Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Das Land muss seine Kürzungspläne zurücknehmen und für zusätzliche Einnahmen bei den Kommunen sorgen"

Hermann Schaus

Rede zum Haushaltplan 03 (Inneres) und zu Kommunalfinanzen

Herr Präsident, meine Damen und Herren

bereits am 2. Juni demonstrierten rund 200 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus  Hessen in Stadtallendorf gegen die von der Landesregierung geplante Kürzung des Kommunalen Finanzausgleichs und für kommenden Montag hat die „kommunale Familie“ eine weitere Protestveranstaltung vor dem Landtag angemeldet. Wir als LINKE unterstützen diesen berechtigten Protest, denn die Finanzausstattung der Kommunen verschlechtert sich von Jahr zu Jahr.

Vor wenigen Tagen verkündete der Landrat des reichsten Kreises der Bundesrepublik, des Hochtaunuskreises, dass erstmals in der Geschichte im kommenden Jahr das Defizit im Kreishaushalt nicht mehr zu decken sei. Es klaffe ein Loch von 44,5 Millionen Euro.

Die meisten Kommunen und Landkreise stecken aber nicht erst seit der Wirtschaftskrise in einer finanziell ausweglosen Situation. Auch in der Vergangenheit wurden ihnen Aufgaben übertragen, ohne einen vollständigen Finanzausgleich sicherzustellen.

Ob Rot-Grün, Schwarz-Rot oder Schwarz-Gelb: Die Steuerpolitik der vergangenen 10 Jahre ging immer zu Lasten der Kommunen, denen stabile und verlässliche Einnahmequellen stetig entzogen wurden. Allein das schwarz-gelbe „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ des Bundes kostet die Kommunen, die von jeglicher Mitsprache ausgeschlossen waren, ab 2010 bundesweit rund zwei Milliarden Euro im Jahr.

Wichtige Aufgaben, wie der flächendeckende Ausbau von KITA-Plätzen oder Investitionen in Bildung, geraten unter Finanzierungsvorbehalt. Die finanzielle Auszehrung der Kommunen und die Privatisierung kommunaler Aufgaben gefährdet die kommunale Selbstverwaltung und zerstört die demokratische Substanz unserer Gesellschaft.

Wir fordern deshalb planungssichere Einnahmen für die Kommunen, sowie ein Steuerrecht, das öffentliche Daseinsvorsorge stärkt, statt noch weiter abzubauen. Die Hessinnen und Hessen brauchen Vereins-, Sozial- und Kultureinrichtungen, Investitionen in Bildung und öffentlichen Nahverkehr, statt immer weitere Steuergeschenke für Banken, Manager und Einkommensmillionäre.

Viele Kommunen sind bereits so hoch verschuldet, dass alleine die Zinslast erdrückend ist. Kommunale Einnahmen müssen – auch als Kredite - zur Begleichung dieser Zinslast verwendet werden, so dass notwendige oder rentable Investitionen kaum noch erfolgen können.

Bei einer Gesamtverschuldung der hessischen Kommunen von über 17 Mrd. Euro muss durch die Bundes- und Landesregierung ein langfristiges Entschuldungsprogramm für die Kommunen organisiert und finanziert werden. Der vom Ministerpräsidenten angekündigte Hilfsfonds von 3 Mrd. Euro, bei dem die Kriterien noch nicht einmal feststehen und das Land sich weitgehend heraushalten will, reicht nicht.

Erstens, weil es bis heute bei einer wahltaktischen Ankündigung geblieben ist,
zweitens, die Kriterien und die Verantwortung des Landes nicht klar sind und
drittens nur ein Bruchteil des Finanzproblems überhaupt angegangen wird.

Ein großes Problem der Kommunen sind aber die Kosten der ihnen übertragenen Sozialaufgaben, die aufgrund der Aushöhlung der sozialen Sicherungssysteme auf Bundesebene stetig steigen. Die Kommunen sind es, die die Lücken bei Löhnen und Renten auf das gesetzlich vorgeschriebene, ohnehin zu niedrige, Mindestniveau aufstocken müssen. In der Folge fehlen den Kommunen in Hessen in den nächsten Jahren über 1,5 Milliarden Euro – zusätzlich pro Jahr!

