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Rede

Christiane Böhm zu den neuen "Sozialen Diensten Justiz"

Christiane BöhmJustiz- und Rechtspolitik

In seiner 100. Plenarsitzung am 30. März 2022 diskutierte der Hessische Landtag über den Vorschlag der schwarzgrünen Landesregierung, wonach Gerichtshilfe und Bewährungshilfe zu den „Sozialen Diensten Justiz“ zusammengelegt werden sollen. Dazu die Rede unserer Sprecherin für Justizvollzug, Christiane Böhm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf wird im Rechtsausschuss beraten, aber er hat auch etwas mit sozialer Arbeit zu tun, und deswegen bin ich heute diejenige von unserer Fraktion, die die ersten Eindrücke zu diesem Entwurf äußert, solange der Kollege Dr. Wilken noch die Folgen seiner Operation bewältigen muss.

Ich denke, es war schon ganz gut, dass ich mich damit beschäftige. Ich hatte gerade in den letzten Reden einen deutlichen Eindruck vor meinen Augen, der sich immer klarer herauskristallisiert hat: Ja, es ist doch wie immer in der sozialen Arbeit. Immer, wenn es darum geht, dass man zu wenige Fachkräfte oder zu wenig Geld hat, schaut man, wie man irgendwelche angeblichen Synergieeffekte schaffen kann, um dafür zu sorgen, dass man ein ordentliches Spargesetz auf den Weg bringt. Einen solchen Eindruck habe ich bei diesem Gesetzentwurf auf jeden Fall gewonnen.

Sie wollen diese beiden Bereiche miteinander vereinbaren, die eigentlich nicht so viel miteinander zu tun haben. Es ist schon deutlich geworden: Die Gerichtshilfe ist ein Ermittlungsorgan der Staatsanwaltschaft und ermittelt in Strafverfahren die Verhältnisse der Beschuldigten oder Verurteilten. Das spielt auch bei der U-Haft oder bei der Strafaussetzung eine Rolle. Das ist also eine soziale Ermittlungshilfe für die Strafjustiz. Es gibt eine Überschneidung zur Bewährungshilfe – die Ministerin hat es gesagt –: Gemeinnützige Arbeit wird auch überwacht und vermittelt, und bei der Tilgung von Geldstrafen und Verfahrenseinstellungen wird mitgewirkt. Das ist nach meinem Eindruck das Einzige, wo es Überschneidungen gibt. Bei der Gerichtshilfe können auch Opferberichte verfasst werden. Dabei ist die Gerichtshilfe eng an die Staatsanwaltschaft gebunden.

Die Bewährungshilfe ist etwas ganz anderes. Sie ist bei den Landgerichten und untersteht dort der Dienstaufsicht des Präsidenten. Sie arbeitet mit verurteilten Straftäterinnen und Straftätern im Anschluss an das Urteil zur Aufsicht und wird den Menschen zur Seite gestellt, um die Bewährung zu bewältigen.

Es sind also völlig unterschiedliche Dinge, die jetzt in einen Topf gebracht werden sollen. Die Bewährungshilfe hat klare Klienten, die Gerichtshilfe nicht. Die sind also von der Arbeitsweise her sehr unterschiedlich.

Dass die Zusammenführung in den anderen Bundesländern auch passiert ist, heißt jetzt noch nicht, dass es ein erfolgreiches Modell ist. Auch in Hessen gibt es große Zweifel. Das wurde wohl auch in der Regierungsanhörung deutlich. Es wurde ganz deutlich in der Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft der Gerichtshilfe und der Landesarbeitsgemeinschaft der Bewährungshelfer, die deutlich gesagt haben, dass sie diesen Gesetzentwurf nicht mittragen und nicht für sinnvoll erachten.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Hartdegen, da kann ich wirklich nur das wiederholen, was Sie gesagt haben: Man kann doch kein Gesetz machen, wenn die Leute, die damit arbeiten, sagen, dass das Gesetz nicht sinnvoll ist und damit die Arbeit nicht sinnvoll geleistet werden kann. Es handelt sich um einen begrenzten Anteil von Menschen, denen man zuhören könnte und deren Erfahrungen man aufnehmen könnte. Es ist wirklich erbärmlich, dem nicht nachzukommen.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Sie jetzt davon sprechen, dass Sie Personalressourcen bündeln wollen, weil sonst eine Vertretung im Krankheits- bzw. Urlaubsfall nicht möglich ist und es teilweise Dienststellen mit einer Person gibt, dann frage ich mich schon: Wie kann man denn überhaupt so arbeiten? Da muss man die Arbeit überhaupt ordentlich organisieren. Dann können Sie doch nicht sagen: Wir schmeißen das einfach zusammen, und zwei ganz unterschiedliche Arbeitsweisen können sich gegenseitig vertreten. – Sorgen Sie dafür, dass das ordentlich finanziert und personell ordentlich ausgestattet ist, und sagen nicht, dass Sie das einfach durch eine wilde Mischung organisieren.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist schon fraglich, dass so etwas bisher überhaupt nicht stattgefunden hat, dass eine Vertretung überhaupt nicht möglich war. Die Beschäftigten leisten immerhin eine wichtige und wertvolle Arbeit für diese Gesellschaft. Ich erwarte für diesen Bereich eine vernünftige personelle Ausstattung.

Es sollen laut Gesetzentwurf auch fachliche Synergieeffekte genutzt werden, Fallkonferenzen usw. Warum ist das bisher noch nicht anderweitig organisiert worden, sodass die Bewährungshilfe auch die Möglichkeit hat, vernünftig und ordentlich zu arbeiten?

(Beifall DIE LINKE)

Ich muss sagen, ich bin beim Lesen dieses Gesetzentwurfs und beim Lesen der Stellungnahmen wirklich sehr skeptisch geworden, dass dieses Gesetz überhaupt einen Sinn hat, außer dass es den Sinn eines Spargesetzes für die hessische Justiz hat. Das ist natürlich in Ihrem Interesse. Das kann ich mir vorstellen, dass das in Ihrem Interesse ist. In unserem Interesse ist aber ganz eindeutig, dass die Arbeit richtig und gut gemacht werden kann und dass für die Menschen gerade in der Frage der Bewährung, aber auch in der Frage der Ermittlung eine sinnvolle Arbeit geleistet wird.

In diesem Sinne sollte man auch mit diesem Gesetzentwurf umgehen. Wir finden es auch wichtig, dass wir eine fachlich versierte und kompetente öffentliche Anhörung haben. Ich möchte auch noch einmal deutlich von den Beteiligten hören, welche Erfahrung sie in diesem Arbeitsbereich haben. Ich erwarte von der Landesregierung, dass sie diese Einwände und diese Kritik wirklich ernst nimmt und den Gesetzentwurf dann wahrscheinlich wieder zurücknehmen muss. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)