Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

"Die Wohnungsfrage ist viel zu wichtig, als sie dem Markt zu überlassen!"

Jan Schalauske
Jan SchalauskeWohnen

Bezahlbares Wohnen im Ballungsraum – Perspektiven hessischer Wohnungs- und Wohnungsbaupolitik (Regierungserklärung Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Dazu: Antrag Fraktion der Freien Demokraten zur Einsetzung einer Baukostensenkungskommission, Ds. 20/559)

 

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wenn die aktuelle Debatte auch nur ein Gutes hat, dann das: Fast niemand bestreitet ernsthaft mehr, dass wir in unseren Städten einen akuten Mangel an bezahlbarem Wohnraum haben, dass Mieterinnen und Mieter aus den Innenstädten verdrängt werden und dass die Wohnungsfrage nicht einfach nur irgendeine Frage, sondern eine der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit ist und dass dringend etwas getan werden muss.

(Beifall DIE LINKE – Jürgen Lenders (Freie Demokraten): Ist das je bestritten worden?)

Das war in der Vergangenheit durchaus anders. Da wurde man belächelt oder auch für verrückt erklärt, wenn man das Thema auf die Tagesordnung gebracht hat,

(Jürgen Lenders (Freie Demokraten): Nicht seitdem ich im Landtag bin!)

wenn man über Gentrifizierung oder andere Begriffe gesprochen hat. Das hat sich geändert. Mittlerweile, Herr Lenders, in der letzten Plenardebatte hat sogar die FDP ihr Herz für den bezahlbaren Wohnraum entdeckt.

(Jürgen Lenders (Freie Demokraten): Was heißt bei Ihnen „mittlerweile“?)

Sie haben es heute auch getan. Immerhin soll niemand mehr als 30 % seines Einkommens für die Miete ausgeben. – Eine Erkenntnis, die durchaus zu begrüßen ist, besser spät als nie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.

(Beifall DIE LINKE)

Während sich also einige grundsätzlich einig zu sein scheinen, dass wir ein Problem haben, gibt es in der Frage, was man tun kann, doch sehr unterschiedliche Antworten. Es gibt zum einen die, die immer noch unverwüstlich an die Kraft des freien Marktes glauben. Die Parole heißt da „Bauen, bauen, bauen“. – Man darf doch die Investoren nicht verschrecken. Man fragt sich mit Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahre: Woher nehmen Sie eigentlich diesen unerschütterlichen Glauben an die unsichtbare Hand des freien Marktes? Über Jahrzehnte ist die herrschende Politik, auch und gerade hier in Hessen, der Annahme gefolgt, der Markt werde es schon richten. Was ist das Ergebnis? Mangel an bezahlbarem Wohnraum, Mietenwahnsinn, Verdrängung, immer mehr teure Eigentumswohnungen und Luxusgettos. Alle diese Beispiele zeigen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Der Markt hat es in der Vergangenheit nicht gerichtet, er richtet es aktuell nicht, und er wird es auch in Zukunft nicht richten. Das Wohnungswesen ist eine so wichtige Frage, dass man sie nicht den Ökonomen allein überlassen sollte. Insgesamt gesehen, ist die Wohnungsfrage viel zu wichtig, als sie dem Markt zu überlassen.

(Beifall DIE LINKE)

Der Mietenwahnsinn sollte auch nicht als Ausdruck der wirtschaftlichen Stärke im Ballungsraum oder allein als Folge von gestiegenen Baukosten erklärt werden, sondern die Wohnungsfrage wird von einem Markt getrieben, der im finanzmarktdominierten Kapitalismus immer stärker den Dynamiken von Renditeerwartungen der internationalen Finanzmärkte unterliegt. Diese Entwicklungen treffen am Ende die Mieterinnen und Mieter. Sie haben sie auszubaden. Das ist ein weiterer Beleg dafür, zu sagen: Wohnraum darf nicht eine x-beliebige Ware sein, Wohnen ist ein Menschenrecht.