Die Hessische Landesregierung ist Teil des Problems und nicht der Lösung. Die Absenkung des Kommunalen Finanzausgleiches mitten in der schlimmsten Krise der Kommunalfinanzen um 360 Millionen Euro pro Jahr ist unverantwortlich.

Diese Landesregierung unternimmt weiterhin alles, um in der Bundesrepublik die politische Speerspitze für soziale Ungleichheit zu bleiben.

Damit den Kommunen in Hessen nicht die Existenzgrundlage entzogen wird, muss das Land seine Kürzungspläne zurücknehmen und für zusätzliche Einnahmen bei den Kommunen sorgen. Durch einen freiwilligen Verzicht auf die Gewerbesteuerumlage z.B. könnte dies unmittelbar geschehen.
 
Dafür müssen Sie kein Bundesrecht ändern, das kann und muss die Landesregierung sofort tun! Die Handlungsfähigkeit der Kommunen würde so  sofort gestärkt.
  
Die katastrophale Finanzsituation der Kommunen wurde politisch verursacht und durch die Wirtschaftskrise noch verschärft. Jetzt dürfen wir es nicht zulassen, dass die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger diese Krise bezahlen müssen, während Banker, Manager und Spekulanten weiterhin verschont bleiben.


Zum Einzelplan 03 möchte ich in der gebotenen Kürze exemplarisch drei Änderungsvorschläge unserer Fraktion herausgreifen.

Erstens. Wir setzen uns wie in den zurückliegenden Jahren erneut für eine Erhöhung der Zahl der Anwärterinnen und Anwärter bei der hessischen Polizei auf 600 ein. Das ist kapazitätsmäßig an den Verwaltungsfachhochschulen möglich, und es ist zudem dringend  notwendig, um die seit 2004 entstandene Personallücke in absehbarer Zeit schließen zu können.

Zweitens schlagen wir vor, die Förderung von Privatisierungen sowie die Privatisierungen im Landesdienst einzustellen und die Kommunen bei der Rekommunalisierung zu beraten, damit sie selbst in sinnvolle Wirtschaftstätigkeiten einsteigen können.

Dies ist das Gebot der Zeit und es sollte in unser aller Interesse sein, dass z. B. die Kommunen ihre Versorgungsnetze zurückkaufen und selbst betreiben können.

Die wohnortnahe flexible Versorgung mindert Kosten und Verluste, und die erneuerbaren Energien bringen Unabhängigkeit von langfristigen Preissteigerungen. Nicht zuletzt werden mit dem Einsatz regenerativer Rohstoffe immense Zukunftsrisiken vermieden.

Vor diesem Hintergrund schlagen wir vor, dass das Land Hessen diese nachhaltige, Rekommunalisierung der Energieversorgung unterstützt. Deshalb sollen die Zuschüsse und Beratungstätigkeiten für PPP-Projekte gänzlich eingestellt und stattdessen eine neue Koordinations- und Beratungsstelle für Rekommunalisierung eingerichtet werden.

Drittens möchte ich wieder einmal auf das Thema Rechtsextremismus hinweisen. Wir müssen den Kampf gegen rechts ernst nehmen und hierzu gesellschaftlich gegensteuern, indem wir die vorhandenen zivilen Netzwerke und die Jugendarbeit stärken und ausbauen. Mit dem Verfassungsschutz schaffen Sie all das nicht. Im Gegenteil, die Diskussionen werden im Geheimen geführt. Es wird im Geheimen analysiert, statt das Thema in die Gesellschaft zu bringen.

Wir fordern daher, dass die Mittel für den Verfassungsschutz auf das Niveau von 2006 zurückgefahren werden, um die frei werdenden Mittel für Vereine und Projekte einzusetzen, die sich der Jugendaus- und -weiterbildung, der Förderung interkultureller Begegnungen und dem zivilgesellschaftlichen Engagement gegen Rechts widmen.

Mit der Beschreibung dieser drei Schwerpunkte aus unseren Anträgen habe ich versucht, die Themenauswahl für eine andere Innenpolitik darzustellen, die deutlich macht: Ein Ende des Personalabbaus und der Privatisierung sowie der Kampf gegen Neofaschismus sind dringend geboten und möglich.