Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Axel Gerntke zum Gesetzentwurf zur Änderung des Hessischen Abgeordnetengesetzes u. weiterer Gesetze

Axel Gerntke zum dringlichen Gesetzentwurf zur Änderung des Hessischen Abgeordnetengesetzes und weiterer Gesetze

Axel GerntkeRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 145. Plenarsitzung am 05. Dezember 2023 diskutierte der Hessische Landtag über den dringlichen Gesetzentwurf der Fraktion der CDU, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion der SPD und der Fraktion der Freien Demokraten für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Abgeordnetengesetzes und weiterer Gesetze. Dazu die Rede unseres Parlamentarischen Geschäftsführers Axel Gerntke.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Bekanntlich werden wir dem nächsten Landtag nicht mehr angehören.

(Demonstrativer Beifall AfD)

Insoweit sind wir der Auffassung, dass die Erarbeitung von den künftigen Abgeordneten erfolgen sollte, dass diese das selbst organisieren sollten. Insoweit werden wir uns an der Geschäftsordnungsdebatte nicht beteiligen. Hier geht es jetzt aber konkret um einen Gesetzentwurf. Dieser ist natürlich weitergehend bzw. wirkt über diese Legislaturperiode hinaus und soll politisch, glaube ich, mehr bewirken, als unmittelbar technokratisch die Arbeit zu organisieren.

Normalerweise hätten wir hier ein dreitägiges Plenum gehabt. Die Plenarwoche ist gegen unseren Willen auf einen halben Tag zusammengedampft worden. Es hätte gute Gründe für aktuelle halbe Stunden gegeben – sei es für eine wirkliche Nahostdebatte, sei es in Bezug auf den Umgang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeshaushalt und seine Auswirkungen auf Hessen, sei es zum sozialpolitischen Totalausfall im Eckpunktepapier der künftigen Koalition in Hessen, um einmal ein paar Themen zu nennen. Aber solche Debatten waren nicht gewollt, sondern Sie wollten eine Schmalspur-Plenarwoche.

Gleichzeitig wollten Sie eine neue Geschäftsordnung, z. B. mit Ordnungsgeldern. Aber dann haben Sie gemerkt: „Oh, Gott, dafür brauchen wir ja eine gesetzliche Ermächtigung“, und nun wird im Schweinsgalopp ein Gesetzentwurf durchgepeitscht. Heute finden die erste und zweite Lesung statt und am 12. Dezember die dritte, ohne die Durchführung einer etwaigen Anhörung. Ob das die Würde des Parlaments unterstreicht – denn das soll der Gesetzentwurf eigentlich bezwecken –, halte ich für fraglich.

(Beifall DIE LINKE)

Was bezweckt das Gesetz? Vordergründig ist es unter anderem die Basis für die Geschäftsordnung. Es scheint mir aber um mehr zu gehen. Wenn man es ein bisschen pathetisch zusammenfasst, dann wohl unter dem Stichwort „wehrhafte Demokratie“. Wenn man sich die AfD anhört, dann erkennt man, dass diese den entsprechenden Ton setzt und sich schon einmal als Opfer dieses neuen Gesetzes inszeniert, weil es angeblich gegen sie gehe. Wenn dem so wäre, dann könnte man meinen, der Gesetzentwurf wäre gar nicht so schlecht; aber aus meiner Sicht springt er zu kurz.

Auf der einen Seite sollen Ordnungsgelder gegen Abgeordnete in Höhe von 500 bis 3.000 € verhängt werden können. Diese sollen unter bestimmten Umständen, so steht es im Gesetzentwurf, auf 2.000 € erhöht werden können. Vorher wird aber ein Rahmen von 500 bis 3.000 € genannt; da scheinen mir einfache Gesetze der Mathematik verletzt zu sein. Unklar bleibt auch: Was kostet denn 500 €, und was kostet 3.000 €?

Noch unklarer als die Rechtsfolgen ist: Was ist denn der eigentliche Tatbestand? Wann wird denn die Würde des Parlaments verletzt? Mitglieder unserer Fraktion kassierten schon einen Ordnungsruf, wenn sie die AfD als „parlamentarischen Arm des Rechtsterrorismus“ bezeichneten

(Dr. Frank Grobe (AfD): Ja, komisch!)

ja –, weil dadurch die Würde des Parlaments verletztwürde. Ich meine, die Würde des Parlaments wird eher dadurch verletzt, dass man die AfD nicht als parlamentarischen Arm des Rechtsterrorismus bezeichnet.

(Beifall DIE LINKE)

Oder die Sache mit den Schiffchen. Einige in der CDU erblicken schon – ich zitiere – einen „brutalen Angriff gegen die Bundesinnenministerin“, wenn man fünf Sekunden lang 5 cm große Papierschiffchen über das eigene Abgeordnetenmikrofon stülpt.

(Zuruf: Ein brutaler Angriff!)

Ein brutaler Angriff. – Ich hingegen sehe die Würde desParlaments eher verletzt, wenn keine Maßnahmen gegen Armut und Niedriglöhne ergriffen werden; aber da sind die Geschmäcker offensichtlich verschieden.

(Beifall DIE LINKE)

Aber solch unbestimmte Rechtsbegriffe zum Tatbestandsmerkmal für Bußgelder zu machen, halte ich politisch und juristisch für problematisch.

Oder das G 10-Gremium. Wenn man jetzt die Verhältniswahl streicht, dann ist die Konsequenz, dass die Regierungsmehrheit die Behörde der Regierung kontrolliert. Das kann man machen; ob das aber der demokratische Sinn der Übung ist und ob man das „wehrhafte Demokratie“ nennen soll, wenn man mit Wattebäuschen auf die AfD wirft, halte ich für fraglich und nicht für ein angemessenes Vorgehen.

Wer dem Neofaschismus den Nährboden entziehen will, der darf politisch inhaltlich nicht mit der AfD zusammenarbeiten, der darf der AfD nicht den Steigbügel halten. Außer von den LINKEN sind in migrationspolitischen Fragen die Positionen der AfD schrittweise immer stärker übernommen worden. Auch der Sozialabbau der vergangenen Jahre hat es der extremen Rechten leicht gemacht, an reale Abstiegsängste großer Teile der Bevölkerung anzuknüpfen und nationalistische Scheinlösungen anzubieten. Gegen solche völkisch-nationale Hetze muss man sich stellen. Das wäre wirklich ein Punkt, um Rassismus an der Wurzel zu bekämpfen und dieser menschenverachtenden Ideologie den sozialen Nährboden zu entziehen. Das wäre eigentlich sinnvoll.

(Robert Lambrou (AfD): Wer hat denn bei der Generalkonsulin nicht geklatscht? Das war ja wohl DIE LINKE! Das war schäbig!)

– Sie hatten schon Ihre Redezeit.

Das wären eigentlich die wesentlichen Punkte. Das, was hier im Gesetz vorgesehen ist, wird jedenfalls nicht dazu führen, wenn damit bezweckt ist, dem Neofaschismus den Boden zu entziehen. – Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE – Heiko Scholz (AfD): Das sagt der Kommunist! – Weiterer Zuruf AfD: Die SED hat gesprochen! – Gegenruf Elisabeth Kula (DIE LINKE): Künftig kostet das 500 €!)