(Beifall DIE LINKE)

Das Thema ist im Übrigen auch viel zu wichtig, als über diejenigen zu sprechen, die sogar dieses Thema dazu nutzen wollen, rechte Stimmungsmache zu verbreiten und gegen andere gesellschaftliche Gruppen zu hetzen. Über die sollten wir heute gar nicht sprechen; dafür ist das Thema viel zu wichtig.

(Robert Lambrou (AfD): Hier hetzt niemand!)

Dann gibt es diejenigen, die zwar ebenfalls an die Kraft des freien Marktes glauben, zugleich aber immerhin eingestehen: Er ist nicht ausreichend in der Lage, für bezahlbaren Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten zu sorgen. – Auch bei diesen Leuten gilt das Prinzip „Bauen, bauen, bauen“, aber man wünscht sich kleinere Korrekturen am Mietrecht, ein paar Sozialwohnungen mehr und eine etwas weniger ambitionslose Geschäftspolitik der öffentlichen Wohnungsbauunternehmen. Das ist, kurz zusammengefasst, die Position der schwarz-grünen Landesregierung, die ich weniger begeisternd und dynamisch erlebt habe als andere in dieser Debatte. Die Realität auf den Wohnungsmärkten zeigt aber: Weder wird es der Markt richten, noch werden kleinere Korrekturen ausreichen. Vielmehr brauchen wir einen grundlegenden Kurswechsel, wie er von vielen Betroffenen, von Mietervereinen, Mieterinitiativen, stadtpolitischen Gruppen, Gewerkschaftern, Sozialverbänden, Kirchen, von der kritischen Wissenschaft, aber eben auch von uns gefordert wird. Notwendig sind wirksame Sofortmaßnahmen, um die Mieterinnen und Mieter jetzt vor Verdrängung zu schützen und um die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum sicherzustellen.

(Beifall DIE LINKE)

Diese Position wird eben wirkungsmächtiger. Das zeigt so manche Sorge in der Debatte. So hat die Landesregierung in Berlin, gebildet aus LINKEN, der SPD und GRÜNEN, einen Mietendeckel auf den Weg gebracht, mit dem das weitere Ansteigen der Mieten in Berlin schnell und effektiv gestoppt werden kann. Einen solchen Mietendeckel brauchen wir auch hier in Hessen. Darauf komme ich noch zu sprechen. Aus der gleichen Perspektive heraus strebt die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ in Berlin ein Volksbegehren für die Vergesellschaftung von großen Wohnungsunternehmen an. Diese Initiative hat am Freitag 77.001 Unterschriften übergeben, mehr als dreimal so viele, wie notwendig sind, um den ersten Schritt eines Volksbegehrens einzuleiten. Ich finde, das ist ein großartiger Erfolg, zu dem wir der Initiative und den Mieterinnen und Mietern in Berlin recht herzlich gratulieren.

(Beifall DIE LINKE)

Ebenfalls aus dieser Überzeugung versucht der Frankfurter Mietentscheid, auf dem Weg eines Bürgerbegehrens durchzusetzen, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG in Zukunft nur noch geförderte Wohnungen baut bzw. bereitstellt. Wie breit der Rückhalt in der Gesellschaft ist, zeigt eine Umfrage aus der letzten Woche. Das freut uns sehr. Umso unverständlicher ist es, dass sich CDU, SPD und GRÜNE in Frankfurt bisher weigern, diese Initiative ohne Wenn und Aber zu unterstützen.

(Beifall DIE LINKE)

Gegen alle diese Initiativen, ebenso wie gegen die Vorschläge unserer Partei und vieler anderer Initiativen wird immer wieder das Argument vorgetragen, das sei zu radikal. Bei „radikal“ denke ich an Bertolt Brecht, der gesagt hat, man müsse so radikal sein wie die Wirklichkeit. „Radikal“ bedeutet ja, an die Ursache, an die Wurzel zu gehen. Sehen wir uns einmal genau an, wie die Wirklichkeit am Wohnungsmarkt in Hessen aussieht. Schauen wir uns einmal die Zahlen und Statistiken an. Wir haben mit Frankfurt, Darmstadt und Wiesbaden drei Städte in der Rhein-Main-Region, die zu den zehn teuersten Städten in Deutschland gehören. Wir können zeigen, dass in vielen hessischen Städten die Mietbelastungsquote, das Verhältnis von Mieten und Einkommen, für viele Menschen zum Teil weit über der kritischen Schwelle von 30% liegt. In Kassel sind es 31,5 %, in Frankfurt 42 %, in Offenbach 45 % und hier in Wiesbaden sogar 45 %. Das ist im bundesweiten Vergleich Platz 11. Knapp 23 % der Bevölkerung in Wiesbaden geben mehr als 40 % ihres Einkommens für die Miete aus. Das sind die Zahlen aus dem Jahr 2017. Sie dürften inzwischen noch verheerender ausfallen.

