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Rede

Gesetz zur Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen - 26.09.2019 - 22. Plenarsitzung

Dritte Lesung Dringlicher Gesetzentwurf Fraktion DIE LINKE Gesetz zur Aufhebung von Straßenbeiträgen in den hessischen Kommunen

Hermann Schaus

Dritte Lesung Gesetzentwurf Fraktion der SPD
Gesetz zur vollständigen Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen

Beschlussempfehlung und Bericht Innenausschuss Dringlicher Antrag Fraktion der Freien Demokraten
Selbstverwaltung achten, Infrastruktur stärken, Belastungen minimieren – für eine gerechte Lastenverteilung bei Straßenausbaubeiträgen

Herr Präsident, gemeinsam schaffen wir das. – Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zum neunten Mal in den letzten zwei Jahren diskutieren wir nun in diesem Haus über die Straßenausbaubeiträge. Ich muss ehrlich gestehen: Neue Argumente erkenne ich in dieser Debatte kaum mehr. Ich weiß, was Herr Bauer nachher sagen wird, deswegen werde ich schon vorher darauf eingehen.

(Heiterkeit Günter Rudolph (SPD))

Es wird wieder so sein, wie es auch in den letzten Diskussionen war: Die Koalition wird, starrsinnig, wie sie in dieser Frage ist, letztendlich wieder dagegen sein.

(Beifall DIE LINKE)

Ich habe einen Flyer von der CDU Berlin. Ich möchte daraus zitieren. Dort heißt es:

Abzocke gestoppt – Versprechen gehalten. Auf Druck der Berliner CDU-Fraktion wird das Straßenausbaubeitragsgesetz wieder abgeschafft!

Bravo.

Mit der Abschaffung des Straßenausbaubeitragsgesetzes gibt es nun wieder klare Verhältnisse: Der Staat sorgt eigenständig für seine Infrastruktur. Das Gesetz stellte den untauglichen Versuch dar, die Unterhaltung und Pflege der öffentlichen Straßen zu weiten Teilen auf die Gruppe der Eigenheim- und Grundstücksbesitzer abzuwälzen. Damit ist nun Schluss.

Ja, das sollte beispielhaft für die hessische CDU sein. Das ist schon ein paar Jahre her. Es muss schon ein paar Jahre her sein in Berlin, da sie zu diesem Zeitpunkt, als es abgeschafft wurde, noch in der Koalition war.

Ein neueres Flugblatt gibt es in Thüringen. Auch daraus will ich zitieren, wenn ich darf, Herr Präsident. Dort heißt es:

Durch die gute wirtschaftliche Entwicklung in ganz Deutschland konnte auch der Freistaat Thüringen Rücklagen bilden. Dieses Geld haben die Menschen in Thüringen mit ihrer Arbeit erwirtschaftet. Es ist gerecht, ihnen davon einen Teil zurückzugeben und eine große Ungerechtigkeit zu beseitigen.

„Eine große Ungerechtigkeit“, Herr Bauer, da haben Sie es gehört.

Deshalb setzen wir uns für die Rückerstattung der geleisteten Beiträge ein, ohne Stichtag und in rechtssicherer Form.

(Beifall DIE LINKE)

Bravo, sage ich da. – Das sind nur zwei Auszüge, die zeigen, dass die CDU in anderen Bundesländern ganz klar zu anderen Ergebnissen kommt.

Ich kenne die Argumente. Wir haben sie hinauf und herunter diskutiert. Das geschah in vielen Diskussionen und Anhörungen im Innenausschuss usw. Ich will deshalb nur noch einmal darauf hinweisen: Es ist richtig, etwa 3 Millionen Bürgerinnen und Bürger in Hessen betrifft das nicht mehr. Sie leben in Gemeinden, in denen es keine Straßenbeiträge mehr gibt. Es sind 3 Millionen Menschen.

