Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024
Rede
Elisabeth Kula - Für ein Europa der Menschen, nicht der Konzerne
In seiner 133. Plenarsitzung am 23. Mai 2023 gab die Hessische Europaministerin eine Regierungserklärung ab. Dazu die Antwort unserer Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Kula.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!
Woran es uns in jüngster Zeit im politischen Raum wirklich nicht mangelt, sind neue Wortschöpfungen, die Großes verheißen, aber immer unkonkret bleiben, um in alle Richtungen interpretierbar zu sein: Unser Bundeskanzler Olaf Scholz schaffte es, ein solches Wort zu etablieren, das in Straßburg und Brüssel mittlerweile fast jeder kennt: die Zeitenwende.
Leider hat das, was der Bundeskanzler meint, und auch das, was heute die Ministerin vorgetragen hat, nichts mit einer europäischen Zeitenwende für die Menschen in Europa zu tun. Diese „Zeitenwende“ – oder das, was die Ministerin heute als „Erkenntnis für die Zukunft des europäischen Integrationsprozesses“ bezeichnet hat – bezieht sich nicht etwa auf eine gemeinsame Initiative zur Umverteilung des Reichtums in der Europäischen Union, weg von den Konzernen, die wegen Krieg und Krise sprudelnde Gewinne machen, von den Superreichen, die die größten Klimakiller sind, hin zur Mehrheit der Menschen, die hart unter den Krisen der letzten Jahre gelitten hat. Nein, bei dem, was mit „Zeitenwende“ und „Erkenntnis für die Zukunft des europäischen Integrationsprozesses“ gemeint ist, geht es um Konkurrenz, Militarisierung und Abschottung der EU.
(Beifall DIE LINKE)
Mit Werten wie Freiheit oder Demokratie, die auch Sie, Frau Puttrich, heute wieder vorgetragen haben, hat das überhaupt nichts zu tun. Es geht um knallharte ökonomische und geopolitische Interessen, meine Damen und Herren.
(Beifall DIE LINKE)
Eine solche Politik hilft den Menschen in der EU überhaupt nicht. Im Gegenteil: Statt immer mehr öffentliches Geld in Militär und Rüstungsgüter zu pumpen, brauchen wir eine gemeinsame europäische Initiative für massive Investitionen in den Klimaschutz, Gesundheit und Bildung. Das wäre die Zeitenwende, die die Menschen in der EU dringend brauchen.
Für eine solche historische Kraftanstrengung müsste die
EU aber einige ihrer Gründungsmythen aufgeben, die auch gerade noch einmal von den Freien Demokraten wiederholt wurden, z. B., dass Staatsverschuldung per se etwas Schlechtes sei.
(Zuruf Freie Demokraten: So ist es auch!)
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt und der Fiskalpakt sind das Herzstück der fehlgeleiteten EU-Wirtschaftspolitik, die zu Verarmung und zu steigender Ungleichheit führt.
(Beifall DIE LINKE – Widerspruch Dr. h.c. JörgUwe Hahn (Freie Demokraten))
Schaut man sich an, welche Folgen diese neoliberale Fiskalpolitik hat, dann kann man feststellen, dass die einzigen Gewinner dieser Politik die großen Konzerne sind, die sich über Privatisierung im öffentlichen Sektor die Hände gerieben haben.
(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten): Was für ein Unsinn! – Gegenruf DIE LINKE)
Das schreckliche Zugunglück in Griechenland Anfang März ist nur eine tragische Geschichte von vielen, die auch von den Auswirkungen des Reformprogramms erzählt, das die Troika auferlegt hatte. Die Auflagen der Troika trafen nämlich auch den Stationsvorsteher von Larisa, der die Aufsicht über Weichen und Gleise am Unglückstag hatte und in den Jahren davor aufgrund des Personalabbaus im öffentlichen Sektor an eine Schule versetzt wurde und anschließend keine adäquate Weiterbildung für diese Tätigkeit an der Station erhalten hat.
(Zuruf Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (Freie Demokraten))
Meine Damen und Herren, eine funktionierende öffentliche Infrastruktur ist auch eine Frage der Sicherheit für die Menschen in Europa.
