Jan Schalauske - Landeshaushalt 2020: Nicht nachhaltig, vollkommen unsicher und kein bisschen klug

"Landeshaushalt 2020: Nicht nachhaltig, vollkommen unsicher und kein bisschen klug"

Jan Schalauske
Jan SchalauskeHaushalt und Finanzen

In seiner 24. Plenarsitzung am 30. Oktober 2019 diskutierte der Hessische Landtag zum ersten mal über den Haushalt für das Jahr 2020. dazu die Rede unseres haushaltspolitischen Sprechers Jan Schalauske:

 

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Der hessische Finanzminister hat heute zum wiederholten Male einen Schönwetterhaushalt vorgelegt. Einige Redner haben schon darauf hingewiesen: Die Konjunktur läuft seit Jahren außerordentlich gut, wir haben es seit Jahren mit steigenden Einnahmen, ja, mit Rekordeinnahmen im Landeshaushalt zu tun. Trotz dieser guten Ausgangsbedingungen gelingt es der schwarz-grünen Landesregierung nicht, die Schwerpunkte zu setzen, die eigentlich nötig wären, um die drängendsten Probleme in unserem Land anzugehen. Wieder einmal erleben wir, wie Schwarz-Grün versucht, die eigene Politik als Fortschritt zu verkaufen, die am Ende aber nichts anderes ist als ein „Weiter so“ der bisherigen. Ich will daran erinnern, ein „Weiter so“ stand auch schon am Beginn Ihrer Regierungszeit, auch dieser Legislaturperiode. Denn aus der Sorge heraus, die Konjunktur könne sich eintrüben, und die Einnahmen könnten geringer ausfallen, haben Sie ohnehin im Koalitionsvertrag all Ihre politischen Vorhaben unter Finanzierungsvorbehalt gestellt. Das heißt, wir werden in den nächsten Jahren sehen, welche Halbwertszeit diese überhaupt haben. Bis dahin aber machen Sie schlicht nichts anderes als einfach nur „Weiter so“.

(Beifall DIE LINKE)

„Weiter so“, das machen Sie auch in Sachen PR. Auch in diesem Jahr versuchen Sie die Öffentlichkeit – Sie haben ja von diesen Menschen in Hessen gesprochen, Herr Reul –, glauben zu machen, dass nun endlich etwas getan wird: Die Investitionen würden steigen, man täte etwas gegen den Klimawandel, die Kommunen würden ordentlich ausgestattet werden, die Landesregierung würde beginnen, den Wohnungsbau im Ballungsraum anzukurbeln, und überhaupt würde doch so langsam alles gut werden. Wenn man Ihnen über all die Jahre so zuhört – auch aber diesmal wieder –, könnte man glatt den Eindruck bekommen, in Hessen ginge es voran, ja, als würden hier sogar paradiesische Zustände herrschen.

(Beifall Michael Reul (CDU))

Ja, eigentlich sind die Voraussetzungen, um dieses Land zum Besseren zu verändern, so gut wie lange nicht. Nur leider tragen Sie nicht dazu bei, oder nur wenig. Die Zahlen sind genannt, die Aufwüchse bei den Einnahmen. Einiges verschweigen Sie dann aber oder betonen es nicht allzu deutlich. Wir erinnern uns daran, dass Sie oft darauf hingewiesen haben, was für ein großartiger Erfolg des Landes Hessen es doch sei, eine Änderung beim Länderfinanzausgleich hinbekommen zu haben. Wir haben das immer kritisch gesehen. Jetzt finden wir in der mittelfristigen Finanzplanung aber den Hinweis, dass Hessen im Jahr 2020 200 Millionen € weniger in das System einzahlen wird als noch 2019. Das ist eine Sache, die Sie plötzlich nicht mehr in der Deutlichkeit vor sich hertragen. Auch rühmen Sie sich weiterhin, lieber Schulden zurückzuzahlen, statt endlich in die Zukunft zu investieren. Sie haben das ein bisschen reduziert. Statt der immer proklamierten 200 Millionen € sind es jetzt nur noch 100 Millionen €, die Sie tilgen wollen. Aber, um einmal die Rechnung der FDP zu bemühen, die Sie heute nicht gemacht haben: Die FDP, der es ja nicht schnell genug geht, hat Ihnen in der Vergangenheit gesagt, sie würde gerne noch viel mehr haben.

