Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Beamtenbesoldung: "55 zusätzliche Stellen bei der Unsicherheitsbehörde Verfassungsschutz kosten mehr als die soziale Komponente"

Hermann Schaus

Zur dritten Lesung des Entwurfs für ein Gesetz über die Anpassung der Besoldung und Versorgung in Hessen

 

Zur dritten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz über die Anpassung der Besoldung und Versorgung in Hessen 2016

Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

Nach der zweiten Lesung am Dienstag haben wir nochmals versucht, die Koalitionsfraktionen, CDU und GRÜNE, angesichts der Proteste und verheerenden Stimmung unter den Beamtinnen und Beamten zur Einsicht zu bringen.

Es wäre angebracht, nach der Nullrunde von 2015 nun endlich den selbst ausgehandelten Tarifvertrag für die Landesbeschäftigten – Sie gehen diesen Sonderweg als einziges Bundesland – zu übernehmen. Dieser Tarifvertrag sieht immerhin Tariferhöhungen von insgesamt 4,4% vor. Wir haben am Dienstag in der abendlichen Innenausschusssitzung nochmals beantragt, statt der vorgesehenen Erhöhung um 1% die Besoldung um 4,4% zu erhöhen.

Weil sich die Koalition nach den Protesten für eine sogenannte soziale Komponente – ich füge hinzu: aus der Portokasse – verständigt hat, haben wir ebenfalls beantragt, diese lächerlichen 35€ auf 150€ pro Monat anzuheben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre angebracht und vernünftig. Mit der Vernunft ist das aber bei der schwarz-grünen Koalition, wie Sie wissen, so eine Sache. Die Koalition und auch die FDP haben dies alles abgelehnt. Bei der öffentlichen Präsentation ihrer sozialen Komponente aus der Portokasse, also der zusätzlichen 35€ für zwei Jahre, haben sie zudem kräftig mit Nebelkerzen ge-
worfen.

Die erste Nebelkerze, das haben wir gerade gehört, ist die Behauptung, es seien 420€ im Jahr mehr. Das soll natürlich suggerieren, es gebe auch in diesem Jahr 420€ mehr. Real sind es aber nur 210€, weil die Besoldungserhöhung erst rückwirkend zum 1. Juli 2016 vorgenommen wird.

Weil Herr Heinz eben gerade in diesem Zusammenhang von einem Sockelbetrag gesprochen hat, will ich Ihnen an der Stelle sagen, das wäre schön, wenn es ein Sockelbetrag wäre. Lassen Sie es sich von einem Gewerkschaftssekretär erklären: Ein Sockelbetrag ist die Grundlage, auf der ein Prozentsatz aufbaut. Da wären wir bei 2% und mehr, wenn es ein Sockelbetrag wäre. Nein, diese 35€ sind ein magerer Mindestbetrag. So viel zu Ihrer Begrifflichkeit.

(Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Die zweite Nebelkerze finde ich noch viel interessanter. Das war nämlich gleichzeitig die Ankündigung, ab 2017 die Arbeitszeit von 42 auf 41 Wochenstunden zu reduzieren. Es wurde der Zusammenhang zwischen der Besoldungserhöhung um 1% und der Arbeitszeitreduzierung hergestellt. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen das gleich an dieser Stelle sagen: Das Gegenteil ist der Fall.

Alle Beamtinnen und Beamten haben die Aussagen, ab 2017 wird die Arbeitszeit um eine Stunde reduziert, so verstehen müssen, dass das ab Jahresanfang 2017 bedeutet. Viel entscheidender finde ich, dass Sie jetzt so tun, als wäre diese Arbeitszeitverkürzung um eine Stunde eine soziale Wohltat. Das ist sie nämlich nicht.

Ich will daran erinnern: Die CDU-Koch-Regierung hat im Jahr 2004 die Arbeitszeit aller Beamtinnen und Beamten in der "Operation düstere Zukunft" einfach hochgesetzt, und zwar ohne Lohnausgleich. Wenn Sie im nächsten Jahr nach über zwölf Jahren eine Reduzierung um eine magere Stunde vornehmen, dann ist das keine Wohltat, sondern eine viel zu geringe und längst überfällige Rückgängigmachung einer schreienden Ungerechtigkeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Herr Bellino, nun haben Sie nach den Protesten der Beamtinnen und Beamten und auch der der kommunalen Arbeitgebern eine sogenannte soziale Komponente von mindestens 35€ neu ins Gesetz aufgenommen, die ich schon als Wohltat aus der Portokasse bezeichnet habe. Für die wenden Sie zusätzlich 2,5 Millionen € auf. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen zum Schluss Folgendes vorrechnen:

Die 55 zusätzlichen Stellen bei der Unsicherheitsbehörde Verfassungsschutz

(Holger Bellino (CDU): Unerhört!)

kosten Sie 3,3 Millionen €. Das ist schon mehr als die sogenannte soziale Komponente.

(Holger Bellino (CDU): Unerhört ist das! – Unruhe)

Herr Bellino, hieran sieht man, der Schwerpunkt der Beamtenpolitik liegt darin –

(Anhaltende Zurufe des Abg. Holger Bellino (CDU) – Weitere Zurufe von der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz: Herr Kollege Schaus, Sie haben das Wort, aber ich darf Sie
bitten, zum Ende zu kommen.

Hermann Schaus (DIE LINKE): Diese 55 Stellen kosten Sie 3,3 Millionen €.

(Anhaltende Zurufe von der CDU)

Damit liegen diese Kosten höher als das, was Sie zusätzlich für 100.000 Beamtinnen und Beamte ausgeben. Da sehen wir, wo die Schwerpunkte dieser Politik liegen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN – Holger Bellino (CDU):

Das ist ein unerhörter Vorgang! Sie sind von der SED-Nachfolgepartei! – Alexander Bauer (CDU): Das eine Prozent kostet 70 Millionen €! – Anhaltende Zurufe von der CDU