Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Axel Gerntke - Die Energiewende ist zu langsam - damit scheitert auch der Klimaschutz

Axel GerntkeEnergie

In seiner 103. Plenarsitzung am 11. Mai 2022 diskutierte der Hessische Landtag über den Stand der Energiewende in Hessen. Dazu die Rede unseres energiepolitischen Sprechers Axel Gerntke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir brauchen keine Energiewende; denn wir haben keinen menschengemachten Klimawandel. Falls das doch der Fall sein sollte, ist er nicht aufzuhalten, indem wir in Hessen und Deutschland eine grundlegende Wende einleiten. Denn das ist nur ein winzig kleiner Teil des Gesamtproblems.

Das war das Credo der Ultrarechten gestern. Das ist das Credo der Ultrarechten gerade eben. Das ging nach dem Motto: Ich zahle künftig keine Steuern mehr, weil das wirklich nur einen winzigen Teil des Gesamtsteueraufkommens in Deutschland ausmacht. Ob ich Steuern zahle oder nicht, das ist letztendlich für die Handlungsfähigkeit des Staates irrelevant. Deswegen mache ich das nicht mehr.

Das ist die Denke, die von den Ultrarechten kommt. Dann wird noch die Auffassung des Bundes der Steuerzahler hochgehalten. Der Bund der Steuerzahler repräsentiert die Steuerzahler in etwa so wie die katholische Kirche den lieben Gott. Wahrscheinlich tritt man da der katholischen Kirche noch zu nah. Sie repräsentiert den lieben Gott wahrscheinlich besser.

Ich begrüße, dass alle anderen Fraktionen des Landtages einem solchen Unsinn nicht folgen und stattdessen die Energiewende proklamieren. Die einen tun dies mehr, die anderen weniger. Die Proklamation allein reicht natürlich nicht. Vielmehr sollten wir uns auch die Praxis der Regierung anschauen. Da gilt allerdings das, was ich heute bereits über die Herabsetzung des Wahlalters gelernt habe. In der Koalition setzt sich einmal die CDU und einmal die Union durch.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE – Vereinzelter Beifall Freie Demokraten)

Ich will einige Beispiele nennen. Die Energiewende ist hinsichtlich der Nutzung der Windkraft in Hessen faktisch zum Stillstand gekommen. Die Landesregierung kann die Schuld dafür nicht nur beim Erneuerbare-Energien-Gesetz suchen. Wir haben 67 Klageverfahren in Bezug auf die Windkraftanlagen. Das ist der Stand Februar 2022. Die Verfahren dauern zum Teil mehrere Jahre. Die Landesregierung sieht aber keine Verzögerung oder gar einen Flaschenhals. Sie sieht auch keinen Grund, in mehr Personal für die Gerichte zu investieren.

Das ist ein generelles Problem. Das ist nicht nur ein Problem bei der Energiewende. Aber das Problem wird nicht angegangen. Auf der einen Seite wird zu Recht gesagt, es ist eilig, und auf der anderen Seite werden die Bremsklötze nicht beiseitegeräumt. Vielmehr sitzen sie in der Regierung.

Zweitens. Hessen-Forst macht den Einstieg der Kommunen in die Nutzung der Windenergie unattraktiv. Das Umweltministerium hat die Leitung von Hessen-Forst offensichtlich nicht so richtig im Griff. Sie versucht, im Interesse des ökonomischen Gemeinwohls möglichst hohe Pachteinnahmen und betriebswirtschaftlich gute Ergebnisse zu verbuchen. Da müsste die Umweltministerin eigentlich einschreiten.

Anstatt die Vorrangflächen im Staatswald weiterhin durch Hessen-Forst mit überzogenen Pachtforderungen anbieten zu lassen, sollte die Landesregierung die Flächen den Kommunen zur Realisierung der Windkraftanlagen mit geringen Pachtforderungen anbieten. Vielleicht wäre es noch besser, wenn sie auf den Flächen in eigener Regie Windkraftanlagen errichten lassen würde.

(Beifall DIE LINKE)

Das würde den Ausbau entscheidend beschleunigen. Die Wertschöpfung würde in der öffentlichen Hand bleiben. Wenn das aktuelle Erneuerbare-Energien-Gesetz da Schwierigkeiten bereiten sollte, dann muss es eben entsprechend geändert werden. Denn die GRÜNEN und die SPD sind, auch wenn man das nicht immer merkt, in der Bundesregierung. Herr Habeck schreibt das Gesetz gerade neu.

