Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Neuer Tarifabschluss für Landesbeschäftigte - 04.04.2019 - 10. Plenarsitzung
00:38 Alexander Bauer, CDU-Fraktion 06:22 Volker Richter, AfD-Fraktion 10:26 Jürgen Frömmrich, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 16:40 Stefan Müller, Fraktion der Freien Demokraten 22:58 Hermann Schaus, Fraktion DIE LINKE 28:34 Volker Richter, AfD-Fraktion 29:30 Staatsminister Peter Beuth, Hessischer Minister des Innern und für Sport 37:00 Günter Rudolph, SPD-Fraktion 44:20 Hermann Schaus, Fraktion DIE LINKE 47:20 Volker Richter, AfD-Fraktion 50:13 Stefan Müller, Fraktion der Freien Demokraten 51:48 Staatsminister Peter Beuth, Hessischer Minister den Innern und für Sport

Antrag Aktuelle Stunde Fraktion der CDU Neuer Tarifabschluss garantiert Landesbeschäftigten kräftiges Lohnplus, Nachwuchspaket und alle Vorteile des Hessentarifs

Hermann Schaus

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Dass die AfD mit Tarifpolitik und Tarifverhandlungen wenig Erfahrung hat und wenig beitragen kann, hat mich nicht überrascht. Überrascht hat mich allerdings, dass Sie dann vom Spitzensteuersatz, von kalter Progression, Energiepreisen oder der Kugel Eis reden. Wenn das ein Schulvortrag gewesen wäre, dann wäre das Thema sicherlich verfehlt gewesen. Ich meine, das ist auch hier der Fall.

Aber zurück zum Thema. Auch ich freue mich, dass es nach den Warnstreiks der letzten Woche, am vergangenen Freitag, in der dritten Verhandlungsrunde gelungen ist, mit den Gewerkschaften einen Tarifabschluss für die 45.000 Tarifbeschäftigten beim Land Hessen zu vereinbaren. Dieser Tarifabschluss stellt eine weitgehende Übertragung des Tarifergebnisses der Tarifgemeinschaft der Länder dar, der für alle übrigen Bundesländer gilt.

Positiv sind aus meiner Sicht unter anderem folgende Detailregelungen – es ist schon angesprochen worden –: die Steigerungen um 3,2 % in den Jahren 2019 und 2020 sowie die Steigerung um 1,4 % im Jahr 2021, die soziale Komponente zur Stärkung der Eingangsgruppen, auch wenn die Mindestbeträge zeitlich leicht verschoben wurden, die etwas höhere Ausbildungsvergütung und die weitere Festschreibung des Landestickets, so wie es zuvor bereits im Koalitionsvertrag vereinbart worden war.

Und nicht zu vergessen: die Vereinbarungen zur Übertragung der Tarifergebnisse, „zeitgleich und systemgerecht im Volumen“, wie es in Nr. VII der Tarifvereinbarung heißt, auf alle Beamtinnen und Beamten und auf die Versorgungsempfänger. Das beginnt ja ab dem 1. Mai dieses Jahres rückwirkend. Wir werden sicherlich zügig eine entsprechende Gesetzesvorlage der Landesregierung erhalten.

Ich will aber auch eine der 150 Sonderregelungen ansprechen. Ich habe mich ein bisschen gewundert; denn ob sich allerdings alle anderen Beschäftigten beim RP darüber freuen, dass nun die Beschäftigten im Ausländerwesen und bei Rückführungen, die überwiegend Aufgaben zur Durchführung des Aufenthaltsgesetzes und Asylgesetzes wahrnehmen, eine monatliche Zulage von 100 € erhalten,
muss sich erst noch zeigen. Ich gehe aber davon aus, dass das eine Forderung der Arbeitgeberseite war, die von den Gewerkschaften aufgegriffen wurde.

Als Gewerkschaftssekretär, der selbst Tarifverhandlungen geführt hat, macht mich allerdings, bei aller Freude über das Ergebnis, eine Tatsache stutzig: die Verhandlungsdauer.  Wenn weitgehend Tarifergebnisse der TdL übernommen wurden, wieso haben dann die Tarifverhandlungen in der letzten Woche mehr als 17 Stunden gedauert, mit Nachtsitzungen bis am Freitag um 6:10 Uhr? So eine Tarifübernahme dauert normalerweise drei bis vier Stunden und nicht länger.