Das sind aber die kleineren Kommunen. Das sind die ländlich strukturierten Kommunen. Das sind die, die viele und lange Gemeindestraßen haben. Sie sind nach wie vor davon betroffen. Insofern haben wir in der Tat die Situation unterschiedlicher Behandlung im Verhältnis der Stadt zu dem Land. Es gibt eine unterschiedliche Behandlung der reichen Kommunen im Verhältnis zu den etwas ärmeren Kommunen. Sie sollten deshalb nach wie vor darüber nachdenken.

Nun wird gesagt: Wir haben die wiederkehrenden Straßenbeiträge. Deswegen können die Kommunen sehr flexibel damit umgehen. Sie können selbst entscheiden, wie sie – ich sage jetzt einmal – Ratenzahlung usw. vereinbaren.

Unabhängig davon werden von den Bürgern bei wiederkehrenden Straßenbeiträgen immer noch Beiträge gezahlt, auch wenn sie zeitlich mehr verteilt und niedriger sind. Auch diese Diskussion hatten wir schon im letzten Jahr. Ich will auf einen Artikel vom 23. Mai 2018 im „Darmstädter Echo“ hinweisen. Da wird Folgendes mitgeteilt – ich zitiere –:

Die wiederkehrenden Straßenbeiträge haben Auswirkungen, mit denen kaum einer gerechnet hat: So werden nun auch gemeinnützige Vereine zur Kasse gebeten, die in den Abrechnungsgebieten mit ihren Plätzen, Hallen und Vereinsheimen liegen. Für die Vereine ist dies total existenzbedrohend.

Das wird dann am Beispiel Pfungstadt dargestellt. Ich zitiere noch einmal:

So müssen pro Jahr z. B. die FTG Pfungstadt 5.180 €, der Reit- und Fahrverein Pfungstadt 3.846 €, der VdH rund 2.700 € … zahlen. Mit 22.240 € liegt in diesem Ranking der TSV
Pfungstadt an der Spitze. Insgesamt haben die Pfungstädter Vereine mit eigenem Gelände – darum geht es, manchmal sind das große Anliegerflächen, deswegen sind die Beträge so hoch – dabei rund 36.000 € für 2017 zu bezahlen, …

So viel will ich zu den wiederkehrenden Straßenbeiträgen und dem sagen, was Sie den Vereinen zumuten. An diesem Beispiel wird das deutlich. Ich glaube nicht, dass das eine soziale und ausgeglichene Politik ist.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Ich komme zu meinem letzten Punkt. Denn viel mehr Zeit habe ich nicht. Das betrifft den Spruch mit dem Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Der ist so was von niedlich. Die Argumentation, man würde mit der Abschaffung von Straßenbeiträgen in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen, ist schon sehr abenteuerlich.

(Beifall DIE LINKE und Sabine Waschke (SPD))

Denn da wird nicht eingegriffen. Wir fordern, ihnen Geld zur Verfügung zu stellen. Sie sollen selbst entscheiden, wie sie ihre Ortsstraßen sanieren.

Das geschieht vor dem Hintergrund, dass die Rückzahlung der Gewerbesteuerumlage nicht vollständig erfolgt. Vielmehr wird da von der Koalition in die kommunale Selbstverwaltung eingegriffen, indem ihnen ein Großteil dieser Umlage vorenthalten wird. Herr Bauer, das ist ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung par excellence.

(Beifall DIE LINKE)

Insofern überprüfen Sie wenigstens einmal Ihre Argumente. Sehr viele haben Sie nicht. Meiner Ansicht nach haben Sie keine.

Ich fürchte, es geht aus, wie es ausgehen muss. Denn die Starrsinnigkeit innerhalb der Koalition ist nicht aufzubrechen. Ich bedauere das sehr. Ich plädiere aber nach wie vor dafür – ich bin mir da sicher –, dass das Thema aufgrund der Bürgerinitiativen, die sich weiterhin gründen werden und die wir als Fraktion unterstützen, noch nicht gegessen ist. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)