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Rede

Abfallentsorgung in der Kaliindustrie: Nur sofortiges Umsteuern kann Arbeitsplätze retten

Marjana Schott
Marjana Schott

Rede von Marjana Schott

Dr. 19/2903 (16.12.2015), Top: 50

– Es gilt das gesprochene Wort –


Sehr geehrte/r Frau/Herr Präsident/in,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Weil wir einen großen Teil unseres Trinkwassers aus dem Grundwasser beziehen, wird es vom Gesetzgeber besonders geschützt. In § 48 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHH) heißt es zur Reinhaltung des Grundwassers:

"(1) Eine Erlaubnis für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in das Grundwasser darf nur erteilt werden, wenn eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist."
Spätestens seit der Stellungnahme des HLUG vom Juli 2014 wissen wir, dass eine nachteilige Veränderung des Grundwassers nicht nur zu besorgen ist, sondern schon lange eingetreten ist. Der Grund dafür liegt zweifelsfrei in der Versenkung von Salzabwässern.
Dies wusste zumindest vor 5 Jahren auch noch Kollegin Erfurt von den Grünen. Am 15. Dezember 2010 hielt sie an dieser Stelle im Plenarsaal der

damaligen Umweltministerin Lucia Puttrich entgegen:
"Sie wissen doch, die Versenkung muss im Jahr 2011 beendet werden. Es gibt ein Gutachten der Landesregierung, wonach die Versenkung danach nicht mehr genehmigungsfähig ist.“
[Plenarprotokoll 62. Sitzung 15. 12.2010, S. 4383, 4384]

Heute – 5 Jahre später – will Frau Erfurt von diesem Gutachten der Landesregierung nichts mehr wissen und hilft ihrer Umweltministerin und Parteikollegien Priska Hinz die Öffentlichkeit zu belügen.
Die grüne Fraktion ignoriert, dass das HLUG zweifelsfrei im Sinne des § 48 des Wasserhaushaltsgesetzes eine Besorgnis festgestellt hat. Sie deckt ihre Umweltministerin, die seit dem 11. Juli 2014 um diese Besorgnis weiß und trotzdem den Vier-Phasen-Plan mit der Option der Versenkung aufgestellt hat.
Die grüne Fraktion sieht darüber hinweg, dass die Hessische Umweltministerin diese Informationen dem Ausschuss, dem Parlament und der Öffentlichkeit mit Absicht vorenthalten hat. Priska Hinz hat dies vertuscht, weil sie wusste, dass die Anerkennung der Ergebnisse des HLUG das „Aus“ für den Vier-Phasen-Plan bedeuten würde und weil sie die Versenkerlaubnis aus 2011 nicht widerrufen wollte. Sie leugnet bis heute, was ihre Parteikollegin vor 5 Jahren hier ausgesprochen hat: Dass die Versenkung nicht mehr genehmigungsfähig ist.

Das Plenarprotokoll hat an dieser Stelle noch einen Zwischenruf von Ursula Hammann festgehalten:
„Es kommt überall heraus!", rief sie der Ministerin zu. Die versenkte Salzlauge kommt immer noch „überall heraus“, aber die grüne Umweltministerin leugnet seit Herbst letzen Jahres den Zusammenhang zwischen Versenkung von Salzabwässern und der Versalzung des Grund- und Trinkwassers. Sie ignoriert die Anzeigen die gegen sie vorliegen und sie versucht zu vertuschen, dass das dreidimensionale Grundwassermodell auf unabsehbare Zeit keine Prognosen über den Verbleib der versenkten Salzlauge liefern wird. Anlässlich der Hausdurchsuchung bei K+S stellt das Thüringer Landeskriminalamt fest, dass die erforderlichen Voraussetzungen zur Versenkung von Kaliabwässern nach dem Wasserrecht nicht gegeben waren.

„Aufgrund der geologischen Beschaffenheit der Gerstunger Mulde musste von vornherein damit gerechnet werden, dass die versenkten Mengen an Salzlauge nicht wie angenommen in der Speicherformation „Plattendolomit“ verbleiben, sondern sich unkontrolliert ausbreiten.“ [Pm Landeskriminalamt Thüringen, 09.09.2015 ]

Das ist in Hessen genauso, aber die Hessische Ministerin behauptet, dass die Geologie jenseits der Grenze eine ganz andere sei und die Versenkung in Hessen nichts mit Salzabwasseraufstieg in Thüringen zu tun habe.