Ohne die neoliberalen Markt- und Ausschreibungsregelungen wäre der schnellere Ausbau der Nutzung der Windenergie wirklich möglich. Wir brauchen die Windkraftanlagen in öffentlicher Hand.

(Beifall DIE LINKE)

Mit der Vermarktungspolitik der Waldflächen für die Windkraftanlagen durch Hessen-Forst bevorzugt die schwarz-grüne Landesregierung die Großanbieter und Kapitalgesellschaften. Dabei würden die Bürgergenossenschaften und die Kommunen beim Bau eines Windparks die Wertschöpfung vor Ort wesentlich mehr stärken, als es dies externe Projektierer tun.

Ich gebe eines zu. Der Umgang von Hessen-Forst damit zeigt, dass die Nutzung der Windkraft allein in öffentlicher Hand nicht reichen wird. Die öffentliche Hand muss dann auch von den Richtigen geleitet werden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich komme auf ein weiteres Thema zu sprechen. Die Anpassung der Ziele des Hessischen Energiegipfels im Jahr 2011 ist längst überfällig. 2019 haben wir eine Anpassung der Ziele des Energiegipfels und eine Überarbeitung des Energiegesetzes gefordert. Wir brauchen viel mehr Strom, als 2011 projiziert wurde. Das eingeplante Nettoenergieeinsparpotenzial gibt es nicht.

Der Zeitpunkt der Klimaneutralität der Energieversorgung muss deutlich nach vorne verlegt werden. Er muss weit mehr als die fünf Jahre nach vorne verlegt werden, die die SPD-Fraktion jetzt aus der Bundesgesetzgebung übernommen hat. Wenn man das nicht tut, schränkt man die Freiheitsrechte künftiger Generationen weiter ein. Man kollidiert dann insoweit mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Ein weiteres Problem ist: Die Beantwortung der Großen Anfrage der SPD-Fraktion hat auch zutage gefördert, dass die Landesregierung zu vielen Fragen keine aktuellen Daten hat. Die Zahlen zu den Arbeitsplätzen stammen aus dem Jahr 2016. Die Zahlen zu dem durch erneuerbare Energien eingesparten CO2 stammen aus dem Jahr 2014. Kein Betrieb dieser Welt würde auf der Basis von sechs bis acht Jahre alten Daten seine Zukunftsentscheidungen treffen.

Auf der Grundlage dieser Daten behauptet die Landesregierung, sie sei beim Klimaschutz gut aufgestellt. Das aber ist nicht nur abenteuerlich, sondern eine grobe Vernachlässigung ihrer Aufgaben. Sie sorgt nämlich dafür, dass wir alle im Dunkeln tappen – und das nicht, um Energie einzusparen.

Die Landesregierung bekommt die Energiewende nicht einmal bei ihren eigenen Liegenschaften geregelt. 2020 wurden von dem vorhandenen Potenzial gerade einmal 13 % genutzt. In der Antwort auf die Anfrage schreibt die Landesregierung, dass jetzt alle Landesliegenschaften mit Fotovoltaik ausgestattet werden sollen. – Bereits am 3. Juni 2009, auf der Nachhaltigkeitskonferenz der Hessischen Landesregierung, wurde beschlossen, dass die hessische Landesverwaltung bis 2030 klimaneutral sein soll. Die Nutzung von Fotovoltaikanlagen wurde vor 13 Jahren beschlossen. Ich meine, die Erhöhung der Beschlussfrequenz reicht nicht, sondern es muss gehandelt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Bei der energetischen Gebäudesanierung kann man ebenfalls sagen, dass die Sanierungsquote unterirdisch klein ist, nicht nur in Hessen, sondern generell. Von den nötigen 2,5 % bis 3,5 % im Jahr sind wir meilenweit entfernt, aber eben auch in Hessen.

Der Fortschritt dieser Regierung ist eine Schnecke, wobei Schnecken wenigstens vom Fleck kommen. Ich appelliere an die Landesregierung, etwas mehr Erich Kästner zu lesen und danach zu handeln: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. – Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE)