Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Brand- und Katastrophenschutz: "Das Ziel ist richtig"

Hermann Schaus

Zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs der SPD

Zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz

 

Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren!

In Deutschland wird der Brand- und Katastrophenschutz zu einem ganz überwiegenden Teil von ehrenamtlichen Kräften getragen. Doch es gibt die Sorge, ob genug Nachwuchs für diese immense Aufgabe und Verantwortung auch weiterhin gewonnen werden kann.

Beispielsweise bei dem Elbhochwasser und in der aktuellen Flüchtlingshilfe gab es Situationen, bei denen Lücken im Katastrophenschutz allzu deutlich wurden. Durch geänderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen schwindet zudem die Bereitschaft oder die Möglichkeit, sich ehrenamtlich im Katastrophenschutz einzubringen. Das ist ein Problem.

Der Landesfeuerwehrverband Hessen zählt ca. 72.000 ehrenamtliche Feuerwehrangehörige in etwa 2.600 freiwilligen Feuerwehren. Dazu muss man wissen: Etwa 90% der Organisationen im Katastrophenschutz arbeiten mit ehrenamtlichen Helfern. In anderen europäischen Ländern ist das anders. Dort gibt es viel mehr Hauptamtliche.

Das System der freiwilligen Feuerwehren wie des Katastrophenschutzes hat sich bei uns seit Langem und auch weitgehend bewährt. Doch eine weitere Gefahr wurde in der Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern im Jahr 2006 angesprochen. Da werden massive Risiken ausgewiesen. Dort wurde die Frage nach einem möglicherweise nicht mehr funktionierenden System bei einem möglichen Tag X mit einer großen Naturkatastrophe gestellt.

Damit sind wir beim Kern des Problems, über das wir hier schon einige Male gesprochen haben. Schüler und Studenten sollen besser und schneller in der Schule und in der Universität Leistung bringen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen am Arbeitsmarkt stets flexibel sein. Aber wer nur noch Leistung und Wettbewerb erbringt, dem fehlt schlichtweg die Zeit für das Ehrenamt, dem fehlt die Möglichkeit zum uneigennützigen Dienst an der Gesellschaft. Ich sage dazu: Noch mehr Sonntagsarbeit wird das weiter einschränken.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist wohl wahr: Nur wenige Arbeitgeber brechen in Jubel aus, wenn man im Bewerbungsgespräch stolz auf das Ehrenamt bei der Feuerwehr hinweist. Bei den aktuellen Wetterkapriolen bedeutet die Mitgliedschaft bei der freiwilligen Feuerwehr z. B., dass man vom Arbeitsplatz plötzlich weggerufen werden kann, dass Mann und Frau tage- und nächtelang im Einsatz sind und dass man auch ohne einen akuten Einsatz an Übungen und Weiterbildung teilnehmen muss. Dort lernt man dann Dinge, die zwar für die Gesellschaft, aber nicht zwingend für den Job von Nutzen sind.

Hier setzt der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, wie ich finde, richtig an. Das Ziel des Gesetzentwurfs soll sein, Menschen, die der freiwilligen Feuerwehr angehören, arbeitsrechtlich besser zu schützen oder sogar gegenüber den anderen Arbeitnehmern etwas besserzustellen. Das ist vom Grundsatz her richtig.

Ich will jetzt nicht mit Herrn Meysner verwechselt werden. Aber ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob der vorliegende Gesetzentwurf als Gesetz das Ziel wirklich erreichen könnte. Ich glaube, darüber müssen wir noch ein bisschen diskutieren. Zum einen gebe ich zu bedenken, dass das aufgrund der Sicht mancher Arbeitgeber durchaus zu einem Einstellungshemmnis oder sogar zu einem Bumerang für die Feuerwehrleute werden könnte. Das will sicherlich niemand von uns. Nicht alle Leute der freiwilligen Feuerwehr sind im öffentlichen Dienst oder in entsprechend nahen Einrichtungen beschäftigt.

Das Bestreben vieler privater Unternehmen ist es leider nicht unbedingt, arbeitsrechtlich gut geschützte Ehrenamtliche einzustellen und damit sozusagen die Tätigkeit in der freiwilligen Feuerwehr indirekt auch noch mitzufinanzieren. Ich meine, wir müssen mit Experten klären, wohin das in der Praxis führen kann. Das ist die zentrale Frage.

Ich meine, wenn das in der Praxis funktionieren würde und Herrn Meysners Befürchtungen unbegründet wären, dann sollte man das nicht nur für die Feuerwehrleute, sondern für alle Ehrenamtlichen im gesamten Katastrophenschutz machen. Denn sie sind davon genauso betroffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Neben dem vorliegenden Gesetzentwurf sollte uns in einer Anhörung auch dringend beschäftigen, ob und wie wir den Katastrophenschutz insgesamt für den Ernstfall sicherer bekommen können. Denn ich meine, dass hier weiterhin Handlungsbedarf besteht.

Die Jugendfeuerwehren z. B. versorgen den aktiven Einsatzdienst leider immer weniger mit ausreichend Nachwuchs. Letztes Jahr stand beispielsweise auch die freiwillige Feuerwehr in Frielendorf-Schönborn im Schwalm-Eder-Kreis kurz vor dem Aus. Die Einsatzbelastung und der Wegzug vieler junger Leute in die Stadt belasteten die Feuerwache sehr, und damit steht sie leider nicht allein. Nicht nur in Hessen, sondern im ganzen Bundesgebiet müssen freiwillige Feuerwehren ihre Wachen aufgrund von Nachwuchsmangel schließen und hinterlassen dabei riesige Sicherheitslücken.

Vielen Bürgerinnen und Bürgern ist nicht immer klar, was die 72.000 ehrenamtlichen Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner tagtäglich leisten. Sie stellen den Brandschutz sicher, setzen sich Gefahrgut aus, leisten technische Hilfestellung, arbeiten Tag und Nacht bei Katastrophenlagen, retten Menschen und Tiere aus gefährlichen Situationen, überbrücken als First Responder die Wartezeit, bis der Krankenwagen eintrifft, räumen unsere Straßen frei, und vieles mehr. Das tun sie schnell, flächendeckend und mit einer unglaublichen Professionalität, wie ich meine.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein wichtiger Schritt zur Nachwuchsförderung war die Änderung des Gesetzes über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz im Jahr 2007. Dadurch wurde die Einführung der Kinderfeuerwehr möglich, die mittlerweile immerhin 9.800 Mitglieder in Hessen zählt.

Nun müssen wir weitergehen und tun, was nötig ist, um diese Strukturen zu schützen und zu unterstützen, damit das Ehrenamt der freiwilligen Feuerwehr wieder attraktiver wird und bleibt. Denn nur so können die Feuerwehrangehörigen die 3,5 Millionen Einsätze, die jährlich bundesweit anfallen, auch stemmen.

Vizepräsidentin Ursula Hammann: Herr Kollege Schaus, kommen Sie bitte zum Ende Ihrer
Rede.

Hermann Schaus (DIE LINKE): Mein letzter Satz, Frau Präsidentin. – Deshalb ist es wichtig, all diesen Fragen in einer Anhörung zum Gesetzentwurf der SPD nachzugehen und dann möglichst zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen

(Beifall bei der LINKEN)