Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Die Polizei ist ein wichtiger Bereich, diese Diskussion zu eröffnen"

Hermann Schaus

Zur ersten Lesung des Entwurfs für ein Gesetz über die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für die hessische Polizei

Zur ersten Lesung des Entwurfs für ein Gesetz über die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten für die hessische Polizei

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Seit 1999 wurden durch die rechtskonservative Regierungsmehrheit in Hessen tiefe Einschnitte in die Beteiligungsrechte der Personalvertretungen vorgenommen. So wurden die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. CDU und FDP wollen keine wirksame, keine echte Mitbestimmung der Beschäftigten auf Augenhöhe, weil selbstbewusste Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Widerstand gegen Kürzungen, Personalabbau und Verschlechterungen am Arbeitsplatz organisieren könnten. Sie könnten dann ja auch eigene Vorstellungen zur Arbeitsumgebung, zum Arbeitsverhalten und der Ordnung im Betrieb einbringen und möglicherweise sogar durchsetzen. Das will die Landesregierung nicht.

Die hessische Polizei war in besonderem Maße von der Zerstörung der Mitbestimmung betroffen – meine Vorrednerin hat schon darauf hingewiesen –, denn zusätzlich zum Abbau der Mitbestimmungsrechte wurde durch die Organisationsreform bei der Polizei Anfang 2000 und die Herauslösung aus der allgemeinen Verwaltung die Anzahl der Personalräte, insbesondere auch der freigestellten Personalräte nahezu halbiert. Es gibt im gesamten öffentlichen Dienst Hessens und im Vergleich zu den Polizeibehörden anderer Bundesländer keine vergleichbaren negativen Wirkungen wie diese Umstrukturierung, die zur Zentralisierung der hessischen Polizei führte.

Da liegt das mögliche Kernproblem für die zunehmenden Mobbingvorwürfe und die Konflikte, die aus den Reihen der Polizeibeamtinnen und -beamten berichtet werden. Wenn nämlich die Personalräte nicht mehr vor Ort, sondern weit entfernt in der Dienststelle sitzen, dann ist auch ihre ausgleichende oder schlichtende Funktion bei innerdienstlichen Problemen und Konflikten geschwächt. Der Herr Innenminister wäre allein schon deshalb gut beraten, den Forderungen der Gewerkschaften nachzukommen und die Personalratsstrukturen zu verändern. Da die Kolleginnen und Kollegen im Polizeidienst zu Recht sauer darüber sind, dass sie immer mehr für politische Fehlentscheidungen, gesellschaftliche Fehlentwicklungen und Spardiktate den Kopf hinhalten müssen, sie von Überstunden, Schichtdienst und Sondereinsätzen geplagt werden und der auf sie ausgeübte Druck ein Maß annimmt, das ihren Dienstalltag und ihre persönliche Lebenssituation massiv beeinträchtigt, bräuchten sie umso mehr vertrauenswürdige Ansprechpartner vor Ort für ihre Probleme und Nöte.

Da aber die personalrätliche Struktur weitestgehend zerstört wurde und interne Konfliktmechanismen offensichtlich versagen, haben sich in den zurückliegenden Monaten sehr viele Polizistinnen und Polizisten an die Presse und an die Öffentlichkeit gewandt. Sie berichten unisono von behördeninternem Stress und Druck, der den Dienstalltag unerträglich mache, und sie behaupten, dass die Leitungen auf Beschwerden eher mit Mobbing und Disziplinierungsmaßnahmen reagieren.

Wir als Abgeordnete können die Einzelfälle nicht sachgerecht beurteilen, weil wir weder in den Dienstalltag noch in interne Ermittlungsverfahren hineinschauen können. Aber als Opposition ist es unsere Aufgabe und unsere Pflicht und Schuldigkeit, bei einer so großen Masse und Brisanz an Vorwürfen Mechanismen vorzuschlagen, mit denen die offensichtlich bestehenden Konflikte bei der Polizei wie in anderen Landesministerien behoben werden können. Es reicht nicht, wenn ausgerechnet der Herr Innenminister Bouffier, der in denkbar unglücklicher Art und Weise unliebsames Personal ein- und austauscht, behauptet, die von ihm geschaffene Führungskultur und Fürsorge gegenüber den Beschäftigten sei in jeder Hinsicht vorbildlich. Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften behaupten nämlich genau das Gegenteil.

