Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Datenschutz im Internet: "Gesetzgeber muss Menschen dort schützen, wo er sie schützen kann"

Hermann Schaus

Zum Antrag von CDU/FDP betreffend "Datenschutz stärken und Bürger vor Gefahren in 'Sozialen Netzwerken' schützen"

 

Zum Antrag der CDU und FDP betreffend "Datenschutz stärken und Bürger vor Gefahren in 'Sozialen Netzwerken' schützen"

 

Frau Präsidentin,
verehrte Damen und Herren,

jedes Jahr erneut beraten wir im Landtag intensiv über Fragen des Datenschutzes. Der Bericht des hessischen Datenschutzbeauftragten veranlasst uns regelmäßig, über die Verbesserung des Schutzes personenbezogener Daten nachzudenken. Dabei kommen wir stets zu dem Ergebnis, dass im Öffentlichen Dienst aber insbesondere in Privatbetrieben eine Verbesserung dringend erforderlich ist.

Die vorliegenden Anträge der Koalitionsfraktionen wie auch der SPD drücken nochmals - bei allen positiven Ansätzen - eher unsere Hilflosigkeit bei der Entwicklung eines kritischen Datenschutzbewusstseins, insbesondere bei jungen Menschen aus.

Wir werden zwar beiden Anträgen zustimmen, aber das Gefühl damit nichts Wesentliches verbessert zu haben, bleibt bei mir dennoch zurück. Wie lässt sich ein kritisches Bewusstsein zum Umgang mit den eigenen Daten, in Zeiten von Facebook, Twitter, Studi- und Schüler-VZ überhaupt entwickeln? Wie können wir Jugendliche dafür sensibilisieren, mit ihren persönlichen Daten selbstkritischer umzugehen und nicht alles Private, als Text, Foto oder Video, ins Netz zustellen?

Zu glauben, mit der Beschlussfassung der vorliegenden Anträge den Herausforderungen beim Datenschutz wirksam begegnen zu können, wäre falsch. Wir reden hier vielmehr über kleine Schritte in die richtige Richtung.

Wenn man die Wirkung der neuen Telekommunikationsformen angemessen einschätzen will, dann kann man sich derzeit deren Bedeutung für die Freiheitsbewegungen in Nordafrika und Arabien anschauen. Die wird nicht umsonst "Generation Internet" genannt, weil die sozialen Netzwerke hier im Zentrum der Organisation und Kommunikation zu stehen scheinen.

Das Herausragende des Internets ist dabei die weitgehende Unkontrollierbarkeit für Regime und die Verfügbarkeit von Informationen für nahezu jedermann - grenzüberschreitend. In sozialen Netzwerken entsteht Aufklärung durch die Zivilgesellschaft selbst. Sie nutzt die neue Möglichkeit weltweiter Kommunikation und erzeugt weltweite Auswirkungen.

Über die Plattform WikiLeaks wurde die Öffentlichkeit nicht nur über die Einschätzung der US-Diplomatie über Politikerinnen und Politiker zugegeben sehr undiplomatisch informiert, sondern auch über Verbrechen der Militärs in Irak oder Afghanistan aufgeklärt.

SPIEGEL-Online titelte am Dienstag dieser Woche: "Netz besiegt Minister (...) Guttenbergs Rücktritt ist ein Sieg des Internets. Die Debatte wäre anders verlaufen, hätte diese neue Macht nicht das getan, was sie am besten kann: Transparenz herstellen, Informationen verfügbar machen, Kommunikation optimieren."

Ich denke, angesichts dieser jüngsten Ereignisse mit weitreichenden Auswirkungen wird der Antrag der Bedeutung sozialer Netzwerke im Internet eben nicht gerecht. Soziale Netzwerke werden ja nicht umsonst so bezeichnet, weil sie eben sowohl persönliche wie gesellschaftliche soziale Wirkungen entfalten können, aber eben auch unsoziale Kontrolle und Überwachung auslösen können.

Viele von uns wissen, dass wir täglich unsere virtuelle DNA im Datennetz hinterlassen. Aber gibt es dazu eine Alternative?

Der nationale und erst recht der Landesgesetzgeber stehen also wie der Ochs vorm Berg. Die technische Beschleunigung und Entgrenzung lässt auch notwenige Regelungsversuche nahezu wirkungslos erscheinen.

Und dennoch muss der Gesetzgeber die Menschen dort schützen, wo er sie schützen kann; um Schaden zu verhindern und Grenzen zu ziehen. Zumindest in dieser Hinsicht gehen die Forderungen der vorliegenden beiden Anträge in die richtige Richtung.

Sowohl die Nutzung aller möglichen technischen Voraussetzungen zum Schutz der persönlichen Daten in den sozialen Netzwerken muss den Anbietern gesetzlich vorgeschrieben werden, wie auch der jederzeitige Ausstieg und die Löschung aller Daten.

Ein Lob der Bundesregierung (wie im Abs. 4 des Antrags von CDU/FDP) halte ich dennoch für nicht angebracht, denn das sie nun endlich Pläne haben, den Datenschutz an das Internetzeitalter anzupassen ist doch schon seit Jahren überfällig. Auch die Zusammenlegung des Datenschutzes in Hessen entspringt ja nicht unbedingt bei Allen vernünftiger Einsicht, sondern wohl eher einem Urteil des europäischen Gerichtshofes.

Der Erfolg dieser Umorganisation wird jedoch davon abhängig sein, wie die personelle und sächliche Ausstattung vorgenommen wird.

Ob diese Zusammenlegung zudem auch eine Wirkung auf die Sozialen Netzwerke hat, deren Anbieter ja fast ausschließlich nicht in Hessen, sondern im Ausland sitzen, darf deshalb sehr bezweifelt werden.

Mir würde es hier aber durchaus genügen, wenn ein erfolgreicher Datenschutz in den privaten Betrieben sichergestellt werden könnte.

Aus Sicht der LINKEN ist ein Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch ein durchgreifendes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz deshalb dringend notwendig, ebenso wie der endgültige Verzicht auf ELENA.

Das gleiche gilt für die "Datenwirtschaft", in der sich ein ganzer Zweig auf das Sammeln, Auswerten und Verkaufen von Kundeninformationen spezialisiert hat. Hier müssen endlich wirksame gesetzliche Regelungen statt einer Selbstverpflichtung her.

Grundsätzlich aber sollten die Nutzer über den Umfang der Erhebung, der Nutzung und der Weitergabemöglichkeiten ihrer Daten informiert werden. Und sie müssen dauerhaft über ihre Daten verfügen und Entscheidungen jederzeit und ohne großen Aufwand im Netz selbst löschen können.

Ziel muss es aber sein, eine persönliche Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen bei der Veröffentlichung ihrer eigenen Daten zu entwickeln. Kritisch und selbstkritisch mit den sozialen Netzwerken umzugehen muss erlernt werden. Deshalb gefällt wir der Ansatz des SPD-Antrages, dies als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen und Datenschutz und Medienkunde verstärkt in die Schulen zu bringen, sehr gut.

Es muss uns gelingen, über bessere Angebote in den Schulen Medienkompetenz und Datenbewusstsein intensiv zu vermitteln. Denn letztlich können wir das Internet nicht regulieren.

Umso wichtiger ist es, vor allem junge Menschen mit der kritischen Nutzung vertraut zu machen, die Chancen Sozialer Netzwerke zu nutzen, aber dabei gleichzeitig auch die persönlichen Risiken richtig einzuschätzen.

Das wäre meine Aufforderung an die Landesregierung und insbesondere an die Kultusministerin.