(Beifall DIE LINKE)
Wir verlangen die Aufhebung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, um die Infrastruktur zu modernisieren und die ökologische Transformation in der EU sozial ausgestaltet zu finanzieren. Die von der Kommission geplanten Lockerungen der Auflagen für die Staatsverschuldung zeugen davon, dass die Erkenntnis, dass es in der EU ohne massive Investitionen nicht gehen wird, auch bei den Konservativen angelangt ist.
Beschämend aber ist, dass sich ausgerechnet der deutsche Finanzminister gegen die viel zu zögerlichen Lockerungen der Auflagen wehrt. Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Christian Lindner ist damit in seinem Amt zu einem der gefährlichsten Männer Europas geworden.
(Zuruf: Hui!)
Zur Sicherheit von Europa gehört auch für uns insbesondere die soziale Sicherheit. Aber die soziale Sicherheit hat in Brüssel und Straßburg leider keine mächtigen Lobbyisten. Auch Sie, Frau Ministerin, haben heute nichts zur sozialen Lage der Menschen in der EU gesagt. Dabei ist sie für viele mittlerweile dramatisch: Jedes vierte Kind in der EU wächst in Armut auf. Über 86 Millionen Menschen in der EU – besonders Frauen und ältere Menschen – sind von Armut gefährdet. Dramatisch ist die Lage in Bulgarien und Rumänien.
Aber auch Deutschland als stärkste Volkswirtschaft in der Eurozone liegt mit beschämenden 24 % über dem EU-weiten Durchschnitt. Über die unter Schwarz-Grün massiv gestiegene Armut in Hessen haben wir als LINKE hier schon oft geredet. Das ist und bleibt ein politisches Armutszeugnis für Hessen, Deutschland und die EU.
(Beifall DIE LINKE)
Wie schon Bertolt Brecht wusste, steigt mit der Armut der vielen parallel auch der Reichtum der wenigen. Während der Pandemie – das müssen Sie sich einmal vorstellen – ist jeden Tag ein neuer Milliardär dazugekommen. Die Anzahl an Flügen mit Privatjets in Europa ist im letzten Jahr um sage und schreibe 64 % auf über 570.000 gestiegen. Dadurch wurden knapp 3,4 Millionen t CO2 ausgestoßen, so viel wie von 555.000 Einwohnerinnen und Einwohner im Jahr – und die meisten Privatflüge finden übrigens in Deutschland statt.
Meine Damen und Herren, diesem perversen Reichtum muss endlich der politische Riegel vorgeschoben werden: Privatjets gehören verboten. Es kann einem niemand erklären, warum die Superreichen Privatflüge machen dürfen, während gleichzeitig die weniger wohlhabenden Privathaushalte die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen finanzieren sollen. So geht das nicht weiter.
(Beifall DIE LINKE)
Der gesellschaftliche Reichtum in der EU muss endlich umverteilt werden. Bevor Sie gleich wieder Schnappatmung bekommen: Mittlerweile gibt es sogar Unterschriftenlisten von Reichen, die selbst fordern, höher besteuert zu werden – „taxmenow“ heißt die Initiative der BASF-Erbin Marlene Engelhorn, gemeinsam mit anderen Millionären. Wenn jetzt sogar die Reichen selbst quasi darum betteln, endlich höher besteuert zu werden, dann muss doch endlich bei allen politisch Verantwortlichen der Groschen gefallen sein. Umverteilung des Reichtums auf nationaler, aber auch internationaler Ebene: Dafür sollten wir uns und sollten auch Sie sich, Frau Puttrich, endlich einsetzen.
(Beifall DIE LINKE)
Fest steht, es braucht ein EU-weites soziales Sicherungsnetz, das die Menschen von Lissabon bis Warschau vor Armut schützt. Das wäre im Übrigen auch das beste Gegengift gegen die Angstmache und Hetze der Rechten in Europa. Derzeit setzt die EU Menschen und die Sozialsysteme der EU-Mitgliedstaaten einem enormen neoliberalen Wettbewerb aus, bei dem um die niedrigsten Sozial-, Arbeitsrechts- und Umweltstandards konkurriert wird. Ein Paradebeispiel konnten wir doch im April direkt vor unserer Haustür erleben: Mit dem Streik der Lkw-Fahrer an der Raststätte in Gräfenhausen wurden wir Zeugen einer besonders dramatischen Form von Ausbeutung im europäischen Transportwesen.