DIE LINKE hat deshalb erstens vorgeschlagen, die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten in Hessen wieder zu stärken. Leider wollten Sie unseren Gesetzentwurf zum Hessischen Personalvertretungsgesetz im letzten Jahr nicht einmal mit den Gewerkschaften und Experten beraten. Das sagt schon viel aus.
Zweitens schlagen wir vor, einen unabhängigen Ombudsmann oder eine Ombudsfrau für den öffentlichen Dienst einzurichten, der ähnlich, wie es in Skandinavien gelebte und erfolgreiche Praxis ist, unabhängig von der Regierung als neutraler Ansprechpartner für Beschäftigte und Bürger agieren kann. Wir sind der SPD für den vorgelegten Gesetzentwurf durchaus dankbar, weil er die Diskussion hierzu anschieben helfen kann.

Leider haben die Regierungsfraktionen schon am Tag der Veröffentlichung des Entwurfs, also noch bevor auch nur ein einziger Betroffener und Sachverständiger gehört werden konnte, signalisiert, dass sie schon die Diskussion für überflüssig halten – eine Position, die an Arroganz der Macht kaum zu überbieten ist.

Meine Damen und Herren, wir hingegen sagen: Lassen Sie uns über den SPD-Vorschlag intensiv mit allen Beteiligten diskutieren. Lassen Sie uns dabei folgende offene Fragen angehen: Erstens. Die Unabhängigkeit bei gleichzeitiger Kompetenz des oder der Beauftragten muss unbedingt gewährleistet sein. Denn zweifellos hätten wir nichts gewonnen, wenn sich ein Polizeibeauftragter oder eine Polizeibeauftragte entweder nicht bei der Polizei auskennt oder sich durch eine allzu große Nähe zur Führungsspitze der hessischen Polizei auszeichnen würde.

Zweitens. Eine Beauftragte oder ein Beauftragter kann eine personalrätliche Struktur nicht ersetzen und darf auch nicht als Parallelstruktur bestehen. Nicht nur die Personalräte, auch die Frauenbeauftragten und Schwerbehindertenvertretungen müssten mit einem Beauftragten verzahnt werden und sollten nicht in Konkurrenz zueinander geraten.

Drittens. Als ich den Vorschlag für eine Ombudsfrau bzw. einen Ombudsmann in den Raum gestellt habe, geschah dies zwar vor dem Hintergrund anhaltender Berichte über Mobbingvorwürfe, über Fehlverhalten von Führungskräften und der schlechten Stimmung in etlichen Bereichen bei der hessischen Polizei. Aber mein Vorschlag erfolgte auch vor dem Hintergrund vergleichbarer Berichte und Vorwürfe aus anderen Bereichen und Ministerien. Auch in anderen Behörden scheint die Personalzufriedenheit nicht gerade auf dem Höhepunkt zu sein, wenn ich mir die vielen Zuschriften und Gespräche mit Personalvertretungen und Beschäftigten vor Augen führe, Stichwort: Untersuchungsausschuss 18/1 im Bereich der Finanzverwaltung.

Deshalb ist es auch notwendig, gleichermaßen über entsprechende Ombudsleute in den anderen Ministerien, und zwar gemeinsam mit den gewählten Interessenvertretungen nachzudenken. Die Mitbestimmung muss bei einer Diskussion über die Verbesserung der Situation im öffentlichen Dienst natürlich mit bedacht werden. Dem sollte sich die Regierung nicht länger verschließen.


Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Der SPD-Gesetzentwurf bezieht sich zunächst allein auf die Polizei. Dies ist ein wichtiger Bereich, diese Diskussion zu eröffnen. Unsere Forderungen gehen weiter. Wir wollen hierzu alle Landesbereiche und alle gewählten Personalvertretungen von Anbeginn mit einbezogen sehen.