Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Die Kommunen und die Bürger hat man außen vor gelassen"

Hermann Schaus

Zum Antrag der Fraktion der FDP betreffend "Redet ihr noch oder digitalisiert ihr schon?" – E-Government in Hessen endlich voranbringen:

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wir haben lange auf diesen Gesetzentwurf gewartet – nicht nur wir, sondern auch viele Praktikerinnen und Praktiker in den Kommunalverwaltungen.

Es ist daher durchaus berechtigt – der Minister hat das eher beschönigt –, noch einmal nachzufragen, warum es fünf Jahre seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetz und mehr als zwei Jahre seit der Vorlage eines internen Referentenentwurfs in Hessen gedauert hat, bis ein Gesetzentwurf in den Hessischen Landtag gekommen ist.
Jetzt erst – auf den letzten Drücker, kann man sagen – wird vor den Landtagswahlen endlich ein Gesetzentwurf vorgelegt, der nicht nur das Thema E-Government, sondern auch Änderungen am Vollstreckungsrecht und am Glücksspielrecht beinhaltet. Ich will mich aber auf den wesentlichen Punkt konzentrieren. Warum so spät, warum so knapp vor der Landtagswahl?

Warum konnte diese wichtige Diskussion nicht viel früher hier im Plenum geführt werden? Herr Minister, Sie haben gesagt, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit. – Dann kommt es aber auch auf das Ergebnis an. Dann erwarte ich in der Tat ein Ergebnis, das diese Gründlichkeit widerspiegelt. Der umfangreiche Gesetzentwurf ist, was die Zusammenarbeit mit den Kommunen angeht, meiner Ansicht nach sehr weich formuliert. Ich glaube, das ist eine entscheidende Schwachstelle, weil die Städte und Kommunen schon seit Langem auf eine Regelung warten und auch in den Städten und Kommunen ein Abstimmungsprozess in der öffentlichen Verwaltung stattfinden muss. Von daher ist das meiner Ansicht nach kein Gesetzentwurf, der die Interessen der Kommunen ausreichend mit berücksichtigt.

(Beifall bei der LINKEN)

Bis auf die elektronische Rechnungsstellung, deren Grundlage im Übrigen eine EU-Verordnung war, ist hier wenig Verbindliches geregelt. Es stellt sich die Frage, warum das so ist. Es sieht so aus, als ob vor der Landtagswahl noch schnell ein Thema abgeschlossen werden sollte. Das ist unzureichend. Was die finanzielle Seite betrifft: Notwendige Investitionen werden nicht beschrieben. Ich will das hier einmal aus der Sicht der Kommunalverwaltungen betrachten. Schließlich geht es darum, dass vom Land sozusagen Basiskomponenten geschaffen werden, die dann in allen Verwaltungen in Hessen genutzt werden können. Es geht also um die Unterstützung bei der Entwicklung einer gemeinsamen Software und möglicherweise auch um eine finanzielle Unterstützung bei deren Umsetzung.

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass das Fortschreiten der Digitalisierung zu wesentlichen Veränderungen bei den Abläufen und den Aufgaben und auch zu einem Wegfall von Stellen führen wird. Ich finde, auch dies gehört berechtigterweise in die Diskussion.
Die Bürgersicht auf Behörden ist meiner Ansicht nach in diesem Gesetzentwurf sehr mangelhaft berücksichtigt; denn der Bürger und die Bürgerin entscheiden nicht zwischen Aufgaben der Kommunalverwaltung, der Landesverwaltung oder gar der Bundesverwaltung, sondern sie wollen, so, wie es die FDP in ihrem Antrag beschrieben hat, einen einzigen Zugang zu allen behördlichen Vorgängen haben sowie die entsprechende Unterstützung. Das, was hier vorgelegt wurde, ist ein Gesetzentwurf, der ausschließlich aus der Landesperspektive erstellt wurde. Das ist es auch, worauf sich meine Kritik bezieht.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, das, was Sie beschrieben haben, nämlich die elektronische Aktenführung in der Landesverwaltung, ein digitaler Zugang für die Landesverwaltung oder das elektronische Erlassen von Verwaltungsakten, ist nicht ausreichend. Das ist nicht das, was Bürgerinnen und Bürger sowie die Kommunen hier fordern.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Sie haben das so beschrieben, als ob Hessen vorne mit dabei wäre. Herr Minister, ich konnte überhaupt nicht nachvollziehen, wie Sie zu diesem blumigen Ergebnis gekommen sind.

(Holger Bellino (CDU): Lesen Sie die Rede noch einmal digital! Vielleicht geht es dann besser! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich habe eher den Eindruck, die Hessische Landesregierung ist im Hinblick auf die Digitalisierung genauso hintendran wie der Hessische Landtag bei der Abschaffung des Livestreams. Während andere den Livestream einführen, wird er hier abgeschafft – aus welchen Gründen auch immer. So kommt mir auch dieser Gesetzentwurf vor: Andere sind in ihrer Entwicklung viel weiter und fordern eine Zusammenarbeit mit ihren kommunalen Behörden. Herr Minister, da reicht es nicht aus, den Kommunalen Spitzenverbänden einen Sitz im Beirat zuzugestehen und von einer großen Mitsprache bei der Weiterentwicklung zu reden. Der Einfluss, den man in diesem Beirat hat, ist sehr beschränkt. Ich kenne Experten aus der Kommunalverwaltung, die seit Jahren händeringend darauf warten und sich fragen: Was macht die Landesregierung? Wie können wir uns da einbringen? Wie können wir was gemeinsam entwickeln?

– All dies hat offensichtlich bei der Formulierung dieses Gesetzentwurfs nicht stattgefunden.

(Zurufe von der Regierungsbank)

– Doch, Herr Minister, das stimmt. Man erzählt Ihnen in Ihrem Mitarbeiterkreis offensichtlich etwas anderes. – Ich kann das sogar belegen. Es gibt seitens der Kommunen entsprechende Arbeitskreise – die auch zusammengeschlossen sind –, von deren Mitgliedern ich seit drei Jahren gefragt werde: Wann kommt endlich das Gesetz? – Ich habe ihnen den Entwurf geschickt, und sie haben gesagt: Darin steht gar nichts über die Kommunen. Wo ist denn hier die Zusammenarbeit?

(Vizepräsident Frank Lortz: Herr Kollege Schaus, Sie müssen zum Schluss kommen.)

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wo kommt denn in diesem Gesetzentwurf die Bürgersicht zum Ausdruck?

– Nein, das ist aus Sicht der Landesverwaltung geschrieben worden. Die Kommunen und die Bürger hat man außen vor gelassen. Darüber müssen wir in der Anhörung in der Tat intensiv diskutieren.

(Beifall bei der LINKEN)