Über 60 Tage wurden die streikenden Fahrer aus Georgien und Usbekistan nicht bezahlt. Beim grenzübergreifenden Gütertransport ist der Ausbeutung der Kraftfahrer Tür und Tor geöffnet, und das gilt ganz besonders, wenn die Fahrer aus Drittstaaten kommen. Im Wettbewerb um den niedrigsten Preis wird das Lohngefälle zwischen den einzelnen EU-Staaten gnadenlos gegen die Fahrer ausgenutzt. Aufträge, auch von IKEA, VW oder DHL, werden an Subund Subsubunternehmer outgesourct, was zu Lohndumping und brutaler Ausbeutung führt. Grundsätzlich muss auch im Transportwesen gelten, dass gleicher Lohn für die gleiche Arbeit gezahlt werden muss – egal welchen Pass der Fahrer oder die Fahrerin hat, meine Damen und Herren.
(Beifall DIE LINKE)
Das derzeitige Kontrollsystem ist völlig unzureichend und muss dringend zielgerichteter und umfassender gestaltet werden. Schlupflöcher müssen geschlossen werden. Auch die Kontrolle der Lieferkette muss strikter gestaltet werden. Dass Sie, Frau Ministerin Puttrich, das Ganze in Ihrer Regierungserklärung nicht einmal erwähnt haben, zeigt schon Ihr Desinteresse für die Situation der Kraftwagenfahrer in Europa.
Wem es hingegen in der EU hervorragend geht, das sind die Energiekonzerne. Sie sind die echten Krisen- und Kriegsgewinner. Europas größter Ölkonzern, Shell, verdiente zwischen Juli und September 2022 mit rund 9,5 Milliarden Dollar weiter glänzend. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit hat ausgerechnet, dass vor allem die großen Öl- und Gaskonzerne im letzten Jahr global Übergewinne in Höhe von 1.000 Milliarden € eingefahren haben. Es kann doch wirklich nicht sein, das insbesondere Deutschland nicht willens ist, diese Übergewinne aus der Krise anständig abzuschöpfen.
Die Umsetzung der Übergewinnsteuer ist viel zu zögerlich. Die offiziellen Zahlen, wie viel Deutschland aus der Übergewinnsteuer 2022 eingenommen hat, liegen noch nicht einmal vor – da will Wirtschaftsminister Robert Habeck die Abgabe im Juni 2023 schon wieder streichen. Ich finde, das ist vollkommen wahnsinnig. In Spanien hat man das anders gemacht. Da wurde mit der Sonderabgabe ein landesweites Null-Euro-Ticket für den ÖPNV finanziert. In Europa wurden durch die Übergewinnsteuer insgesamt ungefähr 15 Milliarden € an Einnahmen erzielt. In Deutschland waren es maximal 2 Milliarden €. Das ist alles andere als eine gerechte Verteilung der Profite aus Krieg und Krise. Auch hier könnte sich die Europaministerin Hessens für die Schließung von Steuerschlupflöchern und eine höhere Übergewinnsteuer einsetzen, meine Damen und Herren.
(Beifall DIE LINKE)
Anstatt über Rettungsmaßnahmen für den gescheiterten Strommarkt zu philosophieren, sollte man sich endlich für eine öffentliche Energieversorgung einsetzen.
Aber nicht nur Energiekonzerne machen sich in der Krise die Tasche voll. Vom Krieg in der Ukraine profitiert vor allem auch die Rüstungsindustrie.
(Zuruf CDU: Na ja!)
Das Geschäft mit dem Tod brummt so richtig, wenn der Krieg tobt. Direkt nach Kriegsbeginn schoss die Aktie des Rüstungskonzerns Rheinmetall nach oben und befindet sich seitdem weiter im Höhenflug. Mittlerweile ist die Aktie mit über 200 € doppelt so viel wert wie in den Tagen vor dem Krieg. Auch in Kassel produzieren über 1.200 Beschäftigte des Konzerns gepanzerte Fahrzeuge. Der Kasseler Standort konnte 2022 seinen Gewinn um 20 % steigern – ein Rekordwert.
