Pressemitteilung

Urteil im Lübcke-Mordprozess: Für die Opfer und Hinterbliebenen eine Zumutung, für den Untersuchungsausschuss des Landtags eine Verpflichtung!

Hermann SchausLübcke-MordAntifaschismusInnenpolitik

Mehr als anderthalb Jahre nach dem schrecklichen Mord am ehemaligen Regierungspräsidenten von Kassel, Dr. Walter Lübcke, endet heute der Hauptprozess gegen Stephan Ernst und Markus H. mit dem Urteilsspruch des Oberlandesgerichts Frankfurt. Dazu erklärt Hermann Schaus, stellvertretender Vorsitzender des Lübcke-Untersuchungsausschusses und innenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag:

„Der schmerzvolle und schwierige Hauptprozess kann das Geschehene kaum gerecht aufarbeiten. Das ist einerseits nicht anders möglich, weil die Einlassungen sowie das Schweigen der beiden Angeklagten in sich völlig widersprüchlich waren. Auch die Ankläger der Bundesanwaltschaft und die Nebenkläger lagen in ihren Plädoyers und Forderungen weit auseinander. Der Urteilsspruch kann diese Widersprüche nicht auflösen.

Besonders bitter: Der Mordversuch an Ahmed I. bleibt ungesühnt, die Rolle von Markus H. bei der Hetzkampagne und beim Mord an Walter Lübcke ebenso. Der illegale Waffenhandel und Schießtrainings wurden ebenso nicht angeklagt wie die Bildung einer terroristischen Vereinigung. Und nicht einmal ansatzweise aufgearbeitet wurde wieder das Versagen der Behörden. Recht und Gerechtigkeit klaffen meilenweit auseinander!“

In den Ermittlungen habe man dieselben Fehler gemacht, wie man sie von Ermittlungsverfahren gegen die militante Rechte allzu häufig kenne. Viel zu früh sei von einem Einzeltäter ausgegangen und die Spuren beim Mordversuch an Ahmed I. in die rechte Szene nicht richtig verfolgt worden, so Schaus. Die Bundesanwaltschaft habe weder banden- und gewerbsmäßigen Waffenhandel, noch die Bildung einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Aus den ‚Strukturermittlungen‘ des BKA habe sich, analog zum NSU, bis heute kein verwertbarer Verfahrensansatz ergeben.

„Warum bei Markus H. die Waffenbeschaffung, die Schießtrainings, die Hasskampagne und die Löschung aller Kommunikation unmittelbar nach dem Lübcke-Mord nicht reichten, um ihn mindestens der Beihilfe zum Mord zu verurteilen, ist schwer vermittelbar, besonders gegenüber den Angehörigen. In diesem Punkt haben nicht nur die Ermittlungen, sondern auch die Anklage und der Prozess versagt. Die Verhöhnung des Gerichtes durch die Verteidiger des Markus H. und ihre offen nationalsozialistische Propaganda offenbaren eine kaum erträgliche Ohnmacht der Justiz und des Rechtsstaates gegenüber Neonazis.

Das ist besonders bitter für den schwer verletzten und traumatisierten Ahmed I. sowie für die Angehörigen von Walter Lübcke. Dass diese den Behörden schwere Fehler vorwerfen, ist allzu verständlich. Der Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags kann keinen Ersatz für polizeiliche Ermittlungen und juristische Aufarbeitungen leisten. Aber er hat den Auftrag, herauszuarbeiten, wer für Fehler verantwortlich ist. Und er muss politische Konsequenzen aufzeigen, wenn der Staat und die Behörden nicht immer und immer weiter am Kampf gegen Rechtsterror scheitern sollen.“