(Zuruf Freie Demokraten: Genau!)

Wir halten das für einen falschen Weg. Das erkläre ich Ihnen auch noch einmal. Die FDP hatte vorher errechnet, es würde dann ungefähr 200 Jahre dauern, um den vor allem durch die CDU angehäuften Schuldenberg abzubauen. Wenn Sie jetzt in diesem Tempo so weitermachen, dann wird das Ganze 400 Jahre dauern. Das Problem ist: In der Zwischenzeit fehlt das Geld aber an anderer Stelle. Eine nachhaltige Finanzpolitik, zumal in einer historischen Niedrigzinsphase, sieht einfach anders aus. Wenn der Finanzminister den Menschen im Lande Hessen Ratschläge gibt – darauf ist ja schon in der „Bild“-Zeitung hingewiesen worden –, die, wie ich glaube, in keiner Art und Weise angemessen sind, indem er sagt, die Leute sollen doch monatlich etwas sparen, dann knüpft er nicht an die Lebensrealität dieser Menschen an. Es gibt viele Menschen in diesem Land, die sich das nicht leisten können. Sie müssen mit dem, was sie haben, über die Runden kommen. Diese Lebensrealität ignoriert der Finanzminister. Aber er empfiehlt in seinem Interview dann auch noch, man solle doch in Aktienfonds investieren. In seiner Einbringungsrede hier sagt er noch einmal: Wir brauchen eigentlich eine weitere Privatisierung der Altersvorsorge. – Das wird dann mit dem Thema Niedrigzinsen zusammengerührt. Das finde ich mehr als abenteuerlich. Wir brauchen keine Privatsierung der Altersvorsorge, sondern wir wollen eine Wiederherstellung der gesetzlichen Rente. Aber davon ist leider bei der CDU auch nichts zu hören.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt kommen wir aber noch einmal zum Thema Investitionen. Sie kündigen wieder an, sie würden jetzt endlich steigen. Allein, uns fehlt da der Glaube. Sie haben das in den vergangenen Jahren schon angekündigt. Passiert ist wenig; eingelöst wurde wenig. Die geplanten Investitionen sind seit 2016 gestiegen; das stimmt. Allerdings hat sich die Höhe der nicht getätigten Investitionen seitdem auch verdoppelt. Ganze 400 Millionen € an geplanten Investitionen hat das Land im Jahr 2018 nicht ausgegeben. Diese Investitionen vermissen wir schmerzlich. Es sieht zwar am Jahresende für den Finanzminister immer gut aus, wenn er auf Verbesserungen beim Haushaltsvollzug hinweisen kann. Die Probleme des Landes werden so allerdings nicht gelöst. Der Grund für diese Misere ist, dass der hessische Finanzminister und die die Regierung tragenden Fraktionen keinen systematischen Plan haben, um den gigantischen Investitionsstau in diesem Land endlich aufzulösen.

