Die hessische Linksfraktion bestand von April 2008 bis Januar 2024

Rede

Elisabeth Kula zum Hochschulgesetz

Elisabeth KulaBildung

In seiner 88. Plenarsitzung am 11. November 2021 diskutierte der Hessische Landtag zum Hochschulgesetz. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute beraten wir in zweiter Lesung die Novellierungen einiger hochschulrechtlichen Vorschriften. Ich glaube, die mit Abstand am meisten diskutierte ist die des Hessischen Hochschulgesetzes. Die anderen sind aber auch ganz spannend. Aber ich will mich heute auf die Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes beschränken. Wir werden noch eine dritte Lesung haben. Ich muss mich da meinen Kolleginnen und Kollegen von den Oppositionsfraktionen anschließen. Der ganze Prozess der Novellierung stand und steht scheinbar unter einem enormen zeitlichen Druck. Der Gesetzentwurf soll schnellstmöglich noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Ich muss sagen, dass die Qualität der parlamentarischen Befassung darunter leidet. Beispielsweise liegt heute das Protokoll der Anhörungen noch nicht einmal vor. Ich glaube, die Änderungsanträge von Schwarz-Grün kamen gestern herein. Das entspricht nicht ganz meiner Erwartungshaltung. Denn da soll die Novellierung desten Gesetzes für die Hochschulen im Landtag beraten und verabschiedet werden. Soweit ich mich an die Anhörung erinnere und meine Mitschriften nachvollziehen kann, wurde die Novellierung von den Anzuhörenden durchaus begrüßt. Aber es gab auch an vielen Stellen Kritik. Der möchte ich mich heute hauptsächlich widmen. Ich muss leider feststellen, dass die wichtigsten Kritikpunkte, die während der Anhörung gefallen sind, keine Berücksichtigung bei den Änderungsanträgen der die Regierung tragenden Fraktionen gefunden haben. Ich glaube, Menschen mit einem qualifizierenden und anerkannten Berufsabschluss die Zugangsberechtigung zu der Hochschule zu ermöglichen, ist eine gute Sache. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Aber das war nicht der Kern der Kritik der Anzuhörenden. Vielmehr ging es den Beschäftigten und Studierenden um die Mitbestimmung und die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen. Das kommt bei der Novellierung des Gesetzes leider zu kurz. (Vereinzelter Beifall DIE LINKE) Hinsichtlich der Mitbestimmung und der Demokratie sind Sie im Vergleich zum ersten Referentenentwurf leider noch zurückgerudert. Ursprünglich wollten Sie dem Senat – das ist das höchste demokratische Organ der Universitäten und der Hochschulen – mehr Rechte zusprechen. Seine Zustimmung sollte bei der Berufung des Kanzlers oder der Kanzlerin nötig sein. Leider ist das aus Ihrem Entwurf herausgeflogen. Stattdessen soll das Vorschlagsrecht weiterhin bei der Präsidentin oder dem Präsidenten liegen. Die Benennung soll dann weiterhin nur im Benehmen mit dem Senat erfolgen. Gleiches gilt für die paritätische Besetzung der Findungskommission des Präsidiums. Das wäre einmal eine Stärkung des demokratisch legitimierten Senats gegenüber den undemokratischen Hochschulräten gewesen. Aber der Senat muss weiterhin lediglich in die Findungskommission einbezogen werden. Von einer paritätischen Besetzung ist in Ihrem Entwurf leider keine Rede mehr. Sie haben damit die Chance verpasst, Ihre sowieso sehr zögerlichen Vorschläge für mehr Mitbestimmung und Demokratie an den hessischen Hochschulen aufrechtzuerhalten und umzusetzen. Stattdessen soll es jetzt, was das angeht, leider beim Status quo bleiben. DIE LINKE will die Hochschulen viel grundsätzlicher demokratisieren. Wir wollen eine Viertelparität in allen Hochschulgremien und die Abschaffung der Hochschulräte, die oft mit ihrer inneren Verfasstheit gar nichts mit den Hochschulen zu tun haben. Sie sind nicht demokratisch legitimiert. Ein weiterer Kritikpunkt aus der Anhörung, den ich benennen will, kam vor allem von den Gewerkschaften. Das sind die fehlenden Regelungen, um dem Befristungsunwesen an den Hochschulen einen Riegel vorzuschieben. Ich habe Ihnen in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs schon dargelegt, warum die Verbesserung der Arbeitsbedingungen eine zentrale Herausforderung unserer Hochschulpolitik ist. Das will ich gar nicht wiederholen. Aber es ist wirklich sehr bedauerlich, dass Sie sich die Kritik der Beschäftigten nicht zu Herzen nehmen und keine Regelungen in das Hochschulgesetz aufnehmen, um dauerhafte Stellen an den Hochschulen zu schaffen. Es wurden konkrete Vorschläge gemacht, wie das möglich wäre. Beispielsweise ginge das in § 72 Hessisches Hochschulgesetz. Dort könnte man festhalten, dass Befristungen nur möglich sind, wenn tatsächlich eine wissenschaftliche Qualifizierung erfolgt. Man könnte auch – da will ich Frau Dr. Sommer zustimmen – den Kodex für gute Arbeit in das Gesetz aufnehmen. Den