlichen Beratungsbedarf haben. Der Beratungsbedarf deckt sich mit unserer doch sehr grundsätzlichen Kritik an der schwarz-grünen Landesregierung und ihrer Politik. Deswegen haben wir diese dritte Lesung auch genutzt – ein Redner, ich glaube, es war der verehrte Kollege Kaufmann von den GRÜNEN, hat sich beschwert, dass es zu wenige Änderungsanträge gegeben habe; deswegen will ich daran erinnern – und haben über 100 Änderungsanträge zu dem Landeshaushalt vorgelegt.

(Marius Weiß (SPD): Aber die falschen!)

Mit diesen 100 Änderungsanträgen haben wir deutlich gemacht, welche Defizite wir sehen, wie wir ihnen begegnen und wie wir sie verändern wollen. Ich glaube, es steht auch dem Landtag gut an, den Haushalt der Mehrheit mit Änderungsanträgen zu begleiten.

(Beifall DIE LINKE)

Der Landeshaushalt gibt uns noch einmal die Möglichkeit, zu verdeutlichen, dass wir eine grundsätzlich andere Politik wollen, dass wir uns, anders als die GRÜNEN, nicht weiter so durchwurschteln wollen, sondern dass wir richtige Akzente für einen politischen Wechsel in Hessen deutlich machen wollen.

Wenn ich mir dann den staatstragenden und auch ein bisschen paternalistischen Gestus anschaue, mit dem Sie, verehrter Kollege Kaufmann, in der Haushaltsdebatte aufgetreten sind, dann hat das auch noch einmal verdeutlicht – Sie haben selbst gesagt, dass Sie angekommen sind –, dass Sie nicht in der Lebensrealität der hessischen Bevölkerung angekommen sind, sondern tief im politischen Establishment. Das hat diese Rede noch einmal verdeutlicht.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist der Werdegang der hessischen GRÜNEN. Es ist also bitter nötig, zu verdeutlichen, in welche Richtung wir in Hessen eigentlich gehen müssen. Allen Ankündigungen zum Trotz schafft es die Landesregierung wieder nicht, die eigentlich notwendige und entscheidende Trendwende einzuleiten. Sichtbar wird das besonders bei den notwendigen Investitionen in die Zukunft. Der Jahresabschluss 2019 ist schon angesprochen worden. Er dokumentiert erneut, dass Sie nicht in der Lage sind, die geplanten Investitionen zu tätigen. Über 300 Millionen €, die veranschlagt waren, wurden nicht investiert. Das schadet der Zukunft kommender Generationen. Da wäre es, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, endlich notwendig, die Planungskapazitäten auszuweiten, auch in diesem Haushalt, damit zukünftige Investitionen endlich getätigt werden können.

(Beifall DIE LINKE)

Wir brauchen diese Investitionen, wir brauchen sie beim öffentlichen Nahverkehr, bei notwendigen Schulsanierungen oder auch bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.

Ja, wir geben zu, überall tut die schwarz-grüne Landesregierung ein klein bisschen, aber nirgendwo ist die große Linie erkennbar, die dieses Land entscheidend voranbringen sollte. Sie ruhen sich Jahr für Jahr darauf aus, dass Sie dank steigender Steuereinnahmen schöne Zahlen haben. Ansonsten hoffen Sie, dass niemand merkt, dass es in Hessen zunehmend weniger bezahlbare Wohnungen gibt, dass die dringend notwendige Verkehrswende ausbleibt und dass die Schulen in unserem Land immer sanierungsbedürftiger werden.

Ich muss Sie enttäuschen: Die Menschen, mit denen wir sprechen, merken das in ihrem alltäglichen Leben, sie verspüren das am eigenen Leib, und sie hoffen auf eine politische Wende in Hessen.

(Beifall DIE LINKE)

Schauen wir uns noch einmal an, welche Akzente wir mit unseren Haushaltsanträgen gesetzt haben. Wir wollen deutlich machen, dass das Land Hessen mehr tun kann, um bezahlbare Wohnungen zu schaffen, um die Kommunen finanziell besser auszustatten, um Hessen insgesamt sozialer und gerechter zu machen und auch um die Verkehrswende noch deutlicher auf die Schiene zu setzen.