(Beifall DIE LINKE)

Sie sind nicht einmal in der Lage, den Bedarf, der den Kommunen bei den Schulbauten entstanden ist, systematisch zu erheben. Sie wollen gar nicht wissen, wie marode Hessens Schulen tatsächlich sind – zumindest so lange nicht, bis wieder ein Schulgebäude wegen Baufälligkeit gesperrt werden muss. Anstatt endlich einen langfristigen Plan zur Aufhebung dieses Investitionsstaus auf den Weg zu bringen – dieser beträgt, Sie kennen die Zahlen der Gewerkschaft, im Land Hessen mindestens 3 bis 4 Milliarden € –, schnüren Sie ein ums andere Mal neue kleine Investitionspäckchen, die mitunter auch überwiegend vom Bund finanziert werden. Das reicht nicht, um die Schullandschaft in Hessen voranzubringen. Es reicht nicht, mit größeren Schecks auf schönen Fotos – darauf legen Sie bei der Öffentlichkeitsarbeit Wert und geben viel Geld dafür aus – in der Lokalpresse zu posieren. Wir brauchen eine systematische Aufarbeitung des Investitionsstaus in unseren Schulen und seinen systematischen Abbau. Davon findet sich nichts in Ihrem Haushaltsentwurf.

(Beifall DIE LINKE)

Das eine ist der Zustand der Schulgebäude, das andere ist das, was drinnen vor sich geht. Lehrermangel und Unterrichtsausfall waren keine Themen bei Ihrer Einbringung. Und ob der Stellenaufbau in diesem Bereich oder auch in den Bereichen Justiz und Polizei das hält, was Sie hier und heute versprochen haben, muss sich überhaupt erst noch in der weiteren Debatte erweisen. Nach dem gleichen Prinzip wie bei den Schulbauten geht der Finanzminister auch beim Programm „Starke Heimat“ vor; die Kollegin Schardt-Sauer hat darauf hingewiesen. Wir finden diesen hessischen Sonderweg besonders dreist. Die Mittel durch den Wegfall dieser Umlage, die die Kommunen bisher aus ihrem Steueraufkommen gezahlt haben, belassen Sie nicht etwa bei den Kommunen, sondern Sie verteilen diese nach Ihrem Gusto.

(Beifall Nancy Faeser (SPD))

Die Anhörung hat gezeigt, dass der von Ihnen sonst so hochgelobte KFA, den Sie immer wieder mit neuen Rekordzahlen beschreiben, die nur daher kommen, dass wir überhaupt Rekordeinnahmen der öffentlichen Hand haben, Herr Kaufmann, anscheinend nicht so gerecht ist und so ausgleichend funktioniert, wie Sie immer behauptet haben; denn sonst brauchte es das „Starke Heimat“-Gesetz überhaupt nicht.

(Beifall DIE LINKE und SPD – Widerspruch Frank- Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie machen nichts anderes, als die Mittel nach Gutsherrenart zu verteilen. Anstatt die Gelder mithilfe eines nachvollziehbaren, dauerhaft tragfähigen Systems an die Kommunen zu verteilen, stecken Sie diese erst einmal in die eigene Tasche und entscheiden dann darüber, wie die Kommunen die Mittel erhalten und was sie damit machen dürfen. Ich jedenfalls kann den Zorn – nichts anderes habe ich erlebt– der kommunalen Familie sehr gut verstehen. Wir schauen hier auch immer, was die Nachbarbundesländer machen. Kein anderes Bundesland geht diesen Weg. Hessen schlägt damit einen Sonderweg zulasten der Kommunen ein. Darüber werden wir in dieser Plenarwoche noch sprechen. Wir bleiben dabei: Das Beste wäre es, diesen Gesetzentwurf unverzüglich zurückzuziehen.

(Beifall DIE LINKE und Torsten Warnecke (SPD))

Die Kommunen hätten es grundsätzlich nötig, über dieses Geld selbst entscheiden zu können; denn sie waren in den letzten Jahren auch aufgrund der schwarz-grünen Politik gezwungen, vor allem die Grundsteuer massiv zu erhöhen, die Menschen mit kleinem Einkommen deutlich belastet.

(Torsten Warnecke (SPD): Ja!)