tragen Sie vor sich her, wenn es um die Bemühungen für bessere Arbeitsbedingungen geht. (Beifall SPD) Der Kodex ist eine Vereinbarung zwischen den Hochschulen und den Beschäftigten, der aber nicht verbindlich ist, weil er nicht gesetzlich geregelt ist. Schreiben Sie deswegen den Kodex in das Gesetz. Alles andere wird nicht zu spürbaren Verbesserungen für die Beschäftigten an den Hochschulen führen. Abgesehen davon, finde ich, ist es gegenüber dem Parlament zumindest fragwürdig, wenn man von den Anzuhörenden über den Fortschritt der Erarbeitung dieses Kodex hört. Ich finde, das ist wirklich nicht in Ordnung, wie mit der Opposition und dem Parlament umgegangen wird. Da müssen wir besser eingebunden werden. Verbesserungen brauchen wir auch weiterhin für die studentischen Hilfskräfte. Da brauchen wir endlich einen Tarifvertrag oder zumindest tarifvertragsähnliche Absicherungen und einheitliche Arbeitsbedingungen an den hessischen Hochschulen. Leider gibt es dazu keinen Änderungsantrag. Generell enthält Ihre Novelle leider für die Studierenden wenige Verbesserungen. Es wurde die Chance verpasst, endlich Schritte in Richtung eines allgemeinpolitischen Mandats der Studierendenschaft zu gehen oder die Mindestwahlbeteiligung mit der Androhung finanzieller Sanktionen zu streichen. Leider sind auch immer noch versteckte und sekundäre Studierendengebühren in Ihrem Entwurf enthalten. Das gilt für Graduierte, wenn ein besonderer Betreuungsaufwand besteht. Das lehnen wir grundsätzlich ab. Stattdessen müsste ein Verbot aller Studiengebühren im Hessischen Hochschulgesetz festgehalten werden. (Beifall DIE LINKE) Ein weiterer Kritikpunkt aus der Anhörung war die Möglichkeit, in bestimmten Fällen bei Stellenbesetzungen auf eine Ausschreibung verzichten zu können. Generell gilt: Wenn auf eine Ausschreibung verzichtet wird, werden Frauen überproportional benachteiligt. Ein Verzicht auf die Ausschreibung birgt außerdem die Gefahr, Willkür und Vetternwirtschaft zu fördern. Deswegen müssen zumindest die Bedingungen, wann auf eine Ausschreibung verzichtet werden darf, überarbeitet werden. Am besten wäre es aber, wenn Sie bei der Ausschreibungspflicht blieben. Der letzte Kritikpunkt aus der Anhörung, den ich heute anführen will, bezieht sich auf die geplante Ansprechperson für Antidiskriminierung an den Hochschulen. Es ist sehr sinnvoll, eine solche Ansprechperson an den Hochschulen zu etablieren. Überhaupt nicht sinnvoll ist aber die Möglichkeit, dass die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte diese Aufgaben mit übernehmen können soll. Denn es handelt sich wirklich um zwei grundständig unterschiedliche Bereiche der Benachteiligung mit verschiedenen Herausforderungen. Wenn man es mit Antidiskriminierung und Gleichstellung wirklich ernst meinen würde, dann braucht man für beide Bereiche gut ausgestattete Anlaufstellen. (Beifall DIE LINKE) Ich will aber nicht nur die Kritik aus der Anhörung nennen. Ich will durchaus auch auf die Fortschritte in Ihrem Gesetzentwurf eingehen. Das ist z. B. die Möglichkeit einer Tandemprofessur an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Das wurde positiv aufgenommen. Außerdem soll es die Möglichkeit des Teilzeitstudiums geben. Da bin ich allerdings ein bisschen verhalten. Denn aktuell ist das schon Realität. Die Leute sind für ein Vollzeitstudium eingeschrieben, studieren aber nur in Teilzeit. Das, was Sie in den Gesetzentwurf geschrieben haben, ist auch eher eine Form des informellen Teilzeitstudiums. Deswegen wäre da eine Präzisierung besser gewesen. Außerdem wurde die grundsätzliche Einführung einer neuen Personalkategorie begrüßt. Das ist die Hochschullektorin oder der Hochschullektor. Da muss aber dafür gesorgt werden, dass eine gute Eingruppierung vorgenommen wird. Die Lehrverpflichtung muss überarbeitet werden, damit diese Kategorie tatsächlich zu Verbesserungen im wissenschaftlichen Mittelbau führen wird. Neben dem, was Sie neu in das Hessische Hochschulgesetz aufgenommen haben, gibt es leider noch einiges, was bei Ihnen nicht den Weg in den Gesetzentwurf gefunden hat. Ich will ein paar Punkte nennen. Beispielsweise ist das die Zivilklausel bei den ethischen Leitlinien, die Unterstützung der Studierenden aus Nichtakademikerhaushalten oder die soziale Verantwortung der Hochschulen gegenüber ihren Studierenden. Beispielsweise könnte es darum gehen, einen Wohnheimplatz zu bekommen. Zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens lässt sich insgesamt feststellen, dass zwar an einigen Schräubchen in die richtige Richtung gedreht wurde. Der nötige große Wurf wird diese Novellierung des Hochschulgesetzes aber nicht sein. Nach der Anhörung müssen wir feststellen, dass sich daran leider nichts ändern wird. – Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE)