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Rede

Elisabeth Kula zum Ersatzschulfinanzierungsgesetz

Elisabeth KulaBildung

In seiner 128. Plenarsitzung am 15. Februar 2023 diskutierte der Hessische Landtag zum Ersatzschulfinanzierungsgesetz. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

Ersatzschulen sind Privatschulen, die das gleiche Bildungsangebot abbilden wie die öffentlichen Schulen. Darüber hinaus gibt es Ergänzungsschulen. Die zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein Unterrichtsangebot haben, das es im öffentlichen Schulwesen nicht so gibt.

Der Betrieb von Ersatzschulen ist gemäß Art. 7 Abs. 4 Satz 2 Grundgesetz garantiert. Danach bedarf der Betrieb einer Privatschule einer staatlichen Genehmigung. Auf diese hat der Betreiber Anspruch, wenn die Qualität der Privatschule der einer öffentlichen Schule gleichwertig ist.

In dem Artikel ist auch ein Sonderungsverbot festgeschrieben. Das heißt, dass der Besuch einer Privatschule nicht an finanziellen Mitteln der Eltern scheitern darf. Inwiefern das in Hessen eingehalten wird, darauf kommen wir sicher im Verlauf der weiteren Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zu sprechen. Die will jetzt die Privatschulen finanziell besser ausstatten und das Ersatzschulfinanzierungsgesetz novellieren.

Die Privatschulen haben grundsätzlich zwei Einnahmequellen. Es gibt die staatlichen Zuschüsse und das Schulgeld der Eltern bzw. der Schüler. Allerdings erhalten nur die Ersatzschulen die Zuschüsse vom Staat. Die Ergänzungsschulen erhalten sie nicht.

Aufgrund der Regelungen im Grundgesetz ist der Staat zur Finanzhilfe verpflichtet, wenn das Ersatzschulwesen ohne die finanzielle Förderung evident gefährdet wäre. Da das Sonderungsverbot einer ausschließlichen Finanzierung durch Elternbeiträge entgegensteht, haben die Ersatzschulen ein Recht auf staatliche Finanzierung. Die muss von Zeit zu Zeit angepasst werden. Inwiefern da der Vorschlag der Landesregierung angemessen ist, wird sich in der Anhörung zeigen.

So weit zur Rechtslage. Ich will auf eine politische Frage zurückkommen. Es muss uns doch als Land Hessen und somit als Träger des Erziehungs- und Bildungsauftrags beunruhigen, dass die Schulen in privater Trägerschaft boomen. Fast 10 % der hessischen Schülerinnen und Schüler besuchen eine Privatschule. Die Tendenz ist weiter steigend.

Da stellt sich schon die Frage, ob der Gesetzgeber den grundgesetzlichen Ansprüchen des Sonderungsverbots noch wirklich gerecht wird. Aber heute möchte ich vor allem die Frage in den Vordergrund stellen, warum sich immer mehr Lehrkräfte und Eltern für die Privatschule statt die Schulen der öffentlichen Hand entscheiden. Das ist ein Fingerzeig in Richtung des Kultusministers. Die Bedingungen an unseren öffentlichen Schulen sind häufig schlechter als an den Privatschulen. Das ist ein riesiges Problem.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist längst nicht mehr so – das ist ein Vorurteil –, dass alle privaten Schulen hoch privilegiert mit tollen neuen Gebäuden sind. Ja, die gibt es auch. Aber es gibt zunehmend auch Privatschulen, die durch Elterninitiativen und Förderbedarfe entstehen. Sie stehen finanziell schlecht da und kämpfen ums Überleben. Das sind die Privatschulen mit geringen Beiträgen und häufigen Befreiungen von diesen Beiträgen. Dort findet man nicht nur die Kinder reicher Eltern, sondern auch Kinder von Eltern, die das Schulgeld noch irgendwie zusammenknapsen.

Da sollte man einmal genauer hinschauen. Was macht diese alternativen Schulen denn für die Leute so attraktiv, die es sich eigentlich kaum leisten können? – Da gibt es sicherlich auch Pushfaktoren von den staatlichen Schulen, wie der Lehrkräftemangel, der Unterrichtsausfall und die Folgen der ständigen Überlastung der Lehrkräfte an den staatlichen Schulen.

Gleichzeitig sind die Privatschulen mit ihren pädagogischen Freiheiten oftmals einfach weiter und fortschrittlicher. Zum Beispiel wird die Notengebung bis zur 8. Klasse durch umfangreiche Bewertungsbögen und Gespräche ersetzt. Die Klassengrößen sind kleiner. Die individuelle Förderung findet durch Doppelbesetzungen statt. Die Schülerinnen und Schüler haben Mitspracherechte. Die Schulen sind inklusiv.

Meistens sind es die integrierten Ganztagsschulen, bei denen die Schülerinnen und Schüler von der Klasse 1 bis zur Klasse 10 zusammenbleiben. Arbeitsgemeinschaftsangebote werden mit und durch Schülerinnen und Schüler erarbeitet. Hausaufgaben gibt es nicht. Die Lernzeiten sind in den Tagesrhythmus integriert. Sie werden fachlich begleitet. Schulsachen, wie etwa die Bücher, bleiben in der Schule. Es gibt täglich ein gemeinsames Mittagessen, und, und, und.

Wenn sich staatliche Versuchsschulen mit deutlich mehr Ressourcen auf diesen Weg begeben, sind sie auf einmal sehr beliebt. Diese Schulen gewinnen Preise, wie z. B. die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden. Diese Schule hat jährlich viermal mehr Anmeldungen als Plätze. Da fragt man sich schon, warum nicht endlich ein Umdenken stattfindet, dass unser Schulsystem in diesem Sinne vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss, und zwar für moderne Bildung und mehr Bildungsgerechtigkeit in der Fläche, anstatt dass das nur an Modellschulen geschieht.

(Beifall DIE LINKE)

Stattdessen übersteigen die Pro-Kopf-Ausgaben in Deutschland und in Hessen für Schülerinnen und Schüler an privaten Schulen die Pro-Kopf-Ausgaben für die Schülerinnen und Schüler an den allgemeinbildenden Schulen. Dort sind es nämlich 8.200 € laut Bildungsfinanzbericht 2021 gewesen. Dieser Wert, diese 8.200 €, wurde schon 2013 an den Privatschulen erreicht. Dort dürfte dieser Wert also mittlerweile deutlich darüber liegen. Das wird aber nicht systematisch erfasst.

Ja, die Ersatzschulfinanzierung muss angepasst werden. Definitiv muss aber auch das Engagement für unsere öffentlichen Schulen deutlich gesteigert werden, um dem Trend hin zu mehr Privatschulen einen Riegel vorzuschieben. Wir wollen dahin kommen, dass sich die Lehrkräfte und die Eltern bewusst lieber für eine staatliche Schule entscheiden, weil diese mindestens genauso gute Bildung wie eine Privatschule vermittelt.

(Beifall DIE LINKE)