(Holger Bellino (CDU): Wenn Ihnen sonst nichts einfällt, Herr Schaus, dann ist der Vertrag doch wohl gut! Tarifautonomie!)

– Warten Sie einmal ab, Herr Bellino. – Ich hege deshalb den Verdacht

(Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– ja, die GRÜNEN sollten auch zuhören –, dass die Rückkehr in die TdL seitens des Innenministeriums nicht mit Nachdruck betrieben werden sollte. Dabei macht mich auch die stete besondere Betonung

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Stete besondere Betonung“?)

– ja, die stete besondere Betonung – sowohl des Ministers als auch in dieser Aktuellen Stunde seitens der CDU, der „Vorteile des Hessentarifs“, also der über 150 Sonderregeln, stutzig.

(Beifall DIE LINKE – Michael Boddenberg (CDU): Was die da wohl gemacht haben!)

Lassen Sie mich Folgendes sagen: Alle Flächentarifverträge, sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst, sollen neben einer gleichen, angemessenen Bezahlung vor allem die Konkurrenz zwischen den einzelnen Arbeitgebern ausschließen. Das gilt im Übrigen auch im Verhältnis der
Länder untereinander.

Herr Minister Beuth, ich kann Sie nur davor warnen, hier ein doppeltes Spiel zu betreiben,

(Michael Boddenberg (CDU): Was?)

um hinter dem Rücken des Koalitionspartners den von Roland Koch im Jahr 2003 begonnenen hessischen Sonderweg, den die Landesbediensteten und alle hessischen Gewerkschaften immer bekämpft haben, weiter fortsetzen zu wollen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich finde das Jobticket toll und auch die Familienzulage!)

Darauf müssen Sie achten. Da nehme ich die GRÜNEN in die Verpflichtung. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt für die Rückkehr in die TdL. Das sollte jetzt auch konsequent angegangen werden. Wir werden die GRÜNEN daran messen, ob das gelingen wird oder nicht. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE – Zurufe Holger Bellino (CDU) und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
 

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass ich den Tarifvertrag oder die Vereinbarung – – Es wäre nett, wenn der Kollege Frömmrich mir einmal zuhören könnte.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, es ist keine Pflicht!)

– Nein, willst du nicht. Okay, das nehme ich zur Kenntnis. Ich habe die Tarifvereinbarung aufmerksam in jedem Detail gelesen. Natürlich stelle ich fest: Die Tabelle ist nahezu gleich mit der der TdL. Das ist sozusagen die Ausgangslage. Die Laufzeiten sind auch gleich. Ich stimme Ihnen auch zu, Herr Minister, dass es im Bereich IT Notwendigkeiten gibt, die
Hessen jetzt vorgenommen hat, wobei ich mir wünsche, dass sie in anderen Bundesländern auch stattfinden. Insofern geht es darum, wie dieser Annäherungsprozess zur TdL stattfindet.

Nicht Eingeweihte können das natürlich nicht nachvollziehen. Aber der Verlauf von Tarifverhandlungen – hier lese ich zwischen den Zeilen – und diese sehr lange Nachtsitzung machen mich in der Tat stutzig; denn vom materiellen Ergebnis her hätte das nach meiner Erfahrung und Kenntnis innerhalb von wenigen Stunden geregelt werden können. Warum war das nicht der Fall? Was hat da eine Rolle gespielt?

Dazu haben Sie kein Wort gesagt, Herr Minister, wie das verlaufen ist und warum es so war. Das ist jetzt der entscheidende Punkt. Wenn es eine ernsthafte Rückkehr in die TdL geben soll und das tatsächlich von der Koalition gemeinsam
getragen wird, dann genügt es nicht, einmal zur TdL zu gehen und Gespräche zu führen. Dann werden die sagen: Die 150 Sonderregelungen in Hessen bekommen wir nicht unter, usw. usf.

Ich erwarte von dieser Landesregierung – hören Sie gut zu –, dass sie sofort mit den Gewerkschaften gemeinsam auf die TdL zugeht, nicht nur als Land Hessen. Alle Gewerkschaften haben immer wieder betont, dass sie die Rückkehr in die TdL wollen. Dann machen Sie das gemeinsam mit denen. Damit
entfalten Sie mehr Druck und Stärke gegenüber der TdL. Dann kann es auch gelingen. Ansonsten ahne ich schon, was uns hier in ein oder zwei Jahren erzählt werden wird. – Vielen Dank. 

(Beifall DIE LINKE)