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Rede

Elisabeth Kula zum Antrag der AFD „Fortwährendes Versagen der Landesregierung in der Bildungspolitik – Elternrechte stärken, Bildungspflicht statt Schulpflicht"

Elisabeth KulaBildungFamilien-, Kinder- und Jugendpolitk

In seiner 141. Plenarsitzung diskutiert der Hessische Landtag am 20.07.2023 über den Antrag der AFD „Fortwährendes Versagen der Landesregierung in der Bildungspolitik – Elternrechte stärken, Bildungspflicht statt Schulpflicht“. Dazu unsere Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Die AfD legt hier vor der Sommerpause einen bildungspolitischen Trojaner vor, der einen direkten Angriff auf die soziale Errungenschaft der Schulpflicht darstellt. Die AfD will die Schulpflicht zugunsten einer Bildungspflicht aufweichen und greift damit in die erzkonservative Mottenkiste.

Die Einführung der allgemeinen Schulpflicht gehört zu den Fortschritten der Bildungsgeschichte der Moderne. Mag sie auch in Deutschland nicht so gefeiert worden sein wie in Frankreich, wo sie als Verkörperung des modernen Gleichheitsversprechens verstanden wird, so gehört deren Durchsetzung auch hierzulande zu den wesentlichen Bestandteilen einer demokratischen Gesellschafts- und Bildungsverfassung.

Bis zur Weimarer Republik war das noch anders. Bis dahin blieben die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794 verbindlich. Damals galt eine Unterrichtspflicht, ähnlich, wie die AfD das auch heute wieder will. Damals stand es in der Pflicht des Hausvaters, für den Unterricht zu sorgen, und zwar in seinem Hause. Erst, wenn er das nicht selbst besorgen konnte oder wollte, entstand die Pflicht, die Kinder zur Schule zu schicken.

Doch selbst dann bestand noch keine Schulpflicht. Die Wohlhabenden schickten ihre Kinder selbstverständlich auf Privatschulen. Für die Kinder der unteren Schichten war der Schulbesuch also nicht nur eine soziale Errungenschaft, sondern zugleich auch ein Indiz gesellschaftlicher Diskriminierung. Seit dem 18. Jahrhundert wird in Teilen der Gesellschaft die Durchsetzung der Schulpflicht als schwerer Angriff auf die genuinen Rechte des Hausvaters begriffen. Die Kontroversen über das Elternrecht, die von rechts und jetzt auch von der AfD befeuert werden, belegen das bis heute.

Aber selbst Verfechter der kirchlich konfessionellen Rechte im Bildungswesen und liberale Bildungspolitiker fanden den Eingriff in die bürgerliche Freiheit und die Einschränkung der Elternrechte durch die Schulpflicht gerechtfertigt, da die Schulpflicht das kindliche Grundrecht auf humane Bildung garantiere. Die AfD will zurück in preußische Zeiten und zurück zur Hausväterherrschaft. Wir wollen das nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch hier betreibt die AfD Politik für Privilegierte und gegen Benachteiligte und Einkommensschwache. Sie ist und bleibt eine Partei der Reichen und Vermögenden, auch in der Bildungspolitik. Die Schulpflicht ist eine historische soziale Errungenschaft, die wir auch im 21. Jahrhundert anscheinend immer noch und immer wieder verteidigen müssen – jetzt eben gegen die Demagogen der AfD.

(Beifall DIE LINKE und SPD)