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Rede

Axel Gerntke - Städtebauförderung ist sinnvoll, schwarzgrüne Selbstbeweihräucherung nicht

Axel GerntkeWohnen

In seiner 134. Plenarsitzung am 24. Mai 2023 diskutierte der Hessische Landtag über Städtbauförderung und Stadtentwicklungsmaßnahmen. dazu die Rede unseres wirtschaftspolitischen Sprechers Axel Gerntke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Am 13. Mai fand deutschlandweit der Tag der Städtebauförderung statt. Bürgerinnen und Bürger konnten sich vor Ort die Ergebnisse dieser Förderung anschauen. Nun sind wir im Hessischen Landtag an der Reihe. Es spricht auch nichts grundsätzlich dagegen, Städtebauförderung und Stadtentwicklungsmaßnahmen sind wichtig. Sie können Städte vielfältiger, sozialer und ökologischer machen. Insoweit unterstützen wir Städtebauförderung.

Mein Problem mit dem Entschließungsantrag von CDU und GRÜNEN ist nicht so sehr das Thema, sondern eher die Herangehensweise. Es zieht sich eigentlich schon durch die gesamte Legislaturperiode, aber jetzt, wenige Monate vor der Landtagswahl, geht es wohl nur noch um schwarz-grünes Eigenlob.

Natürlich ist die Bilanz erfreulich positiv. Natürlich wurde nicht einfach nur gefördert, sondern eine innovative Förderlandschaft aufgebaut. Natürlich ist Hessen bundesweit vorbildlich.

(Zuruf Elisabeth Kula (DIE LINKE))

Aber diese endlose Selbstbeweihräucherung langweilt. Sie ist auch ein bisschen zu dick aufgetragen dafür, wie es denn in Hessen tatsächlich aussieht und wie wenig es dieser Landesregierung gelingt, für die realen Probleme auch gute Lösungen zu finden.

(Zuruf Alexander Bauer (CDU))

Wie steht es denn in Hessens Städten und Gemeinden um lebendige Zentren, die Zukunft der Innenstadt und den sozialen Zusammenhalt? Wie steht es denn um unsere Sportstätten? Die Förderprogramme haben sehr wohlklingende Namen. Aber die blühenden Landschaften sehe ich da eigentlich weniger. Es ist doch so, in den Städten nimmt die soziale und räumliche Spaltung zwischen Arm und Reich immer weiter zu, und Haushalte mit geringem oder mittlerem Einkommen finden doch kaum noch bezahlbaren Wohnraum. Wenn, dann konzentrieren sie sich auf wenige oft randständige Stadtteile; es sei denn, sie werden ganz aus der Stadt verdrängt. Das ist doch das Problem.

(Beifall DIE LINKE)

Umgekehrt schotten sich die Wohlhabenden und Reichen in ihren Luxusquartieren und Parallelgesellschaften immer weiter von der übrigen Stadtgesellschaft ab. Investoren machen fette Profite, und die Spekulation mit Grund und Boden treibt immer absurdere Blüten. Das ist mit ein Grund dafür, dass unsere Innenstädte teilweise veröden und Immobilien leer stehen. Dagegen helfen keine Förderprogramme.

Auch in Sachen Klimaschutz, Verkehrswende, Wärmewende oder auch mit dem Blick auf soziale Infrastruktur sind die Herausforderungen in unseren Städten riesig. Das Gleiche gilt im Kern auch für die Gemeinden im ländlichen Raum. Dort sind viele Probleme zwar etwas anders gelagert, aber auch dort bestehen angesichts der aktuellen Umbrüche und Transformationen mehr denn je große politische Handlungsnotwendigkeiten.

Städtebauförderung und Stadtentwicklungspolitik können und müssen an dieser Stelle einen wichtigen Beitrag leisten. Aber dafür ist es doch zwingend notwendig, dass die entsprechenden Maßnahmen und Programme wirklich ausreichend ausfinanziert sind; denn im Gegensatz zu den Lobliedern auf die Städtebauförderung, die wir auch heute wieder hören mussten, sind die realen Ausgaben doch vergleichsweise gering.

Bei den Bund-Länder-Programmen „Lebendige Zentren“, „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“, „Sozialer Zusammenhalt“ liegt ein Teil der Verantwortung dafür natürlich beim Bund. Aber leider hat auch die Ampelregierung hier bisher nichts vorgelegt, was irgendwie bemerkenswert wäre. Im Gegenteil: Für die nationalen Projekte des Städtebaus werden keine neuen Mittel bereitgestellt, und der Haushalt für Stadtentwicklung ist insgesamt gesunken. Den hier im Antrag noch positiv angeführten Investitionspakt Sportstätten hat die Ampel Ende letzten Jahres einfach ersatzlos gestrichen – trotz Protest.

Darüber findet sich im Antrag kein Wort. Was sagen die GRÜNEN hier im Haus eigentlich zu dieser Ampelentscheidung? Gehört das auch zur erfreulich positiven Bilanz der Städtebauförderung?