Wir haben gezeigt, dass man allein im Wohnungsbau mit einem Programm arbeiten müsste, mit dem man jedes Jahr mindestens 10.000 neue Sozialwohnungen schafft. Diese Zahl ist nicht fiktiv, sondern es geht darum, diejenigen Wohnungen, die aus der Sozialbindung fallen, zu kompensieren und den Bestand an Sozialwohnungen wieder deutlich auszuweiten.

Der Landesregierung fällt hierzu allerdings bisher wenig ein, um die Problematik am Wohnungsmarkt zu beenden. Deswegen haben wir in diesem Jahr zum ersten Mal Mittel beantragt, um in Hessen in den angespannten Wohnungsmärkten einen hessischen Mietendeckel vorzubereiten, so, wie es SPD, GRÜNE und LINKE in Berlin vorgemacht haben. Leider hält die Landesregierung das bisher für Teufelszeug. Wir arbeiten weiter daran, dass diese Forderung mehr Geltung bekommt.

(Beifall DIE LINKE)

Wir wollen den Kommunen deutlich mehr Geld zukommen lassen, allerdings nicht wie diese Landesregierung, indem wir mit einer Heimatumlage den Kommunen vorschreiben, was sie mit ihrem eigenen Geld anzustellen haben, Stichwort: Gutsherrenart. Wir wollen mit echten zusätzlichen Landesmitteln dafür sorgen, dass unsere Kommunen in Hessen in die Lage versetzt werden, in die öffentliche Infrastruktur zu investieren, die unter der Sparpolitik CDU-geführter Landesregierungen der letzten Jahre und Jahrzehnte immer weiter marode geworden ist.

Wir haben im Sozialbereich eine Reihe von Änderungsanträgen vorgelegt, die ebenfalls bei den Kommunen ankommen würden. Ich will an die in Hessen unterdurchschnittlichen Krankenhausinvestitionen erinnern. Allein hier wollen wir zusätzlich 180 Millionen € aufwenden.

(Unruhe)

Wir wollen auch etwas für Familien und Bildung tun.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen)

Wir wollen das letzte Krippenjahr beitragsfrei stellen. Weil wir uns, anders als die GRÜNEN, noch nicht damit abgefunden haben, dass die Schulen in Hessen nicht in der Ausstattung sind, wie wir uns das vorstellen, wollen wir das Thema Schulsanierung endlich angehen. Wir wollen echte Ganztagsschulen schaffen. Selbstverständlich gehört für uns auch ein kostenfreies Mittagessen dazu. Das ist Teil der Bildungsgerechtigkeit. Das ist geboten und auch finanzierbar.

(Beifall DIE LINKE)

Finanzierbarkeit war auch in der Debatte ein großes Stichwort. Ich glaube, alle Redner, mit Ausnahme der SPD, haben sich an uns abgearbeitet. Ich kann das auch gut verstehen, dass Sie sich darüber ärgern und sich an der LINKEN abarbeiten.

(Zuruf Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir vertreten in dieser Frage die Position der Mehrheit der Bevölkerung.

(Beifall DIE LINKE – Lachen Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Eine der letzten Umfragen des ARD-Deutschlandtrends hat gezeigt, dass die Mehrheit der Menschen in diesem Land für die Wiedereinführung der Vermögensteuer ist: 72 % der Befragten. Klar, bei den Anhängern der SPD über 80 %, bei den Anhängern der GRÜNEN über 80 %, aber sogar die Mehrheit der Anhänger der CDU, der FDP und der AfD ist für die Wiedereinführung der Vermögensteuer.

Wenn ich mir diese Zahlen so anschaue, dann kann ich mir gut vorstellen, warum Sie sich alle ärgern: weil DIE LINKE die einzige Fraktion ist, die die Forderung nach einer gerechten Besteuerung in diesem Land auch in den Hessischen Landtag trägt und damit im Einklang mit der Mehrheit der Bevölkerung steht.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Volker Richter (AfD))

Dass sich die Rechtsaußenfraktion da besonders ärgert, das kann ich auch verstehen; denn ihre Steuerpolitik ist eine Klientelpolitik für die Reichen und Mächtigen in diesem Land.

(Robert Lambrou (AfD): Falsch!)

Mit den Interessen der arbeitenden Bevölkerung hat sie überhaupt nichts zu tun.

(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Lesen Sie einmal unsere Anträge!)

Wir stellen jetzt seit über zehn Jahren, die wir hier im Hessischen Landtag vertreten sind, diese Forderung nach der Wiedereinführung der Vermögensteuer, einer gerechteren Erbschaftsteuer. Immer wieder bringen wir sie in den Hessischen Landtag ein. Wir wollen einen Einstieg in die Umverteilung des Reichtums in diesem Land, weg von dicken Bankkonten und Aktienportfolios hin zu den Menschen, die tagtäglich den Reichtum in dieser Gesellschaft erarbeiten, die die wirklichen Leistungsträger sind.

Auch wenn es der verehrte Kollege Kaufmann so ungern hören will: Wir werden es Ihnen auch jedes Jahr aufs Neue erklären, warum das so wichtig ist und warum das eine Grundlage für politische Veränderungen in diesem Land ist. Wir sind gespannt, ob Sie in den nächsten Jahren Position beziehen, ob Sie eine Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine gerechtere Besteuerung der großen Vermögen in diesem Land wollen oder ob Sie es in Hessen weiter aussitzen wollen und die hessischen GRÜNEN keinen Finger dafür krumm machen, dass sich etwas ändert. Hier wäre ein bisschen mehr Elan gefragt.

(Beifall DIE LINKE)

Der Kollege Reul von der CDU hat von Augenwischerei gesprochen. Ich finde, es ist Augenwischerei, den Menschen vorzugaukeln, dass wir die vielen Probleme in unserem Land ernsthaft anpacken könnten, ohne uns gegen die himmelschreiende, ungerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums in den Händen weniger zu wehren. Das, lieber Kollege, ist Augenwischerei.

(Beifall DIE LINKE)

Wer also ein anderes, ein sozialeres, ein gerechteres, ein ökologisches Hessen will, der ist bei dieser Landesregierung an der falschen Stelle. Deswegen brauchen wir hier grundsätzliche politische Änderungen.

Ich will die dritte Lesung nutzen, auch etwas zu den Anträgen anderer Fraktionen zu sagen. Bedauerlich ist es, dass einige wichtige Anträge wie z. B. für den Schutz jüdischer Einrichtungen in unserem Land, aber auch die Einrichtung eines Livestreams des Landtags zwar von vier Fraktionen, aber auf Wunsch der CDU nicht mit der LINKEN gemeinsam eingebracht worden sind. Wir bedauern da Ihre ideologiegetriebene Haltung sehr. Ich glaube, es wäre ein gutes Zeichen gewesen, wenn alle demokratischen Fraktionen diese Anträge gemeinsam eingebracht hätten.

(Beifall DIE LINKE)

Wir gehen nicht so ideologisch vor wie die hessische CDU. Wir haben alle Anträge der anderen Fraktionen gelesen und geprüft. Vielem haben wir zugestimmt, manches haben wir abgelehnt. Bei einigen Dingen haben wir uns enthalten. Das ist eine pragmatische, unideologische Herangehensweise, die uns zumindest von der größten Fraktion hier im Landtag zu unterscheiden scheint.

Ich will Ihnen deutlich sagen, dass es eine Fraktion gibt, deren Anträge wir komplett abgelehnt haben, weil es keinen Sinn macht, sich mit einzelnen Anträgen einer Fraktion zu beschäftigen, die insgesamt eine Politik verfolgt, die wir für grundsätzlich falsch halten. Die Rechtsaußenfraktion hat beantragt,

(Robert Lambrou (AfD): Wir sind bürgerlich-konservativ!)

130 Millionen € für die inklusive Beschulung zu streichen, Mittel für Naturschutz- und Verbraucherverbände. Sie wollten die Mittel für die Unterstützung von Flüchtlingen streichen, ökologischem Landbau die Förderung versagen, Sprachkurse an Hochschulen und die Förderung von Frauen in MINT-Fächern streichen. Sie wollten soziokulturellen Zentren das Geld nehmen und stattdessen immer mehr Abschiebeknäste schaffen.