(Zuruf Stephan Grüger (SPD))
Besonders geschmacklos in dieser Lage war der Kommentar unseres grünen Wirtschaftsministers Al-Wazir, der die Lieferung von Leopard-2-Panzern als – Zitat – „gute Nachricht für den Wirtschaftsstandort“ bezeichnete. Ich finde, über blutige Profite freut man sich nicht; man versucht sie zu verhindern, meine Damen und Herren.
(Beifall DIE LINKE)
Stattdessen wird die deutsche und europäische Waffenindustrie trotz Rekordgewinnen weiter gepampert – sei es mit dem 100-Milliarden-€-Sondervermögen, das auf einmal im Bund aus dem Ärmel geschüttelt wurde – es wäre schön, wenn so etwas für Bildung und Soziales auch einmal möglich wäre –, oder sogar mit Mitteln aus dem EUStrukturfonds, um die Rüstungsproduktion zu unterstützen, also mit öffentlichen Mitteln, die eigentlich dazu gedacht waren, regionale Unterschiede zwischen den europäischen Regionen auszugleichen. Die europäische Rüstungsindustrie soll auf Kriegswirtschaftsmodus umgestellt werden – das sage nicht ich, das sagt der EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Und die Frau Ministerin scheint das gut zu finden.
Nein, meine Damen und Herren, nichts ist gut daran, wenn wieder massenhaft Panzer von den Bändern rollen und die EU als Konflikt- statt als Friedenskraft auftritt. Nur eine Europäische Union, die neutral ist und friedensstiftend auftritt, kann auf internationaler Ebene deeskalierend wirken, statt Konfrontation weiter zu befeuern. Aufrüstung hat noch keinen Krieg verhindert. Im Gegenteil: Aufrüstungsspiralen sorgen für Unsicherheit und Säbelrasseln.
(Beifall DIE LINKE)
Dass es Ihnen auch nicht um die Werte geht, zeigen die Premiumpartner der EU in der Außen- und Sicherheitspolitik, z. B. die Türkei. Frau Ministerin Puttrich hat vorhin die Partnerregion Bursa genannt, aber kein Wort zu den Wahlen in der Türkei verloren. Dabei häufen sich die Aussagen, dass internationalen Wahlbeobachtern der Zugang zu einigen Wahllokalen nicht gewährt wurde. Insbesondere im Osten des Landes, der kurdisch geprägt ist, werden immer wieder Wähler durch Polizei- und Militäreinsätze gehindert. Ich hätte mir heute klare Worte einer Europaministerin in Richtung der Türkei gewünscht, dass solche Zustände nicht hinnehmbar sind.
(Beifall DIE LINKE)
Leider hat man sich aber in der EU und auch in der NATO von Erdoğan erpressbar gemacht – ob bei der Auslieferung von Kurdinnen und Kurden aus Finnland und Schweden für den NATO-Beitritt oder dem EU-Türkei-Deal, der die Einreise von Geflüchteten aus der Türkei in die EU verhindern soll. Man arbeitet mit einem Despoten zusammen, der einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die kurdischen Gebiete in Nordsyrien führt, die Demokratie aushöhlt und den Rechtsstaat abgebaut hat. Während man gegen den Despoten Putin alle Register der Sanktionen zieht, werden an den Despoten Erdoğan sogar noch Waffen aus der EU geliefert. Das zeigt doch wirklich, wie bigott die Haltung ist, wenn hier immer von europäischen Werten gesprochen wird, meine Damen und Herren.
(Beifall DIE LINKE – Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Frau Ministerin, setzen Sie sich in Berlin und Brüssel endlich dafür ein, dass alle Waffenexporte in die Türkei gestoppt werden und das Flüchtlingsabkommen aufgehoben wird. Die Lage der Geflüchteten in der Türkei ist in mehrfacher Hinsicht schlecht – sowohl im Hinblick auf die Menschenrechte als auch auf die Versorgungslage. Zum Jahrestag des siebenjährigen Bestehens des EUTürkei-Deals bestätigt nun auch der griechische Staatsgerichtshof dessen Scheitern. Die Richterinnen und Richter des Staatsgerichtshofs sprachen sich mit großer Mehrheit dafür aus, die Einstufung der Türkei als sicheren Drittstaat für Schutzsuchende aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Bangladesch und Somalia für nichtig zu erklären, und haben den EuGH um Klärung gebeten.