Wir können auch darauf hinweisen, dass die Zahl der Sozialwohnungen seit Jahren kontinuierlich sinkt: nur noch gut 80.000 im Jahr 2018, während die Zahl der Haushalte, die auf einer Warteliste stehen, bei über 50.000 liegt. Alle diese Zahlen belegen doch, wie radikal die Wirklichkeit auf dem hessischen Wohnungsmarkt aussieht. Wir sollten aber nicht bei abstrakten Zahlen stehen bleiben. In solchen Statistiken sind nämlich selten die individuellen Geschichten, die menschlichen Schicksale abgebildet, die sich hinter diesen Zahlen verbergen. Weil die hessischen Mieterinnen und Mieter hier im Landtag nicht selbst sprechen können, will ich versuchen, ihnen eine Stimme zu geben, und erlaube mir, Ihnen ein paar Geschichten von Menschen aus Frankfurt vorzustellen. Da ist z. B. Claudia, 64 Jahre alt. Als sie noch gearbeitet hat, konnte sie ihre Wohnung in Bockenheim einigermaßen bezahlen. Aber jetzt, mit dem Renteneintritt, gehört sie plötzlich zu denjenigen, die mehr als 50 % ihres monatlichen Einkommens für die Miete aufbringen müssen. Sie erklärt – ich zitiere –: Das ist auch eine Realität – ich habe mein Leben lang gearbeitet, und trotzdem ist das so. Ich glaube, das ist eines der zentralen Probleme in Frankfurt. Das ist ein Problem der niedrigen Renten und der in Relation dazu hohen Wohnungsmieten ... Bei einer Rente von 1.200 € – Sie können in Frankfurt nicht für 400 € Wohnen. Definitiv nicht. Ich kenne niemanden, der für 400 € wohnt. In einer ähnlichen Situation ist Lea, die im Sozialbereich arbeitet. Sie wohnt in einer Dreier-WG im Bahnhofsviertel in einem 15 m2 großen Zimmer. Die Miete ist in den letzten fünf Jahren um 45 % gestiegen. Mittlerweile muss auch sie 50 % ihres verfügbaren Einkommens für die Miete aufbringen. Sie sagt: Wir sind zwar noch nicht physisch verdrängt, aber es ist auf jeden Fall eine Verdrängung, ja, aus dem Lebensstil. Das heißt, früher bin ich auch mal regelmäßig ins Theater gegangen etc. Und das geht halt alles nicht mehr. Und es ist klar, wenn die nächste Mieterhöhung kommt, wird am Essen gespart. Diese Zitate und Geschichten stammen aus der Broschüre „Frankfurter Realitäten – Biografien einer verfehlten Stadtpolitik“, die die Frankfurter Initiative „Eine Stadt für alle“ veröffentlicht hat. Sie zeigt die Geschichten von Betroffenen, und sie zeigt die persönlichen Auswirkungen von Verdrängung und der verzweifelten Suche nach einem Dach über dem Kopf. Ich möchte noch einen weiteren Fall ansprechen, einen Fall der direkten Verdrängung. Es handelt sich um Andreas, der bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG in Rödelheim gewohnt hat, bevor seine Wohnung modernisiert wurde und sich die Miete dadurch verdoppelt hat. Er gibt einen Einblick in sein Gefühlsleben: Seit 2012 habe ich jeden Tag mit der Angst gelebt, meine Wohnung zu verlieren, weil ich wusste, aus eigener Kraft wird es für mich ganz schwer, in Frankfurt jetzt eine Wohnung zu finden. In dieser Unsicherheit gelebt zu haben, da kann man gar keine Entschädigung für zahlen. Es hat ja fast vier Jahre gedauert vom ersten Bekanntwerden, dass man raus musste, bis ich die Ersatzwohnung hatte. Ebenfalls von Angst und Verzweiflung und von den direkten Folgen des Mietenwahnsinns berichtet schließlich Katharina, die im Frankfurter Nordend Opfer von Luxussanierungen und Entmietung wurde. Zitat: Ich habe nur den Beginn einer Luxussanierung nervlich ausgehalten. Ich ertrug das Gefühl, einer völligen Willkür ausgeliefert zu sein, wenige Wochen.Weiter führt sie aus: Meine Freundinnen und Freunde waren alle sehr überrascht, wie sehr mich das belastet hat zu der Zeit. Es ist wirklich eine große psychische Belastung. Der Ärger mit dem neuen Hausbesitzer, der Versuch, sich rechtliche Hilfe zu holen. Und überhaupt, in einem leeren Haus zu wohnen, in dem man jeden Tag von neuen, herabwürdigenden Manövern überrumpelt wird. Wer das nicht miterlebt, der kann es sich nur schwer vorstellen. Genau so ist es. Wer das nicht erlebt hat, kann sich nur schwer vorstellen, was Mietenwahnsinn und Verdrängung mit einem machen. Deswegen müssen wir dem endlich massiv entgegentreten.

