Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Änderungen sind von gravierender Bedeutung für Bürgerbeteiligung bei Großprojekten"

Zur zweiten Lesung des Gesetzes zur Änderung des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und anderer Vorschriften

 

Zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und anderer Vorschriften


Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zugegebenermaßen handelt es sich beim Verwaltungsverfahrensgesetz eher um verwaltungsinterne technische Abläufe, die aber für die Bürgerinnen und Bürger von besonderer Bedeutung sein können. Insbesondere wenn es um die Genehmigungen von Großprojekten, z. B. von einem Endlager für radioaktive Abfälle, von Stromtrassen oder Bahntrassen, geht, ist es natürlich wichtig, inwieweit die Öffentlichkeit einbezogen werden kann, Einwendungen erheben kann und dann auch Erörterungstermine vorgenommen werden können, um eine entsprechende Bürgerbeteiligung zu gewährleisten.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweifelsohne enthält das Gesetz Verbesserungen in der Angleichung mit dem Bundesrecht, aber es wird nicht alles 1 : 1 umgesetzt. Das war für unsere Fraktion auch der Anlass, weshalb wir als einzige Fraktion diesem Gesetzentwurf im Ausschuss nicht zugestimmt haben und auch nicht zustimmen werden, weil neben der schriftlichen Anhörung von Experten unser Antrag abgelehnt wurde, mit diesen Experten, die zu Teilen Widerspruch und Kritik an den Vorschriften geäußert haben, auch eine mündliche Erörterung durchzuführen, die normalerweise – so sage ich mal, und das sollte unter Demokratinnen und Demokraten selbstverständlich sein – eher obligatorischer Art ist, bevor man zu einer Entscheidung kommt. Das ist sozusagen der formale Grund für unsere Position.

Es gibt natürlich auch noch einen inhaltlichen Grund. Hier verweise ich insbesondere auf die Stellungnahme des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung in Speyer, das in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen hat – und das hätten wir gerne mit denen diskutiert –, wie es sich auswirkt, wenn hier eine Abweichung von den bundesrechtlichen Vorschriften vorgenommen wird.

Herr Präsident, ich darf zitieren aus der Stellungnahme des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung in Speyer. Auf Seite 25 unter Ziffer 2 steht: Dass im hessischen Verwaltungsverfahrensrecht anders als nach §73 Abs. 6 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes weiterhin nicht alle von dem geplanten Vorhaben Betroffenen, sondern neben dem Vorhabenträger und den Behörden nur diejenigen, die Einwendungen erhoben oder Stellungnahmen abgegeben haben, am Erörterungstermin sollen teilnehmen können, führt ebenfalls nur zu einer Abwertung des Erörterungstermins im Vergleich mit dem Bundesrecht. Die zentrale Funktion des Erörterungstermins besteht darin, Transparenz zu schaffen und alle von dem Vorhaben berührten Interessen in einem öffentlichen Diskurs zu erörtern. Mit Blick auf diese Aufgabenstellung wirkt die genannte Beschränkung des Teilnehmerkreises dysfunktional.

Mit anderen Worten: Hier wird eine Einschränkung vorgenommen, die es im Bundesrecht aus unserer Sicht berechtigterweise nicht gibt und die durchaus von gravierender Bedeutung ist, wenn es um Bürgerbeteiligung bei solchen Großprojekten geht.

Das ist nur ein Punkt; ich könnte noch mehrere Punkte aufzählen, wo die Sachverständigen zu unterschiedlichen Bewertungen gekommen sind. Auch der Hessische Datenschutzbeauftragte hat, unter anderem was die Frage der elektronischen Signierung angeht, Probleme mit dem System D-Mail angezeigt und auch auf seinen jüngsten Datenschutzbericht verwiesen, wo er das ausführlich behandelt.

Wir sind der Meinung, es wäre wert gewesen, darüber noch einmal zu diskutieren und mit den Experten zu beraten. Das haben Sie mit Ihrer Mehrheit nicht zugelassen. Daher lehnen wir den Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der LINKEN)