Aber statt das Scheitern der Abschottungspolitik anzuerkennen, soll es jetzt auf EU-Ebene ausgeweitet und verrechtlicht werden. Die geplante Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist – meine Damen und Herren, das muss man so sagen – ein ethischer Super-GAU und eine Verabschiedung vom Menschenrecht auf Asyl. Sie hat ein klares Ziel: Fliehende Menschen sollen nicht in die EU kommen. Grenzen statt Menschen sollen geschützt werden.
Schon jetzt ist die Lage an Europas Außengrenzen dramatisch. Von Januar bis März 2023 starben so viele Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer wie seit sechs Jahren nicht mehr. Zum 1. Mai waren es 1.074 Menschen, und seit 2014 haben über 20.000 Menschen die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer nicht überlebt – eine menschliche Katastrophe. Das Mittelmeer ist zum Massengrab der Europäischen Union geworden.
Trotzdem reicht das der EU als Abschreckung und Abschottung vor Geflüchteten nicht aus. Bereits 2015 wurden die EU-Hotspots in Italien und in Griechenland etabliert. Die Lager dienen vor allen Dingen dazu, den EU-Türkei-
Deal umzusetzen. Dafür wurde ein Grenzschnellverfahren etabliert. Während das Verfahren läuft, ist es den Schutzsuchenden grundsätzlich verboten, die Inseln zu verlassen, was vorhersehbar zu einer Überfüllung der Lager sowie elenden und unmenschlichen Bedingungen geführt hat.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Frühjahr 2020 im Eilverfahren entschieden, dass die Zustände in den Hotspots auf Moria und Lesbos gegen das Verbot der unmenschlichen Behandlung gemäß Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. Aber geht es nach den Planungen der EU und auch nach Deutschland, dann soll es in Zukunft noch viele mehr dieser Lager geben. Hauptsache, die Geflüchteten kommen nicht auf das Festland Europa. Durch diese Reform werden absehbar weiterhin mehr Menschen an den europäischen Außengrenzen sterben – durch illegale Pushbacks, Gewalt durch Grenzbeamte und unterlassene Hilfeleistung bei Seenot. Wer es dennoch in einen europäischen Staat schafft und einen Asylantrag vorbringt, wird in Elendslagern inhaftiert.
Sehr geehrte Frau Ministerin Puttrich, dass Sie hier und heute nicht ein Wort zu den geplanten Entrechtungen von Geflüchteten und der Abschottungspolitik gesagt haben, ist inakzeptabel. Ich erwarte von einer Europaministerin, die die Werte der EU wie eine Monstranz vor sich herträgt, eine Stellungnahme zu diesem Anschlag auf die Menschenrechte in der EU.
(Beifall DIE LINKE)
Christian Lindner und Nancy Faeser, Spitzenkandidatin der hessischen SPD, wollen hohe Mauern und Zäune an den europäischen Grenzen, und die GRÜNEN machen mit – Seehofers feuchte Träume werden wahr.
Meine Damen und Herren, als LINKE werden wir uns mit der weiteren Schleifung des Rechts auf Asyl niemals abfinden, egal ob Rechtskonservative sie in Griechenland oder Ungarn umsetzen oder die selbst ernannte Fortschrittskoalition in Deutschland. Es braucht sichere Fluchtwege, Seenotrettungen im Mittelmeer, einen anständigen Umverteilungsmechanismus in der EU, die Gewährleistung grundlegender Prinzipien des internationalen Schutzes und der Rechtsstaatlichkeit für Geflüchtete und die Abkehr von Abschreckung an den EU-Außengrenzen. Stattdessen werden Menschenrechte geschliffen und rechte politische Kräfte gestärkt. Würde die EU einen Beitrittsantrag zur EU stellen, müsste sie mit dieser Bilanz abgelehnt werden.
Die Wahlen zum Europäischen Parlament 2024 werden auch im Zeichen der Konfrontation mit der nationalistischen Rechten stehen. Die Krise des Neoliberalismus bedeutet Frustration, Demütigung und massive soziale Entbehrungen für große Teile der Bevölkerung.
Ja, es geht wirklich darum, für gemeinsame Werte zu kämpfen und diese dann zu verteidigen. Solidarität statt Konkurrenz sowie Frieden und Demokratie statt Abschottung und Militarisierung – Ihr Europa, Frau Ministerin, ist nicht mein Europa.
(Beifall DIE LINKE)