(Beifall DIE LINKE)

Deswegen, Herr Minister Al-Wazir, würde ich mir wünschen, dass wir etwas Demut an den Tag legen und nicht, so, wie Sie es vor Kurzem getan haben, extra schlaue Empfehlungen aussprechen, wonach die Leute, die sich das Nordend in Frankfurt nicht mehr leisten können, eben nach Offenbach ziehen sollen. Herr Minister, ich finde das ziemlich respektlos gegenüber den Mieterinnen und Mietern.

(Beifall DIE LINKE)

Wir brauchen also entschlossene Maßnahmen – keine kleinen Korrekturen, sondern tief greifende Veränderungen –, um den Mietenwahnsinn zu stoppen. Dass die GRÜNEN zum wiederholten Male die 11. Feuerbach-These von Marx falsch verstanden haben, haben Sie hier und heute dokumentiert. Das will ich Ihnen nicht erneut erklären. Was machen Sie also? Sie machen nicht nichts – immerhin –, aber nicht einmal ansatzweise genug, leider. Sie setzen weiter auf ein marktgläubiges, inkonsequentes, mutloses und letztlich auch wirkungsloses „Weiter so“. An ein paar Stellschrauben zu drehen wird nicht reichen, bei Weitem nicht. Jetzt schauen wir uns drei Felder an, die im Kampf gegen Mietenwahnsinn und Verdrängung zentral sind: Mieterinnen- und Mieterschutz, Neubau und die Rolle der öffentlichen Hand. Beginnen wir mit dem Thema Mieterschutz, also dem Mietrecht. Herr Minister Al-Wazir hat die Maßnahmen der Landesregierung aufgezählt: abgesenkte Kappungsgrenze, Ausweitung der Kündigungssperrfrist, die Ankündigung, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen, und zuletzt die Verlängerung der Geltungsdauer der Mietpreisbremse und ihre Ausweitung. All diese Maßnahmen sind nicht falsch. Sie sind besser als nichts; aber sie sind sicher nicht geeignet, Rendite suchende Investoren in die Schranken zu weisen, Spekulanten wirklich das Handwerk zu legen und Mieterinnen und Mieter wirksam vor Verdrängung zu schützen. Dafür sind diese Maßnahmen schlicht zu harmlos. Es ist schön, dass Sie erklären, dass private Vermieter für Sie kein Feindbild sind. Die hessischen GRÜNEN singen seit Monaten das Hohelied des Privateigentums. Das Problem ist, es geht gar nicht um die privaten Vermieter. Wer wirkliche Veränderungen am Wohnungsmarkt durchsetzen will, muss sich mit den börsennotierten Aktienkonzernen anlegen. Darauf kommt es doch an. Er muss deren Renditeerwartungen einschränken. Es gibt kein Grundrecht auf endlose Rendite.