Das ist Unfug, Frau Ministerin, und das schlimme ist, dass sie und die grüne Fraktion das wissen. Die Versenkung von Salzabwässern in Hessen versalzt das Grundwasser in Hessen und in Thüringen.
Sie hätten Aufgrund des fehlenden Nachweises der Unbedenklichkeit das Regierungspräsidium Kassel anweisen müssen, die Versenkgenehmigung von 2011 zu widerrufen. Für eine erneute Versenkerlaubnis im Rahmen des „Vier-Phasen-Plans“, des „optimierten Vier-Phasen-Plans“, des „Masterplans Salzreduzierung“ oder einer aktuell geforderten „Übergangsregelung“ gibt es weder eine sachliche, noch eine gesetzliche Grundlage.

Zum Antrag von K+S auf Versenkung von Salzabwässern bis 2021 stellt das Thüringer Landesverwaltungsamt in einem Schreiben vom 30.10. an das RP Kassel zusammenfassend fest,
„dass der Antrag in der vorliegenden Form nicht erlaubnisfähig ist. […] Ebenso sind die künftigen Auswirkungen der beantragten Salzabwasserversenkung nicht zu kalkulieren und nicht zu überwachen“. [Schreiben an das RP Kassel, 30.10.2015, S. 1]

Auch diese Information haben sie dem Umweltausschuss wieder vorenthalten, genauso wie die neue Stellungnahme des HLUG. Wir wissen, dass das HLUG nach dem 17.11. eine weitere Stellungnahme erarbeitet hat. In welcher ihrer Schubladen liegt die eigentlich, Frau Ministerin?

Ihre grüne Thüringer Kollegin Anja Siegesmund lehnt eine Versenkung aufgrund der ihr vorliegenden Gutachten ab. Sie, Frau Ministerin, sagten hingegen in der letzten Sitzung des Umweltausschusses, dass auch die Gutachten aus Thüringen zu keinem anderen Ergebnis kommen würden, als der hessische Behördengutachter HG, nämlich, dass das Grundwassermodell von K+S im Prinzip prognosefähig sei. Auch das entspricht nicht der Wahrheit, Frau Ministerin.

Die von den Thüringer Behörden beauftragte Ingenieursgesellschaft delta H ist bereits nach einer einfachen Prüfung des von K+S vorgelegten Grundwassermodels zu einem vernichtenden Urteil gekommen:
Mit dem Modell „ […] können weder qualitative noch quantitative Aussagen über den Verbleib des Salzwassers im Buntsandstein getroffen werden.“ [delta H, 10.10.2015, S. 46]

An mehreren Stellen zeigt das Thüringer Gutachten, dass das Modell mit fragwürdigen Eingangsparametern rechnet. Beispielsweise wurde der Grundwasserstand im Versenkraum des Plattendolomits mit 70 Metern zu tief angesetzt. Der für die Salzabwässer zur Verfügung stehende Versenkraum wurde damit größer gemacht, als er in Wirklichkeit ist. Mit dieser falschen Grundannahme kann das Modell keine realistischen Ergebnisse liefern. Entweder ist hier schlampig gearbeitet oder betrogen worden. Das Gutachten liegt ihnen ja vor, Frau Ministerin, und sie wissen was darin steht, sind aber nicht bereit, wenigstens die Abgeordneten darüber zu informieren und schon gar nicht bereit, Konsequenzen daraus zu ziehen.

Entscheidend ist, dass der Hessische Behördengutachter diesen Fehler nicht benannt hat und die hessische Umweltministerin - wie in ihrer Pressmitteilung von gestern - unverdrossen an dem Grundwassermodell als Nachweis der Unbedenklichkeit festhält und an einer Versenkgenehmigung arbeiten lässt.

Das ist Wahnsinn.

Für eine weitere Versenkung gibt es keine rechtliche Grundlage. Im Gegenteil: Wer auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse eine Versenkgenehmigung erteilt und sei es nur kurzfristig, macht sich strafbar. Als Leiterin der aufsichtsführenden Behörde hat die Umweltministerin die Pflicht das RP Kassel zu stoppen. Das macht die Ministerin aber nicht: Es ist eine politische Entscheidung, dass das RP genau so verfährt. Die Beamtinnen und Beamten sollen wider besseren Wissens die Versenkung genehmigen. Damit machen sie sich strafbar, Frau Ministerin. Wie das ausgehen kann zeigen die Ermittlungen in Thüringen.

Kommen wir zu den Arbeitsplätzen in der Kaliindustrie und der Erpressung durch K+S.
Auch das hat Kollegin Sigrid Erfurt von den Grünen vor 5 Jahren - als sie noch eine klare Sicht auf die Kaliproduktion hatte - an dieser Stelle gut auf den Punkt gebracht. Ich zitiere:
"Wir GRÜNE wollen, dass die Arbeitsplätze bei Kali + Salz zukunftsfähig werden, und das geht nach unserer festen Überzeugung nur, wenn das Unternehmen seine Laugenabwässer so entsorgt, dass das in Zukunft genehmigungsfähig ist, und es Entsorgungswege findet, die die Umwelt nicht so belasten wie bisher."

Das war und ist sehr richtig Frau Erfurt. Aber jetzt unterstützen sie eine nicht genehmigungsfähige Entsorgung und führen damit genau die CDU-Politik der letzen Jahrzente weiter, dies sie früher aufs Schärfste kritisiert haben.

Eine Politik, die krachend gescheitert ist. Eine Politik der umweltpolitischen Zugeständnisse an die K+S AG, von denen absehbar war, dass sie genau zu diesem Dilemma führen. Das Ökodumping der letzten Jahrzente hat die Renditeerwartungen der Kapitaleigner befriedigt aber den Aufbau einer umweltverträglicheren Kaliproduktion in Hessen und Thüringen verhindert.

Weil die Hessischen Landesregierungen K+S nicht auf die Einhaltung der Umweltgesetzgebung verpflichtet haben, tragen sie für die aktuell prekäre Situation auch Mitverantwortung. Selbstverschuldet sind sie Teil einer Inszenierung von K+S geworden, in der Arbeitsplätze gegen Umweltschutz ausgespielt werden. Diese Inszenierung treibt die Konzernleitung von K+S jetzt auf die Spitze, in dem sie Kurzarbeit androht, die sie mit Entsorgungsnotstand begründet.

Es gibt aber aktuell keinen Entsorgungsnotstand. Die Stapelbecken sind nicht gefüllt. Kollege Landau hat selbst erklärt, dass ein großes Stapelbecken ausreiche, um die Abfalllauge eines ganzen Monats aufzunehmen. Es gibt drei leere Stapelbecken. Die zulässige Einleitung in die Werra wird nicht ausgeschöpft und die Düngerlager von K+S sind voll.

K+S hat aktuell kein Entsorgungsproblem. Der Konzern hat ein Absatzproblem für Kalidünger und die Produktion hätte ohnehin gedrosselt werden müssen – das ist die Wahrheit.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Betrieb in Unterbreizbach seit 2014 laut K+S weder auf die Einleitung von Salzabwässern in die Werra noch auf die Versenkung im Untergrund angewiesen sei - die Produktion also überhaupt nicht von einer fehlenden Versenkgenehmigung betroffen ist.

2009 hat K+S noch erklärt, dass die Versenkung von Abwässern bis 2015 beendet werden soll. Auf Kosten seiner Arbeiterinnen und Arbeiter versucht K+S jetzt eine weitere Versenkung zu erpressen. Das ist ein durchsichtiges Manöver. Das ist schäbig. Die Konzernleitung spielt mit ihren Beschäftigten und die Hessische Landesregierung lässt sich vorführen.

Seit mindestens 15 Jahren wissen die politisch Verantwortlichen und der Konzern, dass die Vernichtung von Trinkwasser und die Versalzung von Flüssen und Böden ein Ende haben muss. Anstatt K+S immer wieder eine günstige, aber umweltschädliche und rechtswidrige Entsorgung seiner Abfälle

zu ermöglichen, muss der Konzern von der Politik gezwungen werden, die Umweltgesetze einzuhalten und moderne Produktionsmethoden einzusetzen. Der Weg, auf Kosten der Umwelt und der Allgemeinheit Abfälle günstig in die Landschaft, in Flüsse und das Grundwasser zu entsorgen, verursacht große Ewigkeitslasten und hohe Kosten. Das wussten die Grünen früher. Das wissen die Grünen auch heute, was sie aber nicht daran hindert, die realpolitische Versalzungspolitik von CDU, FDP und SPD weiter zu betreiben.

Das, meine Damen und Herren, trifft auch auf den neuen Masterplan Salzreduzierung zu. Es gibt kein funktionierendes Verfahren, die steilen Salzhalden abzudecken. Und wenn es eines gäbe, ist das keine dauerhafte Lösung. Wie viele Jahrhunderte sollen die Halden in der Landschaft stehen? Wer soll eine dauerhafte Abdeckung finanzieren?

Die Einlagerung von Salzlauge in die Hohlräume unter Tage ist gefährlich, weil Lauge die Säulen, die das Deckgebirge tragen, angreifen können. 2009 hat K+S eine Laugenstapelung unter Tage selbst ausgeschlossen, weil es zu gefährlich sei.

Dieser Masterplan reicht nicht aus, um unsere Umwelt angemessen zu schützen. Er ignoriert das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie und die EU-Kommission hat auch kein positives Signal gegeben, wie die Umweltministerin vor wenigen Tagen behauptete.
Und warum glauben Sie, K+S würde jetzt mehrere Milliarden investieren, wo der Konzern noch letztes Jahr nicht bereit war, 500 Millionen in eine Pipeline zu investieren.
„Zeit schinden, um weiterhin kostengünstig zu Entsorgen. Das ist die Strategie von K+S“, sagte ich am 16.12.2010 an dieser Stelle. Und:

„Es wird sich zeigen, dass die Industriepolitik von CDU und FDP und SPD, vorgeblich zur Sicherung des Standortes und der Arbeitsplätze, genau das Gegenteil erbringen wird.“
Genau das droht jetzt,nur dass die Grünen an der Spitze dieser Industriepolitik des Protektionismus nach Gutsherrenart – ohne Blick auf das Gemeinwohl – stehen.

K+S will Kapazität im Kalirevier abbauen. Der Konzern hat den konkreten Plan, den Standort Unterbreizbach in Thüringen vor dem Ende des Kalivorkommens zu schließen. So steht es in dem von der Hessischen Umweltministerin mit ausgehandelten Vier-Phasen-Plan, den wir auch deshalb scharf kritisiert haben.
In nur 7 Jahren hätte eine nachhaltige Lösung der Entsorgung aufgebaut werden können. Jetzt ist die Zeit knapp geworden. Es drohen der Verlust von Arbeitsplätzen, Strafzahlungen an die Europäische Union und die Einschränkung der Produktion. Für eine langfristige Sicherung der Arbeitsplätze und den Schutz der Umwelt muss K+S seine Produktionsverfahren schnellstmöglich umstellen.

Eine abwasserfreie Kaliproduktion ist möglich!

Spätestens seit dem United Nations Environmental Programme (UNEP 2001) muss eine abwasser- und abstoßfreie Kaliproduktion als Regelfall angesehen werden. Seit Jahren tritt DIE LINKE dafür ein, dass K+S mit modernen Produktionstechniken flüssige Abfälle eindampft, darin enthaltene Rohstoffe zusätzlich verwertet und die festen Reste zusammen mit den Halden wieder in die Hohlräume unter Tage bringt.
In anderen Ländern wird so produziert. Das erhöht die Ausbeute, sichert die Hohlräume, entlastet die Umwelt und sichert länger die Arbeitsplätze im Kalirevier.
Wir brauchen eine Politik, die K+S zwingt, diese Schritte zu gehen. Was wir nicht brauchen ist eine grüne Umweltministerin,
• die Informationen zurückhält,
• die die Abgeordneten und die Öffentlichkeit nicht oder falsch informiert,
• die sich von K+S vorführen lässt und
• die sich mit einer weiteren Genehmigung der Versenkung strafbar macht.