Die hessischen Grundsteuern sind die zweithöchsten im bundesweiten Vergleich. Sie sind auch am zweitstärksten in den letzten Jahren gestiegen. Dort ist trotz aller Erfolgsmeldungen über die positive wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland einfach weiter an der Umverteilung von unten nach oben gedreht worden, auch weil die Landesregierung die Kommunen jahre- und jahrzehntelang hat im Regen stehen lassen. Dann hat sie ihnen mit Schutzschirmen und Hessenkasse vergiftete Geschenke gemacht. Diese stellen alles andere als einen partnerschaftlichen Umgang des Landes mit den Kommunen dar.

(Beifall DIE LINKE)

Die Grundsteuer belastet insbesondere die Menschen, die von der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre nicht profitieren konnten. Das sind Hunderttausende, die nach wie vor im Niedriglohnsektor schuften, weil die Ungleichheit bei den Einkommen in den letzten Jahren dramatisch gewachsen ist, von den Vermögen ganz zu schweigen. Sie wissen: Wir leben in einem Land, in dem die reichsten 10 % der Bevölkerung mehr als 60 % des gesamten Vermögens besitzen. Die schwarz-grüne Landesregierung zwingt die Kommunen dazu, die Grundsteuer zu erhöhen. Sie bekommen nicht einmal eine Initiative für eine Vermögensteuer auf die Kette.

(Zuruf CDU: Hat aber lang gedauert!)

So eine Politik ist nicht nur kommunalfeindlich, sondern sie ist auch sozial kalt und grundsätzlich falsch. Wer von den Kommunalfinanzen hier und heute reden möchte, der darf über die Vermögensverteilung und die entsprechende Gerechtigkeit in diesem Land nicht schweigen,

(Beifall DIE LINKE)

auch wenn Ihnen das in dieser alles in allem grün angestrichenen, aber in der Wirtschaftspolitik letztlich neoliberalen Koalition wohl ganz recht wäre.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Neoliberal?)

Wir jedenfalls bleiben dabei und werden das auch noch in diesen Haushaltsberatungen deutlich machen: Ohne eine Initiative für eine gerechtere Besteuerung der Reichen und Vermögenden in diesem Land werden wir die Verteilungsprobleme nicht lösen können. Starke Schultern müssen sich endlich stärker an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen. Dafür brauchen wir mehr Stellen in der Finanzverwaltung, mehr Anwärterstellen. Wir begrüßen durchaus, wenn dies substanziell hinterlegt wird. Aber wir brauchen vor allem ein gerechteres Steuersystem. Allein die Wiedereinführung der Vermögensteuer

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Ich wusste es! – Gegenruf Janine Wissler (DIE LINKE): Stets verlässlich!)

würde dem hessischen Landeshaushalt bis zu 2 Milliarden € zusätzliche Einnahmen bringen, mit denen wir in Hessen einiges in Angriff nehmen könnten, um dieses Land sozialer und gerechter zu gestalten. – Herr Dr. Naas, ich freue mich, dass Sie das auch freut. Wir brauchen die Wiedereinführung der Vermögensteuer.

(Beifall DIE LINKE)

Schauen wir uns die konkreten Projekte der Landesregierung an. Auf die Radwege wurde schon hingewiesen. Sie feiern sich, 2 Millionen € für neue Radwege an Landesstraßen zur Verfügung zu stellen. Damit kann man schätzungsweise 15 km Radwege bauen. Immerhin: Die seit drei Jahren auf den Weg gebrachte „Radwegeoffensive“ des grünen Verkehrsministers hat schon zu ganzen 10 km Radwegen geführt.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Nicht mal 10 km!)