(Beifall DIE LINKE)

Was nützen den meisten Menschen Darlehens- und Eigentumsförderung, wenn sie sich nicht einmal eine bezahlbare Wohnung leisten können? Ich glaube, da denke nicht nur ich an Marie Antoinette und ihren Hinweis: Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.

(Robert Lambrou (AfD): Das hat sie nie gesagt!)

Die Maßnahmen, die stattdessen wirklich notwendig wären, liegen auf dem Tisch und werden in anderen Bundesländern erfolgreich angewandt und auf den Weg gebracht. Wir reden über ein Gesetz gegen spekulativen Leerstand und Wohnraumzweckentfremdung, und wir reden – noch viel wichtiger – über einen Mietendeckel. Leerstand und Zweckentfremdung: Wir – SPD und DIE LINKE – haben hier Gesetzentwürfe eingebracht. Die Landesregierung hat schon vor der Anhörung – die findet im August statt – erklärt, dass sie den Gesetzentwürfen nicht zustimmen wird. Man fragt sich, warum man dann überhaupt eine Anhörung macht. Der Herr Minister behauptet sogar, es gebe in Hessens Städten keinen relevanten Wohnungsleerstand. Ich finde, das grenzt an Realitätsverweigerung.

(Beifall DIE LINKE)

Selbst die eigenen Leute – die grüne Basis aus Frankfurt – wissen es besser und haben den grünen Minister scharf kritisiert, völlig zu Recht.

(Beifall DIE LINKE)

Die gleiche Realitätsverweigerung erleben wir bei dem Thema Mietendeckel. Die rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, mit dem in ganz Berlin die Mieten auf dem aktuellen Stand eingefroren, zum Teil sogar gesenkt werden. Das ist echter Mieterschutz. Das ist eine echte Verdrängungsbremse. So etwas brauchen wir auch in Hessen. Ich freue mich, wenn das in Berlin SPD, GRÜNE und LINKE machen. Man fragt sich nur, warum in Hessen die GRÜNEN nicht dabei sind. Ach ja, sie koalieren mit der CDU und verweigern sich deswegen wirksamen Maßnahmen. Das ist ein Armutszeugnis für die grüne Partei.

(Beifall DIE LINKE)

Sie können auch nicht sagen, das sei ein untaugliches Instrument; denn die GRÜNEN in Berlin unterstützen diese Maßnahme. Ihre Parteikollegen scheinen also der Meinung zu sein, dass das eine sehr wirksame Maßnahme ist. Das, was Sie machen, ist nichts anderes als eine unterlassene Hilfeleistung gegenüber den Mieterinnen und Mietern. Aber so inkonsequent agieren Sie auch in Sachen Neubau. Ich gebe zu, ich habe irgendwann den Überblick verloren. Es gibt mittlerweile ein halbes Dutzend verschiedener Programme, Allianzen und Bündnisse, mit denen Sie den Wohnungsbau ankurbeln wollen. Das Problem ist nur: Selbst wenn Sie damit Erfolg hätten und tatsächlich signifikant mehr Wohnungen entstehen würden – danach sieht es im Moment nicht aus –, würden Sie das Wohnungsproblem damit nicht lösen; denn die Mieten, die für eine Wohnung im frei finanzierten Neubau verlangt werden, sind viel zu hoch, als dass Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen sie noch bezahlen könnten. „Bauen, bauen, bauen“ – das allein bringt gar nichts, abgesehen davon, dass die Immobilienwirtschaft damit richtig gutes Geld verdient. Deswegen ist nicht irgendein Neubau, sondern bezahlbarer Neubau notwendig: sozial geförderter Wohnungsbau und insbesondere Sozialwohnungen in öffentlichem Eigentum.

