Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Desinformation als Gefahr für die Gesellschaft - Dr. Ulrich Wilken, DIE LINKE

Ulrich WilkenDaten- und VerbraucherschutzDigitalisierungMedienpolitikRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 143. Plenarwoche am 20.09.2023 diskutierte der Hessische Landtag über Desinformationen und Missinformationen und die damit einhergehende Gefahr für die Gesellschaft. Dazu in seiner Rede der medienpolitische Sprecher der Linksfraktion im Hessischen Landtag Dr. Ulrich Wilken..

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ja, der Vorgang, den wir heute Morgen diskutieren, ist alt. Er ist aus dem Jahr 2020. Wenn man Fehler macht

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 2021 beantwortet!)

– genau –, sind das doch keine Fake News. Die Antwort ist von 2021. Das ist also ein erstes Beispiel dafür, wo wir Dinge genau benennen sollten: Fehler sind keine Fake News, Fehler passieren. – Jetzt könnte man meinen, das Ganze ist fast drei Jahre alt und habe sich erledigt. Das Gegenteil ist der Fall. Das haben die Vorrednerinnen und Vorredner schon deutlich gemacht. Das Problem ist eher schärfer geworfen.

Ich will auch der Sachlichkeit wegen drei Facetten dieses Problems deutlich auseinanderhalten.

Die erste Facette ist das, was wir gelernt haben, Hass und Hetze zu nennen. Das ist vollkommen klar. Im Zweifelsfall ist es auch strafrechtlich relevant. Wenn ich jemanden angreife, verbal angreife, verunglimpfe, wenn ich ihn bedrohe, dann ist das strafrechtlich relevant. So müssen wir in der realen, der analogen Welt wie auch in der virtuellen Welt damit umgehen. Da sind wir in Hessen auf einem gar nicht schlechten Weg.

Die zweite Facette ist allerdings: „Das wird man ja wohl noch einmal sagen dürfen.“ Damit wird dann ein Kübel Mist in der Hoffnung ausgeschüttet, dass irgendwas schon hängen bleiben wird; kein Rauch, ohne dass es auch ein Feuer wird. Dagegen vorzugehen ist schon sehr viel schwieriger. Es ist sehr viel schwieriger, sich dagegen zu wehren.

Erst die dritte Facette ist dann das, was wir gelernt haben, Fake News zu nennen. Ich habe schon darauf hingewiesen: Wenn jemand einen Fehler macht und Monate und Jahre verwechselt, dann ist das etwas anderes als Fake News. Das sind Fehler. Es ist auch okay, dass die Fake News im Zweifelsfall durch die freie Meinungsäußerung gedeckt sind, wenn sie nicht in Hass und Hetze ausarten; aber worauf wir nicht müde werden dürfen hinzuweisen, ist, deutlich zu machen, dass es eben keinen Nachrichtenwert hat, wenn irgendjemand am Stammtisch oder auf X eine Meinung äußert. Das wieder zu lernen, Fake News als Meinungsäußerungen von Nachrichten zu unterscheiden, also von Wahrheit zu unterscheiden, muss unsere Aufgabe sein, und das nicht nur im politischen Dialog, sondern vor allem auch im Alltagsdialog.

(Beifall DIE LINKE)

Das heißt dann eben auch, dass wir wieder die Sorgfalt von Zeitungen und Nachrichtensendungen betonen müssen, den Wahrheitsgehalt von Meldungen zu überprüfen, sich also z. B. auf mehrere Quellen beziehen zu müssen. Das unterscheidet ein Medium von X, von Facebook oder von einer Stammtischäußerung. Deswegen sollten wir auch aufhören, diese Dinge soziale Medien zu nennen. Das sind eben keine Medien, weil keine Redaktion dazwischensitzt und überprüft. Es sind digitale Netzwerke. Da sollten wir auch im Sprachgebrauch einfach sauberer werden.

Letzte Bemerkung. Was sich heute Morgen bzw. gestern, als ich mich darauf vorbereitet habe, deutlich gezeigt hat, ist, dass wir mit unserer viel beschworenen Vermittlung von Medienkompetenz offensichtlich noch lange nicht weit genug sind. Das bleibt eine große Baustelle für uns alle. – Danke sehr.

(Beifall DIE LINKE)