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Rede

Christiane Böhm zur Bildung von Gremien zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung

Christiane BöhmGesundheit

In seiner 114. Plenarsitzung am 22. September 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Änderung des Gesetzes zur Bildung von Gremien zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung. Dazu die Rede unsere gesundheitspolitischen Sprecherin Christiane Böhm.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich lasse ich mich von niemandem hindern, meine letzte Rede für diese Woche zu halten. Denn das wird langsam Zeit.

„Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung“ hört sich gut an; das brauchen wir. Wir würden das Ganze allerdings „sektorenfrei“ nennen und dafür sorgen, dass Patientinnen und Patienten immer die beste Versorgung bekommen – ambulant, wenn es möglich und die entsprechende Nachversorgung zu Hause gegeben ist, stationär, wenn es notwendig ist, und gegebenenfalls die Übergangspflege in der Klinik.

Ich bleibe allerdings weiterhin skeptisch, dass uns dieses Gremium weiterhilft. Ich habe das schon im Rahmen der ersten Lesung gesagt und auf die Protokolle hingewiesen, die nur aufzeigen, dass man sich zu wenigen Themen austauscht. Warum man sich da über Stimmrechte streitet, ist für mich ein Rätsel. Aber wahrscheinlich hat das damit zu tun, dass die Verbände auch sonst den Eindruck haben, dass sie an der Politik der Landesregierung insgesamt nicht angemessen beteiligt sind. Das Gute ist, dass der Hebammenverband Mitglied dieses Gremiums wird, zumal er gut hineinpasst, weil er die Sektorenfreiheit lebt. Aber ein Thema – deswegen habe ich mich gemeldet; insgesamt werden wir uns zum Gesetzentwurf enthalten – möchte ich hervorheben, nämlich die Gesundheitskonferenzen. Nicht zufällig liegen zwei Änderungsanträge, nämlich von der LINKEN und der SPD, zu diesem Gesetzentwurf vor, die beide dasselbe wollen, es nur etwas anders formulieren.

Ich stimme der Einschätzung des Hessischen Städtetags eindeutig zu, dass diese Gesundheitskonferenzen für eine ortsnahe und flächendeckende Gesundheitsversorgung wichtig sind. Deswegen müssen sie gestärkt werden. Das ist gerade, wie der Städtetag sagt, im ländlichen Raum erforderlich, wo vermehrt ältere oder benachteiligte Menschen wohnen und die Infrastruktur viel zu wünschen übrig lässt. Ich kann nicht verstehen, warum die Hessische Landesregierung die Beteiligung des Sozialministeriums an den regionalen Gesundheitskonferenzen nicht mehr verpflichtend vorsieht und diese damit vorsätzlich schwächt. Das ist ein großer Fehler.

(Beifall DIE LINKE und Dr. Daniela Sommer (SPD))

Bisher beschäftigen sich diese Gesundheitskonferenzen, die eigentlich die gesamte Gesundheitsversorgung in der Region beraten sollen, vorwiegend mit der stationären Versorgung. Wie der Städtetag informiert, erschöpft sich die Beratung meist in der Diskussion um Bettenabbau. Von dort wird kritisiert, dass die Konferenzen keine Entscheidungs- und Verfügungskompetenzen haben. Das wäre aber notwendig, damit überhaupt ein Planungs- und Gestaltungsprozess auf den Weg gebracht werden kann. Die kreisfreien Städte und die Landkreise sind zwar in den Gesundheitskonferenzen vertreten, sie sind jedoch nicht stimmberechtigt. Obwohl sie für die stationäre Versorgung verantwortlich sind, dürfen sie nicht mitstimmen.

Das ist eine bedenkliche Änderung durch die Landesregierung im Gesetz, auch wenn sie sich erst einmal nach einer Kleinigkeit anhört. Denn das zeigt den fehlenden Willen – das ist bekannt –, eine Gesundheitsplanung in Hessen vorzunehmen. Die Landesregierung ist nicht bereit, sich festzulegen, welche Kriterien für eine gute gesundheitliche Versorgung erforderlich sind. Das Land ist allerdings in der Verantwortung – andere Bundesländer machen das durchaus vor –, eine landesweite Planung auf den Weg zu bringen. Sie möchten sich nicht mit den Trägern der Kliniken, mit den Kommunen, den Verbänden und denjenigen, die bisher auch in der ambulanten Versorgung tätig sind, zusammensetzen, um zu klären, welche Einrichtungen in welchen Regionen aufgrund der Bevölkerungsstruktur, der Entfernung, der Mobilität und anderer Kriterien tatsächlich erforderlich sind.

Sie sind nicht einmal in der Lage, den Krankenhausgipfel zu veranstalten, der von vielen Verbänden gefordert wurde und den Sie nach langem Drängen zugesagt haben – und das in einer Situation, in der auch die hessischen Kliniken die Alarmstufe Rot ausgerufen haben. Bisher hat fast die Hälfte der Kliniken Liquiditätsprobleme. Mit den Preissteigerungen und ohne staatliche Maßnahmen werden noch mehr Kliniken gefährdet sein und Insolvenz anmelden müssen. Denn ohne Liquidität keine Zahlungen – dann ist die einzige Möglichkeit die Insolvenz. Die Gefahr besteht sogar, dass weitere Kliniken schließen müssen.

Ist das der Strukturwandel auf dem kalten Weg: Nur die überleben, die die größten Finanzgeber hinter sich haben, die die Klinik nutzen, um ihre Produkte loszuwerden und Gewinne zu generieren? Dieses Nichthandeln unterstützt die Profite der Gesundheitskonzerne und gefährdet die Versorgung der Bevölkerung.

Vizepräsident Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn:

Frau Kollegin, Sie wissen, die Zeit ist um?

Christiane Böhm (DIE LINKE):

Ja. – Deswegen: Stimmen Sie unserem Änderungsantrag oder dem der SPD zu – da bin ich großzügig –;

(Dr. Daniela Sommer (SPD): Oder beiden!)

dann ist wenigstens ein kleiner Schritt in die richtige Richtung gemacht worden. – Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und SPD)