Pressemitteilung

Hanau-Untersuchungsausschuss: Abschlussbericht mit Persilschein für das CDU-Innenministerium statt umfassender Aufklärung

Saadet SönmezHanauAntifaschismusInnenpolitikJustiz- und RechtspolitikRegierung und Hessischer Landtag

Anlässlich der Einbringung des Entwurfs des Abschlussberichtes durch den Ausschussberichterstatter Ruhl (CDU) in der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschuss Hanau erklärt Saadet Sönmez, Obfrau im Untersuchungsausschuss Hanau für die Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag sowie Wahlkreisabgeordnete für den Main-Kinzig-Kreis:

„Einen Untersuchungsausschuss-Abschlussbericht, der einen Persilschein für die schwarzgrüne Innenpolitik ausstellt, hätte es nicht gebraucht. Der Entwurf des Berichterstatters hinkt meilenweit der tatsächlichen Aufklärungsarbeit des Ausschusses hinterher. Für die Öffentlichkeit, die Überlebenden und Angehörigen der Opfer ist dieser Entwurf ein Affront. Es springt besonders ins Auge, dass von der SPD geführte Behörden wie die Waffenbehörde Main-Kinzig und die Stadt Hanau – zu Recht - scharf kritisiert werden, Peter Beuths Verantwortung und die des Innenministeriums jedoch mit Samthandschuhen angefasst und sogar mit Lob bedacht werden.“

Bei vielen Einzelfragen komme DIE LINKE zu anderen Schlussfolgerungen als der CDU-Berichterstatter, so Sönmez. Es gäbe eine ganze Kette von polizeilichem Organisationsversagen bei dem Einsatz in der Tatnacht und im Nachgang. Deshalb habe DIE LINKE Änderungsanträge zum Berichtsentwurf eingebracht. So könne man dem Ganzen nicht zustimmen. Dass der grüne Koalitionspartner aus Koalitionsräson den Entwurf mittrage, sei ein Offenbarungseid.

Sönmez: „Die Fraktion DIE LINKE. im Hessischen Landtag kommt bei zahlreichen Einzelfragen zu anderen Bewertungen als der Berichtsentwurf.“

 

Hintergrund zu dem aus Sicht der LINKEN bestehenden Änderungsbedarf

Gefährderansprachen

Wir kommen zu dem Schluss, dass es gegenüber den Überlebenden und den Angehörigen der Opfer zu einer klassischen Täter-Opfer-Umkehr kam. Sie wurden die Überlebenden und Angehörigen der Opfer wegen der Rückkehr des Vaters des Täters nach Hanau mit Gefährderansprachen konfrontiert, anstatt ihnen Schutz anzubieten und ihre Bedürfnisse abzufragen. Dies ist vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit den Ermittlungen zum NSU und den tatsächlichen bedrohlichen Äußerungen und Handlungen des Vaters besonders bitter. Skandalös ist, dass dieses Vorgehen der Polizei nicht intern aufgearbeitet wurde. Im Ausschuss haben die beteiligten Polizisten bestritten, eine klassische Gefährderansprache durchgeführt zu haben. Aus den Akten wird deutlich, dass innerhalb der Polizei die Überlebenden und Angehörigen klar als potentielle Gefahr für den Vater behandelt wurden. 

Das Handeln der Polizei hat zur Traumatisierung der Überlebenden und Angehörigen beigetragen.

Notruf

Der unzureichend ausgestattete Notruf der Polizeistation Hanau I ist das Ergebnis eines Organisationsversagens der hessischen Polizei. Von den in der Wache eingesetzten Beamten bis zum Landespolizeipräsidenten gab es ein systematisches Nichtwissen um die Funktionsweise des Notrufs, konkret, dass es keinen Überlauf gab. Dieses versagen wurde zudem im Nachgang polizei-intern nicht aufgearbeitet. Deshalb fordern wir als Konsequenz eine Entschuldigung bei den Angehörigen und der Hanauer Öffentlichkeit.  

Notausgang

Inzwischen teilen alle Fraktionen die Erkenntnis, dass der Notausgang der Arena Bar in der Tatnacht verschlossen war. Zwar gibt es in den vorliegenden Akten keine Beweise, dass der Grund dafür Absprachen zwischen Polizei und Betreiber gewesen sein könnten, doch der Berichtsentwurf unterlässt es festzustellen, dass diese Möglichkeit weiterhin nicht ausgeschlossen werden kann und somit nicht abschließend aufgeklärt werden konnte.

Bewaffnung des Täters

Zwar gibt es zum laxen Umgang der Waffenbehörde Main-Kinzig mit den Genehmigungen der Waffen des Täters sinnvolle Kritik, aber die Handlungsempfehlungen sind viel zu unzureichend. Die leichte Verfügbarkeit von tödlichen Schusswaffen sollte grundsätzlich zurückgedrängt werden. Dazu gehört auch die vollständige Umstellung auf nicht-tödliche Schusswaffen im Bereich des Schießsports. Das Problem des legalen Waffenbesitzes sollte an der Wurzel angegangen werden.

Wir haben umfangreichen Änderungsbedarf bei der Bewertung und Handlungsempfehlungen, den wir in den kommenden Beratungen einbringen werden.