Aber nicht nur Berlin kommt nicht in die Pötte. Auch das Engagement des Landes Hessen ist überschaubar. Bei den Bund-Länder-Programmen stammt die Hälfte der Mittel ohnehin vom Bund. Auch die 15 Millionen € für das Hessische Klimakontingent, das Sie in Ihrem Antrag noch extra als großen Beitrag zum Klimaschutz loben, stammt aus diesen Programmen und ist kein zusätzliches Landesgeld.

Für das Jahr 2022 bleiben am Ende noch 10 Millionen € für das Programm „Zukunft Innenstadt“, die ausschließlich vom Land finanziert werden, und die Mittel für das Programm „Nachhaltiges Wohnumfeld“. Sie stammen aus dem Verkauf des alten Polizeipräsidiums in Frankfurt und sind somit endlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und GRÜNEN, glauben Sie ernsthaft, dass diese Kleckerbeträge ausreichen, um den Herausforderungen in unseren Innenstädten und Ortskernen zu begegnen? Ich glaube das nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Die Frage der Finanzen führt direkt zum zweiten großen Problem der Städtebauförderung. Ganz viele Maßnahmen sind zwar nicht falsch, aber sie sind oft eher oberflächlich und kosmetisch. Sie reichen jedenfalls überhaupt nicht aus, um die Probleme in unseren Städten und Gemeinden tatsächlich in den Griff zu bekommen. Das gilt ganz besonders für die landeseigenen Programme: kein Wunder, wenn die Landesregierung da kaum eigenes Geld in die Hand nimmt und sie sich nicht an die grundlegenden Fragen und Widersprüche herantraut.

Nehmen Sie doch das Programm „Zukunft Innenstadt“.

Da werden Fußgängerzonen umgestaltet, Urban-Gardening-Projekte gefördert, Stadtmobiliar aufgestellt und Begegnungsräume geschaffen. Das ist alles okay. Aber die Zukunft der Innenstädte entscheidet sich nicht an solchen Projekten. Sie entscheidet sich doch daran, ob jemand wie der Galeria-Eigentümer und Milliardär René Benko weiterhin Hunderte Millionen Euro Staatshilfe kassieren darf, gleichzeitig die Kaufhäuser samt Tausender Beschäftigter an die Wand fährt und am Ende wahrscheinlich die innenstädtischen Filetgrundstücke für Baugrund zu Geld machen will.

Oder im ländlichen Raum: Solange weiter munter auf der grünen Wiese Einfamilienhaussiedlungen, Gewerbegebiete und Einkaufszentren entstehen dürfen, solange es keine wohnortnahe Gesundheitsversorgung und keinen vernünftigen ÖPNV gibt, so lange braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn die Ortskerne veröden.

(Beifall DIE LINKE)

Solche Entwicklungen sind es doch, die über die Zukunft unserer Innenstädte und Ortskerne entscheiden. Dagegen kommen Sie doch nicht mit ein bisschen Stadtmobiliar und neuen Grünstreifen vor der Dorfkirche an. Das ist doch offensichtlich.

Oder nehmen Sie den Klimaschutz: nichts gegen die 15 Millionen € für die Öffentlichkeitsarbeit, Zwischennutzung oder die Fassadenbegrünung aus dem Hessischen Klimakontingent. Aber angesichts der immensen Herausforderungen des Klimawandels, vor denen unsere Kommunen stehen, ist das doch nun wirklich nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Gleiche gilt auch für alle Versuche, die soziale Spaltung in unseren Städten durch Programme wie „Soziale Stadt“ oder neuerdings „Sozialer Zusammenhalt“ zu überwinden. So sinnvoll diese einzelnen Maßnahmen auch sein mögen – solange nichts Substanzielles gegen explodierende Bodenpreise, gegen Immobilienspekulation und gegen den Mangel an bezahlbarem Wohnraum getan wird, so lange wird sich auch an den grundlegenden Problemen in den Städten wie Frankfurt oder auch anderen Großstädten nichts ändern.

(Beifall DIE LINKE)

Städtebauförderung macht also absolut Sinn. Aber damit sie wirklich wirksam sein kann, muss deutlich mehr Geld fließen – vom Bund und auch vom Land Hessen. Die Maßnahmen und Förderprogramme müssen eingebettet sein in eine Politik, die die grundlegenden Fragen der Stadt- und Raumentwicklung angeht und entschlossen die Weichen für den sozial-ökologischen Umbau, für soziale Gerechtigkeit und für konsequenten Klimaschutz stellt. Nichts davon tut diese schwarz-grüne Landesregierung. Solange sich das nicht ändert, darf ich wenigstens darum bitten: Verschonen Sie uns mit weiteren Eigenlobanträgen. Davon hatten wir in den letzten Monaten wirklich genug. – Meine Damen und Herren, herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)