Meine Damen und Herren, das ist derart reaktionär, dass wir all Ihre Haushaltsanträge mit voller Überzeugung ablehnen. Mit der Politik gegen die Menschen in diesem Land machen wir uns nicht gemein.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt SPD und BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN – Zuruf AfD)

Einigen Anträgen von FDP und SPD haben wir zugestimmt. Viele Initiativen gingen in die richtige Richtung. Allerdings teilen wir die finanzpolitischen Linien nicht. Es überzeugt uns nicht so richtig, alles mit globalen Minderausgaben zu finanzieren. Bei der FDP ist das ein bisschen merkwürdig. Es ist nachvollziehbar, dass Sie sagen, der Finanzminister ist nicht in der Lage, die notwendigen geplanten Ausgaben zu tätigen, gerade bei Zukunftsinvestitionen. Aber das macht doch die Veranschlagung der Mittel nicht falsch. Eigentlich müsste unser Ziel sein, dass die Gelder ausgegeben werden.

Bei der FDP kommt noch hinzu, dass sie globale Minderausgaben veranschlagt, um damit die Grunderwerbsteuer zu senken. Man könnte sich über die Grunderwerbsteuer, wie sie ausgestaltet ist, gerne einmal unterhalten. Aber dass Ihnen in dieser Situation nichts anderes als die ausgeleierte Platte von der Steuersenkung einfällt, das ist ein bisschen wenig angesichts der wichtigen Zukunftsaufgaben in unserem Land.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme so langsam dem Ende entgegen. Ich will trotzdem noch etwas zu den Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen sagen. Ich habe schon gesagt, einigen der Anträge haben wir durchaus zugestimmt. Wir sind da nicht so ideologiebeflissen wie die größte Fraktion im Haus.

(Unruhe – Glockenzeichen)

Allerdings will ich schon feststellen, dass es erstaunlich ist, in welcher Fülle Sie mit Änderungsanträgen im Haushaltsausschuss aufgetreten sind. Nicht alles, was Sie beantragt haben, war dann auch notwendig. Aber ich glaube, so mancher Antrag sollte eher als Arbeitsnachweis für die Fraktionen gelten, als dass er substanziell noch etwas am Haushalt verändert hat. Ich denke da an einen Karriere-Truck für 800.000 €, von dem wir nicht wissen, ob er mehr als Feinstaub und Stickoxide bringt. Aber wir werden uns das Ganze weiter anschauen.

(Beifall DIE LINKE)

Zum Abschluss noch ein Ausblick. Der Landeshaushalt ist die konsequente Fortsetzung der Politik der CDU-geführten Landesregierung. Sie schaffen es trotz voller Kassen nicht, die notwendigen Zukunftsinvestitionen zu tätigen, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Ihnen bleibt symbolische Schuldentilgung, so widersprüchlich sie dann auch im Abschluss und in der Veranlagung ist, wichtiger, als das Land gerechter, sozialer und ökologischer zu machen.

Ich habe in der zweiten Runde der Haushaltsdebatte im Rahmen der zweiten Lesung gesagt, die GRÜNEN hätten am Wahlabend verkündet: „Noch nie war Hessen so grün.“ Angesichts des heutigen Haushalts, den wir wohl verabschieden werden, muss man sagen: Noch nie waren die GRÜNEN so schwarz wie hier und heute in Hessen. Diese bedauerliche Tatsache findet sich auch im Landeshaushalt.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Kollege Schalauske, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Jan Schalauske (DIE LINKE):

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir haben deutlich gemacht: Wir wollen ein anderes, ein sozialeres, ein gerechteres Hessen. Deswegen lehnen wir den schwarz-grünen Landeshaushalt ab und bedanken uns bei allen, die die Beratung zum Haushalt ermöglicht haben, insbesondere bei Frau Goß und den Mitarbeitern des Budgetbüros.

(Beifall DIE LINKE)