– Fast 10 km Radwege. – Man sieht also: Mit Ihren Projekten geht es in Hessen voran. Auch beim öffentlichen Nahverkehr treten Sie weiterhin auf der Stelle,

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Aber nicht in die Pedale!)

statt wirklich etwas zu bewegen. Von den notwendigen Investitionen in den Ausbau von Schiene und für die beste Finanzierung des Nahverkehrs von Bussen sind wir weit entfernt. Das alles mag lustig klingen, ist aber symptomatisch für die Verkehrspolitik in diesem Land: Sie sind zwar immer gut darin, Öffentlichkeitsarbeit zu machen, aber am Ende kommt bei den Menschen in diesem Land nur wenig an. Was beim Thema „Radwege und Verkehrsressort“ noch amüsant klingt, wird im Umweltressort schon fast fatal. Mittlerweile müssen die Gewerkschaften des DGB das Umweltressort auf die Folgen des Klimawandels hinweisen. Die IG BAU wies im Rahmen der Haushaltsforderungen des DGB darauf hin, dass das Land vor 25 Jahren – ich zitiere – „rund viermal so viele Forstwirte und dreimal so viele Försterinnen und Förster beschäftigt“ hat. Das Problem dabei ist, dass angesichts der massiven Trockenheitsschäden im hessischen Wald die Kolleginnen und Kollegen bei Hessen-Forst mittlerweile der Lage kaum noch gerecht werden können. Da bleibt es ein Problem, dass der Betrieb Hessen-Forst derart kaputtgespart worden ist, dass es als vollkommen normal gilt, dass Beschäftigte ihre eigenen Kettensägen mit zur Arbeit bringen.

(Heiterkeit Janine Wissler (DIE LINKE))

Ich zitiere noch einmal die IG BAU: Ohne deutlich mehr Geld aus dem Landeshaushalt wird es künftig nicht mehr möglich sein, den hessischen Wald zukunftssicher zu machen. Hier reden wir mindestens über einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Wir fordern in diesem Zusammenhang auch, uns die erforderlichen Dienst- und Betriebsfahrzeuge und Motorsägen für die Forstwirte zur Verfügung zu stellen. Es ist ein besonderer hessischer Anachronismus, dass die Beschäftigten diese Arbeitsmaterialien aus der eigenen Tasche zahlen müssen. Meine Damen und Herren, so sieht es in einem der zentralen Betriebe des waldreichsten Bundeslandes aus, für den eine grüne Ministerin seit fünf Jahren zuständig ist. Die Beschäftigten müssen die Arbeitsmaterialien selbst bezahlen.

(Zuruf René Rock (Freie Demokraten))

Das ist doch keine Politik für den Klimaschutz. Das muss sich dringend ändern.

(Beifall DIE LINKE)

Kurzfristig Geld im Haushalt bereitzustellen ist das eine, aber Sie müssen auch mittelfristig etwas am Personalmangel ändern. Sie müssen die Beschäftigten unterstützen,

(Zuruf René Rock (Freie Demokraten))

damit sie noch besser in der Lage sind, den Wald in Hessen zu erhalten und voranzubringen. Wenn man sich die Handschrift der GRÜNEN beim hessischen Haushalt so anschaut, kommt man auf die Idee, dass grüne Politik – zumindest aus der Sicht der Beschäftigten von Hessen-Forst – noch nie so schwarz war.

(Beifall DIE LINKE)

Schwarz sind auch die Zukunftsaussichten, die Sie hier eröffnen. Sie halten stur an dem Kurs der schwarzen Null und der Schuldenbremse fest. Dieses verfehlte Dogma, das von immer mehr Menschen infrage gestellt wird, ist Ihnen wichtiger, als endlich soziale und ökologische Fragen für die Zukunft anzugehen. Diese Ideologie, die zum Glück endlich ein bisschen aufbröckelt, ist und bleibt zum Scheitern verurteilt. Hessen wird nicht besser, gerechter, grüner und schon gar nicht sozialer, solange wir eine Landesregierung haben, der ausgeglichene Haushalte wichtiger als Investitionen in die Zukunft sind. Bei den GRÜNEN im Bund, bei Teilen der Sozialdemokratie, bei der FDP an der einen oder anderen Stelle und sogar bei wirtschaftsnahen Forschungsinstituten hat man erkannt, dass die Schuldenbremse nicht auf Dauer aufrechtzuerhalten ist. Wann hören Sie endlich auf diese Stimmen? Wann kehren Sie endlich von diesem sinnlosen Dogma ab?

