Janine Wissler - Tempolimit ist Gebot der Vernunft

Tempolimit ist Gebot der Vernunft

Janine Wissler
Janine WisslerVerkehr

In seiner 27. Plenarsitzung am 11.12.2019 diskutierte der Hessische Landtag auf unseren Entwurf über die Einführung eines Tempolimits auf den hessischen Autobahnen. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden und verkehrspolitischen Sprecherin Janine Wissler:

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Im Januar hat eine hochrangige Expertenkommission der Bundesregierung Maßnahmen vorgeschlagen, wie die Klimaziele im Verkehrssektor noch erreicht werden können. Darunter war der Rat, ein generelles Tempolimit auf Autobahnen einzuführen – wie im Rest der Welt, muss man ja sagen. Die wenigen Ausnahmen sind: Somalia, Nordkorea, Mauretanien, Afghanistan und eben Deutschland.

Die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD hat diesen Vorschlag aber sofort rigoros abgelehnt. Zwar hatte die Bundesumweltministerin nach langem Herumdrucksen doch noch zu einer Art Position gefunden, aber insbesondere der CSU-Verkehrsminister steht unverbrüchlich an der Seite der Auto- und Raserlobby.

Gerade hat das Umweltbundesamt in einem Positionspapier erneut ein Tempolimit von 120 km/h für dringend erforderlich erklärt, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen – auch dies, ist zu befürchten, wird bei der Bundesregierung leider ungehört verhallen.

Dabei gibt es so viele gute Gründe, die Raserei auf deutschen Autobahnen zu beenden, dass fünf Minuten kaum reichen, um sie alle aufzuzählen. Aufhänger der Debatte ist der Klimaschutz,

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Oh ja!) und das zu Recht. Der Verkehrssektor belegt hierzulande nach der Kohleverstromung und der Industrie den dritten Platz mit einem Anteil von 20 % an den CO2-Emissionen. Vor allem ist es der Sektor, in dem die Emissionen eben nicht sinken, sondern immer weiter steigen. Neben dem Luftverkehr hat der Straßenverkehr dabei den größten Anteil. Das liegt auch daran, dass der Fortschritt bei effizienteren Motoren zu einem großen Teil darin verpufft, dass immer schwerere, größere und PS-stärkere Autos hergestellt und verkauft werden.

(Robert Lambrou (AfD): Ja, zum Beispiel 7er BMWs!)

Auch in dieser Entwicklung könnte ein generelles Tempolimit endlich bremsend wirken, nämlich insofern, dass dann weniger hoch motorisierte Autos gekauft würden, wenn man das Gaspedal nicht mehr durchtreten dürfte; damit könnte das Wettrüsten auf der Straße beendet und effizienten Motoren endlich ein Vorteil verschafft werden, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Mit der Einführung eines Tempolimits von 120 km/h ließen sich sofort jährlich mindestens 3 Millionen t CO2 einsparen –

(Zuruf CDU: Quatsch!) einfach so. Es ist geradezu fahrlässig, diese Maßnahme, die nichts kostet und einfach umzusetzen ist, nicht zu nutzen und lieber sehenden Auges weiter in die Klimakatastrophe zu rasen.

Klar ist auch, dass bei geringeren Geschwindigkeiten und einer entspannteren Fahrweise neben weniger CO2-Emissionen natürlich auch weniger Lärm und Schadstoffe ausgestoßen und weniger Treibstoff verbrannt würden. Mensch und Umwelt würden dabei nur gewinnen.

Das betrifft natürlich insbesondere auch den Sicherheitsaspekt. Auf deutschen Autobahnen sterben pro gefahrenen Kilometer mehr Menschen als etwa in Dänemark, Frankreich, der Schweiz, den dicht besiedelten Niederlanden oder dem dünn besiedelten Schweden – nicht nur, weil ein Unfall unwahrscheinlicher wird, wenn es weniger krasse Geschwindigkeitsunterschiede gibt, sondern weil man einen Unfall auch eher überlebt, wenn die Geschwindigkeitsunterschiede nicht so krass sind. Das ist eine reine Frage der Physik.

Es haben mittlerweile alle europäischen Länder ein Tempolimit. Um Ihnen das noch grafisch zu verdeutlichen:

(Die Rednerin hält eine Karte hoch, auf welcher die bestehenden Tempolimits in den Staaten Europas dargestellt sind.)

Dann spricht Bundesverkehrsminister Scheuer ernsthaft davon, dass ein Tempolimit gegen jeden Menschenverstand sei. Das ist eine Maßnahme, die wir in jedem Land haben.

(Beifall DIE LINKE – Demonstrativer Beifall CDU und Freie Demokraten – Lachen Freie Demokraten – Zuruf Hartmut Honka (CDU) – Unruhe)

– Herr Scheuer freut sich sicher. Ich glaube, im Moment hat er einen Untersuchungsausschuss an den Hacken und bekommt nicht allzu viel Applaus im Bundestag, aber dass ihm die letzten Reihen von CDU und FDP im Hessischen Landtag gratulieren, wird ihn sicher freuen.

(Heiterkeit DIE LINKE und AfD – Glockenzeichen)

Meine Damen und Herren, gerade letzte Woche meldete das Statistische Landesamt, dass 2018 die Zahl der tödlichen Unfälle in Hessen deutlich gestiegen ist – um 12 % auf 239 Personen. Bei echtenFreiheits- und Grundrechteeinschränkungen, beispielsweise bei stärkerer Überwachung oder bei den Geheimdiensten, da heißt es immer: Wenn doch die Maßnahme nur ein einziges Leben retten würde, dann würde sie sich lohnen. – Hier ließen sich viele Leben retten, bei einem Gewinn an Lebensqualität für die große Mehrheit.

(Beifall DIE LINKE)

Der Straßenverkehr würde bei geringeren Geschwindigkeitsdifferenzen angenehmer und flüssiger werden.

(Zuruf Hermann Schaus (DIE LINKE))

Wer ab und zu ins Ausland fährt, der merkt, dass man dort entspannter reist, und spätestens, wenn er über die Grenze zurück nach Deutschland kommt, merkt er dann den

Stress.

Weniger Unfälle bedeuten auch weniger Staus. Es gibt also eigentlich nur Vorteile. Eigentlich wäre es eine Frage des gesunden Menschenverstandes, wenn die Diskussion in Deutschland nicht so verbohrt wäre, dass Rasen als „Freiheit“ missverstanden wird.

Wir fordern die Landesregierung auf, die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Anordnung von hessischen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf hessischen Straßen zu nutzen, soweit das möglich ist, aber sich vor allem auch im Bund dafür einzusetzen, das es endlich ein generelles Tempolimit gibt.

Die GRÜNEN haben im Oktober einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der leider abgelehnt worden ist. Wir bauen daher hier auf Ihre Unterstützung für mehr Sicherheit, für den Klimaschutz und weniger Schadstoffe. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)