(Beifall DIE LINKE)

Wie sieht die Bilanz der Landesregierung aus? Mit einem Wort: verheerend. Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt und sinkt und sinkt, und die Wartelisten werden immer länger. Wir bräuchten mindestens 10.000 neue Sozialwohnungen im Jahr. Im letzten Jahr waren es, je nach Quelle, nur 1.000 oder knapp 2.000. Das reicht nicht einmal annähernd, um die Zahl der Wohnungen zu kompensieren, die jährlich aus der Sozialbindung fallen. Von dieser hessischen Realität können Sie auch nicht ablenken, indem Sie ständig auf die gesteigerten Fördersummen verweisen.

(Beifall DIE LINKE)

Sozialwohnungen sollten auch nicht von Privaten errichtet werden. Das ist eine De-facto-Subventionierung von Investoren, die nach einer bestimmten Anzahl von Jahren mit diesem Eigentum machen können, was sie wollen. Diese Wohnungen sollten sich vielmehr im öffentlichen Eigentum befinden. Einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung – das muss der Maßstab sein. Schauen Sie einmal nach Wien: Mit den dortigen Gemeindewohnungen wird gezeigt, wie es gehen kann.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt schauen wir uns noch einmal die Liegenschaftspolitik an. Sie sagen immer, es müssen Flächen bereitgestellt werden. Aber zu oft werden Flächen an Private verkauft. Angekündigte Maßnahmen, wie Konzeptvergabe oder Erbbaurecht, spielen nur eine untergeordnete Rolle. Das sollten Sie aber nicht immer nur den Vertretern der Kommunen erzählen, sondern auch selbst beherzigen: Wer, wie das Land Hessen, immer an den Meistbietenden verhökert, sollte nicht anderen, wie den Vertretern der Kommunen, wohlfeile Ratschläge geben. Dann kommen wir zu den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, die direkt oder indirekt dem Einfluss des Landes unterliegen. Da ist zum einen die GWH. Viele Mieterinnen und Mieter klagen über unsoziale Mieterhöhungen und über Modernisierungsmaßnahmen. Die GWH gehört nicht direkt dem Land, aber die Landesregierung könnte über die Trägerversammlung und den Verwaltungsrat der Helaba sehr wohl ihren Einfluss geltend machen und z. B. einen Mietenstopp durchsetzen. Bisher allerdings passiert gar nichts. Die andere Wohnungsbaugesellschaft ist die Nassauische Heimstätte. Hier kann sich das Land überhaupt nicht aus der Verantwortung stehlen. Trotzdem passiert zu wenig. Bei der Bauoffensive der Nassauischen Heimstätte, von der Sie sprechen, geht es um den Bau von 5.000 Wohnungen in den nächsten Jahren, größtenteils nicht einmal sozial gebunden. 5.000 Wohnungen sind viel zu wenige. Das ist keine Offensive, das ist bestenfalls ein geordneter Rückzug.

(Beifall DIE LINKE)

Was wir wirklich brauchen, ist ein öffentliches Neubauprogramm, mit dem wir den Bau von 10.000 Sozialwohnungen im Jahr schaffen, und wir brauchen schnelle und tief greifende Maßnahmen, die die Bedingungen für viele Mieterinnen und Mieter nachhaltig verbessern. Gegen die hessischen Realitäten auf dem Wohnungsmarkt helfen auch keine großen Marketingbegriffe wie „Frankfurter Bogen“. Wer jahrelang den ländlichen Raum und die breiteren Räume im Ballungsgebiet vernachlässigt hat, darf sich nicht wundern, wenn es dann Druck auf die Städte gibt. Die hessischen Realitäten auf dem Wohnungsmarkt verlangen nach einem grundsätzlichen, sofortigen Kurswechsel. Sonst wird es zu spät. Die Politik der Landesregierung verweigert sich einem solchen Kurswechsel. Deswegen bleibt sie marktgläubig, inkonsequent, mutlos und wirkungslos, und deswegen werden wir in den kommenden Wochen und Monaten gemeinsam mit außerparlamentarischen Bewegungen unsere Anstrengungen für mehr bezahlbaren Wohnraum und für Mieterinnen- und Mieterschutz verstärken.

(Beifall DIE LINKE)