(Beifall DIE LINKE)

Wir haben schon in der Debatte im Haushaltsausschuss einiges zu den völlig abstrusen PPP-Projekten gehört, die wir heute auch noch auf die Tagesordnung setzen.

(René Rock (Freie Demokraten): Das habe ich allerdings auch nicht verstanden!)

Ich habe den Hinweis vom Kollegen Kaufmann von den GRÜNEN zur Kenntnis genommen. Ich hoffe, ich gebe Ihre Aussage jetzt auch richtig wieder. Sinngemäß sagten Sie, dass Privatisierungen, also PPP-Projekte, einige der wenigen Möglichkeiten sind, um die Schuldenbremse zu umgehen. – Das ist nichts anderes als das Eingeständnis dass Sie die Schuldenbremse als einen Hebel für den Ausverkauf von öffentlichem Eigentum nutzen wollen. Wir wollen das nicht. Wir lehnen das ab.

(Beifall DIE LINKE und Gernot Grumbach (SPD) – Zuruf René Rock (Freie Demokraten))

Es ist ziemlich abwegig, in Zeiten, in denen es teilweise negativen Zinsen gibt, vollständig auf Kredite zur Finanzierung von öffentlichen Aufgaben zu verzichten. Das trägt an der einen oder anderen Stelle immer absurdere Blüten, z. B., wenn der Bundesfinanzminister erklärt, dass Schulden mit negativen Zinsen ein Problem seien. Man kann dem Mann konstatieren: Er hat nicht verstanden, dass negative Zinsen für den Staat bedeuten, dass er mit Kreditgeschäften mehr Geld einnimmt, als er ausgibt.

(Michael Boddenberg (CDU): Für die Kleinsparer ist es ein Problem!)

Wir müssen deswegen die öffentliche Hand daran anpassen, dass wir eine historische Niedrigzinsphase haben. Das heißt aber nicht, dass man sorglos mit hessischen Steuermitteln umgehen sollte. Der hessische Finanzminister verrennt sich leider und hat mit mehr als problematischen und alles anderem als biederen Derivategeschäften Milliardenverluste produziert. Angesichts der enormen Finanzbedarfe, die wir beim Wohnungsbau, bei der kommunalen Infrastruktur sowie bei Schulen und Hochschulen oder bei der Verkehrs- und Energiewende an allen Ecken haben, ist es geradezu verrückt, weiterhin unbedingt auf der Schuldenbremse zu beharren, öffentliches Eigentum in Form von PPP-Projekten zu verkaufen und dann noch Schulden tilgen zu wollen. Das ist eine völlig irrsinnige Politik.

(Vereinzelter Beifall DIE LINKE)

Niemand will, dass Schulden ausufern. Wenn ich die Wahl habe zwischen einem schuldenfreien Land auf der einen Seite mit maroden Schulen, fehlendem ÖPNV und massiver Wohnungsnot und einem Land auf der anderen Seite, das verantwortungsvoll mit Krediten in die Zukunft investiert, in dem die Menschen zum Nulltarif mit Bussen und Bahnen zum Arbeitsplatz kommen können, in dem die Schulen nicht mehr die marodesten Gebäude in einer Kommune sind und in dem die Versorgung mit erneuerbaren Energien vorangebracht ist, weiß ich, wie wir uns entscheiden. Wir wollen ein Land mit guter öffentlicher Infrastruktur. Die Schuldenbremse muss weg. Die schwarze Null hat ausgedient. Raus aus der neoliberalen Mottenkiste

(Heiterkeit Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (DIE LINKE))

und hin zu einem sozial gerechten, ökologischen Politikwechsel.

(Beifall DIE LINKE)