Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Janine Wissler zum sogenannten "Seilbahnengesetz"

"Das Mobilitätsfördergesetz ist finanziell zu knapp ausgestattet - ob mit oder ohne Seilbahn"

Janine Wissler
Janine WisslerVerkehr

Gesetz zur Änderung des Mobilitätsfördergesetzes (Zweite Lesung Gesetzentwurf Fraktion der Freien Demokraten, Ds. 20/1185 zu Ds. 20/175)

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Eigentlich waren wir uns schon während der ersten Lesung mehr oder weniger einig, dass man zumindest nicht ausschließen sollte, dass Seilbahnen im Einzelfall eine sinnvolle Ergänzung im ÖPNV-Netz sein können. Dem wurde während der Anhörung nicht widersprochen. Uneinig waren wir uns nur über die Frage – oder sind es vielleicht auch noch, das weiß ich nicht –, inwieweit die Formulierung „Bahnen besonderer Bauart“ die Förderung der Seilbahnen nach dem Mobilitätsfördergesetz rechtssicher möglich macht oder eben nicht. Das Problem ist mittlerweile gelöst. Denn die Koalitionsfraktionen haben einen eigenen Änderungsantrag dazu vorgelegt. Sei es drum: Es ist entweder eine Präzisierung, oder es ist eine notwendige Regelung. – Jedenfalls haben wir uns im Ausschuss einvernehmlich darauf einigen können. Ich will noch einmal darauf hinweisen – das, finde ich, ist schon wichtig –, dass klar sein muss, was für eine kleine Schraube wir damit drehen. Das Mobilitätsfördergesetz um das es hier geht, ist jetzt schon finanziell sehr knapp ausgestattet, unabhängig davon, ob wir die Seilbahn förderfähig machen oder nicht. Wir reden hier über Fördermittel für Verkehrsinvestitionen in Höhe von 100 Millionen € im Jahr, die infolge der Föderalismusreform zukünftig aus den Umsatzsteuereinnahmen des Bundes fließen werden. Herr Meysner, nur so viel will ich zu der Frage sagen, ob das Landesmittel sind. Wirklich viel hat das Land bei diesen Mitteln nicht draufgelegt. Diese 100 Millionen € sind für die Verkehrswende natürlich dringend notwendig. Das ist viel zu knapp. Man muss sich z. B. einmal überlegen, dass die laufende Verlängerung der U-Bahn-Linie 5 in das Frankfurter Europaviertel nach aktuellem Stand allein schon 400 Millionen € kosten wird. Darauf will ich noch einmal hinweisen: Von diesen 100 Millionen € sollen 50 % für Investitionen in den Straßenverkehr fließen. So hat es die schwarz-grüne Mehrheit im letzten Jahr beschlossen. Es wäre ein mutiger Schritt gewesen, deutlich zu machen, dass der Ausbau des ÖPNV einen klaren Vorrang bei der Mittelvergabe hat, weil die Verkehrswende wichtig und notwendig ist.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist natürlich eine große Herausforderung. Die Verkehrsinfrastruktur, die wir jetzt haben, stagniert seit 20 bis 30 Jahren weitgehend. Wir haben im Rhein-Main-Gebiet eine völlige Überlastung der Busse und Bahnen, während wir in Teilen des ländlichen Raums die Situation haben, dass dort ganze Gebiete abgehängt sind. Die vielleicht wichtigste Neuerung in den letzten Jahren war die Regiotram in Kassel. Ansonsten stagniert die Verkehrsinfrastruktur weitestgehend. Wir diskutieren hier immer wieder über Verkehrsprojekte, die eigentlich schon seit Jahren und Jahrzehnten in der Diskussion sind. Deswegen brauchen wir natürlich wieder große Würfe. Tempo-30-Zonen und Busspuren sind auch wichtig. Aber das sind Dinge, die die Gemeinden mehr oder weniger für sich selbst klären können. Hingegen können die großen Verkehrsinfrastrukturinvestitionen nicht einfach von den Gemeinden gestemmt werden. Deswegen ist es notwendig, den Bau und Ausbau der kommunalen Bahninfrastruktur zu fördern.

(Beifall DIE LINKE)

Dazu gehört in Frankfurt die Ginnheimer Kurve. Dazu gehört die Wiesbadener Stadtbahn, die geplant ist. Hoffentlich wird sie nicht die einzige Linie bleiben. Auch in anderen Gemeinden, gerade im ländlichen Raum, muss dringend in die Verkehrsinfrastruktur investiert werden. 100 Millionen € klingen sehr großzügig. Das ist aber jetzt schon sehr knapp, ob mit oder ohne Seilbahn. Eines will ich dann doch noch einmal festhalten. Wir sagen ganz klar: Eine Seilbahn darf immer nur eine spezialisierte Ergänzung und keine Low-Cost-Alternative zu wichtigen Bahnprojekten sein. Auch Buslinien, die näher an den Wohngebieten und mit geringeren Haltestellenabständen fahren, erfüllen eine ganz andere Funktion als Seilbahnen, die in der Praxis natürlich immer Umsteigezwänge bedeuten. Deswegen darf es einen „ÖPNV light“ per billiger Seilbahn natürlich nicht geben. Dennoch kann es dort Projekte geben, die sehr sinnvoll und mit anderen Bahnen nur schwer zu bewältigen sind. Die Feldberg-Strecke – Frau Abg. Walther hat es eben angesprochen – ist etwas, bei dem sich der Nutzen wirklich erschließt. Aber natürlich werden die Seilbahnen die Verkehrsprobleme der Zukunft nicht lösen. Wir befürworten die Aufnahme von Seilbahnen ins Mobilitätsfördergesetz, weil sie in einer besonderen Nische interessante Alternativen sein können. Mein letzter Satz: Daher ist es gut, dass die FDP die Klarstellung angestoßen hat. Allerdings erwarten wir dann auch, dass die FDP und ihre Mitglieder nicht wieder bei eventuellen Seilbahnprojekten in der ersten Reihe der Bürgerinitiativen dagegen stehen, wenn es dann vor Ort Bedenken dagegen geben sollte.

(Beifall DIE LINKE – Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Das ist das Problem, wenn man Ortsverbände hat! – Weitere Zurufe)

Ich sage es nur, weil wir verschiedene Erfahrungswerte haben. Aber da hoffe ich einfach, dass die Faszination für die Seilbahn, die wir jetzt bei der FDP erleben können, dann auch in diesen Fällen bestehen bleibt und eben auch offensiv vertreten wird. Es ist gut, dass es die Initiative gab, es ist gut, dass wir es heute beschließen. In diesem Sinne stimmen wir dem Gesetzentwurf zu. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)