Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula - Gute Arbeits- & Ausbildungsbedingungen sichern Fachkräfte für frühkindliche Bildung

Elisabeth KulaBildungFamilien-, Kinder- und JugendpolitkSoziales

In seiner 135. Plenarsitzung am 25.05.23 diskutierte der Hessische Landtag in einer aktuellen Stunde der LINKEN zur Situation in den Kitas. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden und bildungspolitische Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste!

Der Notstand in den Kitas in Hessen ist allgegenwärtig. Hunderte Kitas haben die Öffnungszeiten dauerhaft verkürzt. Zehntausende Eltern fürchten Tag für Tag das Vibrieren des Handys wegen kurzfristiger Erkrankungen des Personals, sodass die Kinder wieder einmal früher abgeholt werden müssen. Für viele andere Eltern sind das aber noch Luxusprobleme, weil sie trotz eines Rechtsanspruchs gar keinen Kita-Platz finden. Die verbliebenen Fachkräfte der frühkindlichen Bildung in den Kitas, die Erzieherinnen und Erzieher, die bei den aktuellen Zuständen noch durchhalten, gehen vollkommen auf dem Zahnfleisch und fragen sich Tag für Tag, wie lange sie sich das noch antun wollen.

In dieser Situation gibt Frau Anders von den GRÜNEN in der vergangenen Woche am Tag der Kinderbetreuung eine Pressemitteilung heraus, wie hervorragend SchwarzGrün die Kitas in Hessen aufgestellt habe. Da frage ich mich schon: Merken denn die die Regierung tragenden Fraktionen eigentlich noch irgendetwas? So viel Realitätsverweigerung hält man doch kaum aus, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

DIE LINKE stellt sich der Realität in den Kitas. Wir sprechen mit der Praxis. Unser heutiger Antrag ist das Ergebnis eines Fachgesprächs meiner Landtagsfraktion. Er fußt auf Vorschlägen, die Erzieherinnen und Erzieher, Vertreterinnen und Vertreter von Kita-Trägern, Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, Eltern und Gewerkschaften auf dieser Tagung gemeinsam erarbeitet haben.

Aus der Praxis kommen vielfältige Verbesserungsvorschläge, beginnend bei der Ausbildung. Die Vertreterinnen und Vertreter der Fachschulen für Sozialwesen haben übereinstimmend erklärt, dass sie gerne mehr Ausbildungsplätze schaffen würden, wenn es nur genügend Lehrkräfte gäbe. Hessen bildet aber an keiner einzigen Hochschule im Lehramt Sozialpädagogik aus. Auch erfahrene Erzieherinnen und Erzieher, die nicht mehr im Kinderdienst arbeiten wollen oder können, treffen auf enorme Hürden, wenn sie als Lehrkraft ihr Erfahrungswissen an die nächste Generation weitergeben möchten. Kultusminister Lorz hält aber keine Veränderung für notwendig. Sie graben den beruflichen Schulen das Wasser ab und wundern sich dann über das Fehlen pädagogischer Fachkräfte. So geht es nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wichtigste sind aber bessere Arbeitsbedingungen an den Kitas. Dabei geht es z. B. um die Frage des Gesundheitsschutzes, etwa vor Lärm. Wer schon einmal einen Nachmittag lang einen Kindergeburtstag ausgerichtet hat, kann sich zumindest grob vorstellen, was Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas fünf Tage in der Woche aushalten müssen. Was da helfen könnte, sind z. B. schallschluckende Decken, wie sie in vielen neuen Kitas eingebaut sind, die aber in Bestandsgebäuden weiterhin fehlen und von vielen Trägern auch nicht nachgerüstet werden können, weil das Geld dafür fehlt. Ein Landesinvestitionsprogramm für den Lärmschutz in Kitas wäre wirklich eine zukunftsweisende politische Entscheidung.

(Beifall DIE LINKE)

Ein zweites Beispiel. Warum fördert das Land nicht für jede Kita mindestens eine Hauswirtschaftskraft und eine Verwaltungskraft zur Entlastung des Fachpersonals von nicht pädagogischen Aufgaben? Um das klarzustellen: natürlich zusätzlich und nicht, wie bei Ihnen leider zu erwarten war, als Teil des Fachkräfteschlüssels. Das fordern die Träger schon seit Jahren, und die Landesregierung macht nichts.

Drittens gilt für die meisten Erzieherinnen und Erzieher: einmal Erzieherin bzw. Erzieher, immer Erzieherin bzw. Erzieher. Neben der Übernahme der Kita-Leitung gibt es nur sehr wenige Karrieremöglichkeiten. Wenn bei den Kolleginnen und Kollegen im Alter von 50 Jahren aufwärts der Rücken schmerzt und sie nicht mehr den ganzen Tag auf Spielteppichen sitzen können oder wollen, ziehen die meisten von ihnen die Reißleine und verlassen die Einrichtungen. Damit geht nicht nur Personal, sondern auch ganz viel Wissen verloren.

Das Deutsche Jugendinstitut schlägt deshalb vor, dass wir in den Kitas Fachkarrieren einführen. Es empfiehlt beispielsweise, Fachkräfte für sprachliche Bildung, Fachkräfte für Inklusion, Fachkräfte für Kinder in Armutslagen sowie Fachkräfte für die Praxisanleitung einzuführen. Auch das wären zukunftsweisende Schritte, um die Attraktivität des Berufsfeldes zu steigern.

(Beifall DIE LINKE)

Mit Blick auf die Uhr will ich es bei diesen Beispielen belassen. In unserem Antrag finden Sie zahlreiche weitere konkrete Punkte, über die wir im Sozialausschuss weiter diskutieren können.

Aber um es auch an dieser Stelle noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen, wobei ich in Richtung CDU schaue: Die Art und Weise, wie Sie – insbesondere der Generalsekretär der Hessen-CDU, Herr Pentz, der jetzt leider nicht anwesend ist;

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Manfred ist heute Morgen umworben!) so sehr interessiert er sich für Kitas – sich vor zwei Wochen in den sozialen Netzwerken gegenüber einer hessischen Kita geäußert haben, ist, wie man leider so deutlich sagen muss, an Niedertracht kaum zu überbieten.

(Beifall DIE LINKE)

Statt den rechten Kulturkampf wegen Muttertagsbasteleien zu befeuern, haben Sie sich als CDU in Hessen darum zu kümmern, dass sich die Bedingungen in den Kitas endlich verbessern. Sie regieren seit über 20 Jahren in Hessen und tragen eine Verantwortung für den Notstand in unseren Bildungseinrichtungen. Sie haben den Erzieherinnen und Erziehern, die jeden Tag alles geben, um Ihre politischen Versäumnisse aufzufangen, keine pädagogischen Tipps vom rechten Rand zu geben. Übernehmen Sie die Verantwortung, stellen Sie sich der Situation in den Kitas, und unterstützen Sie vor allem endlich die Erzieherinnen und Erzieher.

(Beifall DIE LINKE)