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Rede

Christiane Böhm - Auch Pflegehilfsberufe dürfen nicht entwertet werden

Christiane BöhmGesundheit

In seiner 113. Plenarsitzung am 21. September 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum Krankenpflegegesetz. Dazu die Rede von Christiane Böhm, unserer gesundheitspolitischen Sprecherin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Handlungsleitend für alle Gesetze, die wir gerade im Bereich der Gesundheit diskutieren, muss sein: Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen besonders in der Pflege. – Das sollte die Überschrift über jedem Gesetz sein.

(Beifall DIE LINKE und Dr. Daniela Sommer (SPD))

– Danke schön. – Ich möchte erinnern: Gestern haben die Beschäftigten des UKGM gestreikt und ihren Warnstreik an den Landtag verlegt, um uns daran zu erinnern, dass es um deren Arbeitsbedingungen geht. Daraufhin sollten wir dieses Gesetz überprüfen.

Wir stellen fest, die Landesregierung hat im Prinzip die Regelungen für die Ausbildung aus dem Altenpflegehilfegesetz gedoppelt. Das ist auch logisch, weil wir inzwischen eine generalistische Pflegeausbildung haben. Aber Sie tun immer so, als ob wir jetzt eine schlanke Verwaltung haben wollten, schlanke Gesetze oder manche Sachen sogar ohne Gesetz. Da frage ich mich: Warum muten Sie den Schulen und allen Betroffenen zu, dass man mit zwei Gesetzen hantieren muss? Warum haben Sie nicht ein Gesetz zu den Pflegeassistenzberufen auf den Weg gebracht? Das wäre im Sinne der Generalistik und auch im Sinne der Übersichtlichkeit für die Anwenderinnen und Anwender sinnvoll gewesen.

Ein solches Vorgehen hätte uns vielleicht auch ermöglicht, jetzt nicht über Doppelungen zu beraten, sondern mehr über die ersten Erfahrungen mit der Generalistik zu sprechen. Als LINKE waren wir sehr skeptisch, dass diese Umsetzung einer generalistischen Ausbildung hilft, um wirklich mehr Fachkräfte zu gewinnen, was gerade notwendig ist, insbesondere für die Altenpflege, um sie in ihrem Mangel zu unterstützen.

Jetzt sind schon einige Haken und Ösen erkennbar geworden. Ein bisschen ist der Herr Minister darauf eingegangen, aber noch zu wenig. Ich denke, es ist notwendig, dass man dafür sorgt, dass es mehr Praxisplätze gibt. Ob die Ausweitung der Praxiseinsatzmöglichkeiten im Ambulanzbereich ausreicht, da bin ich sehr skeptisch; denn es fehlen auch im stationären Bereich ganz viele Möglichkeiten, einen Praxiseinsatz zu machen. Die Anleitung fehlt, und das wird teilweise auch kritisch gesehen; denn die Altenpflege muss immer noch Angst haben, dass ihr Pflegekräfte verloren gehen, da sie in Bereiche gehen, wo die Vergütung höher ist.

Es fehlen aber auch die notwendigen Lehrkräfte, um die steigende Nachfrage erfüllen zu können. Im letzten Wintersemester haben gerade einmal 25 Pflegepädagoginnen und ‑pädagogen unsere hessischen Hochschulen verlassen, obwohl ein Generationswechsel ansteht und wesentlich mehr gebraucht werden. Ich sage Ihnen: Da tut das Land zu wenig. Es muss aufgerüstet werden, was die Hochschulplätze anbetrifft.

Wir haben ein weiteres Problem. Wir haben eine sehr hohe Abbruchquote bei der Pflegeausbildung. Das zeigt, es gibt eine Menge Probleme in der Ausbildung. Da wäre hilfreich gewesen, endlich die zwar fakultativ, aber immerhin vorgesehene Ombudsstelle in der Pflegeausbildung einzurichten, was die Landesregierung grundlos verweigert. Man sieht, mit einer schlichten Doppelung der Gesetze ist es nicht getan, wenn wir wirklich gute Arbeitsbedingungen in der Pflege haben wollen.

(Beifall DIE LINKE)

Noch einmal ganz konkret zu dem Gesetzentwurf. Genau wie in der Altenpflege halten wir auch in der Krankenpflege eine einjährige Hilfeausbildung für zu kurz. Das sagen auch viele Erfahrungen, das wissen wir auch. Insbesondere von gewerkschaftlicher Seite wird es deutlich gesagt, wenn sie die Beschäftigten vertreten.

Es gibt eine rasante Entwicklung in der Pflege, neue Techniken, viel mehr Aufgaben, steigende Bedarfe, gerade auch, wenn sie mit demenziell erkrankten Patientinnen und Patienten zu tun haben. Das sind höhere Anforderungen ans Personal. Das alles in ein Jahr zu quetschen, das halte ich für eine Überforderung.

In der Konsequenz wissen wir, dass viele Pflegehilfskräfte schlecht vorbereitet sind und sich dann lieber entscheiden, wieder aus dem Beruf herauszugehen. Da lässt letztlich der Personalmangel grüßen.

Die immer wieder betonte Anschlussfähigkeit an eine Aufstiegsqualifizierung zur Fachkraft hätte man bei einer zweijährigen Ausbildung auch. Dort könnte auch der nächste Schritt sein, dass das durch Anerkennung verkürzt werden kann.

Lassen Sie es uns doch beim Namen benennen. An der einjährigen Hilfskraftausbildung wird deswegen festgehalten, weil es für die Träger möglich ist, schnell und billig Personal zu bekommen. Da ist die Fachlichkeit nicht mehr so wichtig. Man müsste auch mehr in die Ausbildung hineinstecken. Das ist wirklich eine schlechte Lösung.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsidentin Heike Hofmann:

Frau Böhm, kommen Sie bitte zum Schluss.

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Ja. – Ich denke, das sind schlechte Ausgangsbedingungen, um Arbeitskräfte zum Rückkehren oder zum Bleiben anhalten zu können. Ein Gehalt zwischen 1.600 € und 2.000 € netto ist meistens nicht existenzsichernd. Damit drehen wir uns im Teufelskreis des Pflegemangels immer weiter. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)